51. 🍇 Rape-Culture & toxische Romantik | mit Beatrice Frasl

Warum wir uns entromantisieren sollten

16.10.2025 52 min

Zusammenfassung & Show Notes

Was ist Rape-Culture und wie nützt Liebe dem Patriarchat?

📢 Der Podcast über Patriarchat & Popkultur
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Ein Transkript dieser Folge findest du 👉 hier
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💔 Entromantisiert euch
Nein, es ist nicht romantisch, wenn Männer die komplette Kontrolle über ihren Love-Interest haben wollen, wenn sie sie ungefragt ins Auto zerren oder heimlich beobachten. Doch genau dieses übergriffige und bedrohliche Verhalten wird in Liebesfilmen oft belohnt und damit normalisiert. Erzählmuster wie Entführung als Romanze (Bsp. Passengers), Stalking love (Bsp. Pretty in Pink) und Predatory Lover (Bs. Twilight) romantisieren Grenzüberschreitung und sind teil der Rape-Culture.

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🎙️ Zu Gast: Beatrice Frasl
Beatrice Frasl ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Podcasterin (🎙️Große Töchter). Mit ihr spreche über Rape-Culture und warum wir häufig Gewalt und Liebe nicht unterscheiden können. In ihrem aktuellen Buch 📕 „Entromantisert euch“ ruft sie dazu auf, die romantische Hetero-Paarbeziehung kritisch zu betrachten und andere Formen der Liebe aufzuwerten. 

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📚 Referenzen:
mein Post zu Rape-Tropes (Instagram)
Brainwashed (Arte Doku)
Stalking for love @popculturdetective
Entführung als Romanze @popculturedetective
Was Popkultur mit Feminiziden zu hat (ZEIT ONLINE)
Twilight @Contrapoints (Youtube-Essay)
• Rebekka Endler. Banalisierung von sexualisierter Gewalt (Dlf)
• Liv Strömquist. Ich fühl’s nicht (als Hörbuch)
• Christina Klemm. Gegen Frauenhass
• Agota Lavoyer. Jede Frau (Rezension im Podcast DIE LESERINNEN)
• Studie: Männer sind auf romantische Beziehungen angewiesen
• Studie: unverheiratete Frauen sind am glücklichsten

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Kontakt: Schreib mir Feedback oder Themenwünsche an: verbittert-mail@web.de
Musik: Danke an Heyohmann!
Podcast-Logo: Danke an Scarlett Nimz
Foto: © Michael Wuermer

Transkript

Susi
00:00:00
Er ist aber schon so richtig heiß, wenn er dann eher die Waffe da am Kopf hält oder so. Also ich zähle mich da auch mit. Also vielleicht denken auch Leute, ich bin da so moralisch überlegen, aber ich finde die auch alle heiß. Ich würde auch mit Robert Redford mitgehen, so weißt du, was ich meine?
Beatrice
00:00:12
Wie bin ich eine gute Partnerin? Wie kann ich gut in Beziehung sein? Das ist ja eine Frage, die hauptsächlich an Frauen gerichtet wird, nicht an Männer. Das heißt, romantische Liebe macht Frauen sehr, sehr viel Arbeit. Und es richtet Frauen von klein auf zu auf männliche Bedürfnisse.
Susi
00:00:24
Wir können nicht unterscheiden, ob das Gewalt ist oder Liebe. Wenn ich das so sage, hört sich das eigentlich absurd an.
Beatrice
00:00:30
Und wenn du dann aber konkret dann auch noch dieses Konstrukt der romantischen.
Music
00:00:32
Beatrice
00:00:35
Liebe angreifst, dann kommt das natürlich, ja, die ist halt hässlich und ungefickt so.
Susi
00:00:41
Hallo zu Verbittert Talentlos. Mit dieser Folge will ich anknüpfen an eine Folge, die wir im Februar gemacht haben. Und da haben wir uns gefragt, ist Feminismus ein Romantik-Killer? Damals haben wir mit Nein geantwortet und heute revidieren wird das vielleicht ein bisschen. Denn ich habe die Autorin Beatrice Frasel zu Gast mit ihrem Buch und dem gleichzeitigen Aufruf Entromantisiert euch. Hallo Beatrice, schön, dass du da bist. Ich freue mich riesig und ich bin natürlich auch Fan von diesem Buch.
Beatrice
00:01:16
Hallo, vielen lieben Dank für die Einladung. Ich freue mich auch sehr, dass ich heute dabei sein darf bei deinem tollen Podcast.
Susi
00:01:21
Beatrice, du bist Kulturwissenschaftlerin, du schreibst Kolumnen und Bücher. Dein erstes Buch heißt Patriarchale Belastungsstörung. Auch das ist sehr empfehlenswert, habe ich als Hörbuch gehört. Und du hast auch einen feministischen Podcast. Der heißt Große Töchter, verlinke ich euch auch nochmal in den Shownotes. So, mit dir würde ich heute gerne über toxische Romance-Tropes sprechen und über Rape-Culture. Und dafür nehmen wir uns ein paar Liebesfilme vor. Also mal gucken, was wir schaffen. Aber ich habe sehr viele Beispiele mitgebracht. Vielleicht machen wir mal kurz zu deinem Buch Entromantisiert euch. Du hast in dem Buch die romantische Liebe infrage gestellt. auch die Hetero-Paarbeziehung sowie die Ehe und das Modell der Kleinfamilie. Jetzt würde ich natürlich erst mal brennend wissen wollen, wie lebst du und wie bist du überhaupt auf diese Idee zu dem Buch gekommen? Weil mir kam das alles vor, als würden wir in so einer Käseglocke leben, in der quasi die Hetero-Zwei-Jahr-Beziehung eher Pipapo, dass das alles ganz normal ist. Es ist so normal, dass wir es gar nicht merken, dass es noch andere Sachen gibt. Also wer sollte denn auf die Idee kommen, anders zu leben, sage ich jetzt mal, oder was anderes zu wollen?
Beatrice
00:02:41
Also ich finde die Frage, wie ich selber lebe, immer sehr schwierig, weil ich als Feministin in der Öffentlichkeit auch ständig die Erfahrung mache, dass auf Argumente von mir auf eine sehr persönliche Art und Weise reagiert wird. Deshalb möchte ich da eigentlich gar nicht so gerne drüber sprechen. Was ich schon sagen möchte, ist, dass ich mich irgendwann entschieden habe, freundschaftszentriert zu leben. Und das sage ich deshalb dazu, weil es auch Teil des Prozesses dieses Buches war, weil während dem Schreiben, während der Recherche für das Buch ich auch selber so eine Entwicklung durchgemacht habe irgendwie und mich dazu entschieden habe, eben gerade freundschaftliche Beziehungen ins Zentrum meines Lebens zu stellen, auch in gewisser Weise als Partnerschaften.
Susi
00:03:19
Also ich hatte ehrlich gesagt schon ein bisschen sowas vermutet, dass du der Frage vielleicht ausweichen würdest, weil ich habe beim Lesen auch gedacht, wenn ich als Frau jetzt sage, also romantische Liebe, das ist mir jetzt nicht mehr so wichtig, das ist alles ein Scam vom Patriarchat, ich konzentriere mich jetzt auf meine Freundinnen, dann weiß ich jetzt schon 100 Prozent, dass wenn ich eine Person in der Öffentlichkeit wäre, dass es so mindestens 395.000 Männer gäbe, die sagen würde, Ja, weil dich sowieso keiner mit der Kneifzange anfassen würde. Mein Podcast heißt ja nicht ohne Grund verbittert talentlos, weil das der Vorwurf ist an Frauen, die sich nicht gemäßigt, also sozusagen pleasing dem Patriarchat gegenüber verhalten. Die werden dann abgewertet, indem sie entweder verbittert sind, also sie sind so hässlich, dass sie eh keinen abkriegen, deswegen bist du auch alleine und eine Katzenmutti. Und sie sind natürlich inkompetent.
Beatrice
00:04:10
Genau.
Susi
00:04:11
So, das sind diese großen Tropes. Und da ist so eine Scham natürlich auch als Hetero-Frau zu sagen, also das brauche ich jetzt nicht mehr, das mache ich jetzt irgendwie anders. Aber ich habe natürlich überlegt und vielleicht kommen wir einfach dann mehr ins Buch rein. Wann ist dir das aufgegangen, diese Idee, dass man irgendwie noch anders leben könnte und andere lieben, andere Beziehungen mehr in den Vordergrund rückt? Wie kann man sich denn überhaupt trennen von diesem, die Liebe eines Mannes und die Beziehung und die Ehe ist das höchste Gut, was ich als Frau sozusagen erreichen muss, ergreifen muss?
Beatrice
00:04:42
Was ich sehr spannend finde an den Reaktionen, dass es ein Resultat einer Verbitterung oder Frustration ist, ist ja, dass so viele implizite Annahmen über mein eigenes Privatleben und über meine eigene Sexualität sich darin befinden. Und es sind Annahmen drin über meine eigene sexuelle Orientierung, die ich ja in diesem Buch auch nicht bespreche. Es sind Annahmen drin darüber, wie ich leben möchte, wie ich es schaffe zu leben oder nicht schaffe. Und das sind halt alles sehr anmaßende Projektionen auch ganz oft. Und ja, ich wusste das auch selber, dass das eine Reaktion ist, die kommen wird, weil ich ja eben als Feministin schon länger öffentlich bin und das immer natürlich die erste Reaktion ist auf irgendeine feministische Äußerung einer Frau, egal was es ist, ja, die ist halt hässlich und ungefickt und sexuell frustriert. Und wenn du dann aber konkret dann auch noch dieses Konstrukt der romantischen Liebe angreifst, dann kommt das natürlich in doppelter Form. Und das ist natürlich das, was am häufigsten auch wirklich gekommen ist in Reaktion auf mein Buch, weshalb ich auch das im Vorwort schon so ein Stück weit vorwegnehme. Also darauf war ich sehr gut vorbereitet eigentlich und habe mich auch selber dazu entschieden, in Interviews eben deshalb auch nicht drüber zu sprechen. Weil egal, was ich sagen würde, es würde diese Idee ja auch irgendwie bekräftigen oder es würde normalisieren, dass man Frauen so etwas an den Kopf wirft. Also wenn ich jetzt sagen würde, ich habe einen Ehemann und bin seit drei Jahren verheiratet, Naja, dann würde ich damit ja, also ich will auf dieser Ebene einfach nicht reagieren, weil ich damit dieses Argument ja irgendwie validiere, dass das irgendeine Relevanz hätte. Und zu deiner zweiten Frage, wie man auf die Idee kommt, dass man es anders machen kann. Ich weiß, ich als Kind schon ein großes Unbehagen empfunden habe, diesem Modell gegenüber und damit vielleicht, also ich weiß nicht, das ist auch etwas, was ich so aus meinem Umfeld gar nicht kenne. Also ich kenne wenige Leute, die dieses Unbehagen empfunden haben. Viele dieser Menschen, die dieses Unbehagen auch empfunden haben, haben wir, nachdem das Buch rausgekommen ist, geschrieben und gesagt, danke, mir ging es genauso. Aber ich kenne es aus meinem Umfeld jetzt gar nicht so sehr. Aber ich glaube, wenn man jemand ist, der mal so sich da mit den vorgegebenen Wegen, die einen so präsentiert werden, unwohl fühlt, dann hat man, glaube ich, auch in gewisser Weise vielleicht sogar mehr als andere auch die Möglichkeit, diese Dinge auch dann aktiv in Frage zu stellen später und dagegen anzuargumentieren. Ich glaube nur, dass es etwas ist, wo wir alle davon profitieren könnten, wenn wir nicht romantische Liebe in diesem Ausmaß ins Zentrum unseres Lebens stellen würden, weil wir ganz viel an Liebe so verpassen.
Susi
00:07:06
Ja, da werde ich dich dann auch noch, glaube ich, am Ende des Podcasts, dass wir nochmal ein bisschen mit einem optimistischen Ende rausgehen, nochmal zu den alternativen Interviewen. Das Kuriose war ein bisschen, dass ich hatte mich ein bisschen in das Thema Rap Culture eingearbeitet und Rap Tropes. Dann kam dein Buch raus. Ich war total begeistert von dem Titel und bin erst davon ausgegangen, dass das so ein bisschen eben auch in die Richtung, wenn immer so romantisiert wird, dass Männer gewalttätig sind. Also ich dachte, es geht um so ein Thema und dachte so, du bist die perfekte Gästin, die lade ich ein und da können wir schön fachsimpeln. Dann habe ich das gelesen und habe erst mal verstanden, okay, du gehst von einem ganz anderen Ausgangspunkt los. Also du sagst ganz klar... Liebe erfüllt patriarchale Funktionen. Also Liebe, romantische Liebe an sich, ist eine mächtige patriarchale Fantasie, wenn man so will. Und du zitierst Schula mit Firestone, die es eine romantische Unterdrückung nennt. Also sehr radikal und da sind wir noch nicht beim Thema Gewalt oder Missbrauch oder so. Das ist erstmal nur dieses Konstrukt, dass wir zum Lieben verdammt sind sozusagen oder zum Hetero-Paar-Beziehungslieben. Könntest du das nochmal ausführen? Wo sind diese patriarchalen Unterdrückungsmechanismen in diesem Romantikbegriff, den wir pflegen?
Beatrice
00:08:33
Auf sehr vielen Ebenen. Also das eine ist mal, dass romantische Liebe ja sehr konkret die Funktion erfüllt von klein auf. Romantische Liebe in ihrer heterosexuellen Form vor allem als Ideal, jetzt nicht nur als irgendwie Gefühl oder Form der Beziehung zwischen zwei Menschen oder mehreren Menschen, sondern tatsächlich romantische Liebe als Ideal, an die man sich zu orientieren hat. Also als Lebensziel, als der Sehnsuchtsort, an dem man Lebensglück findet. So wird unsere romantische Liebe ja ganz stark verkauft. Fast in dem Film ist das Happy End eine romantische Zweierbeziehung. Also von klein auf lernen wir, das ist der Ort, an dem wir als Mädchen und Frauen Erfüllung finden. Und das ist schon mal die erste Funktion, die es hat, weil es dadurch Mädchen von klein auf sehr auf Männer orientiert und auf Männer zurichtet in gewisser Weise und ihnen von klein auf erklärt, dein Hauptlebenszweck besteht eigentlich darin, dich auf allen Ebenen deines Seins, also körperlich, geistig, psychisch, zurechtzumachen, um die große Liebe zu finden. Das ist der Lebenszweck. Die große Liebe in Form eines Mannes idealerweise. Und das ist schon mal so eine Form von Zurichtung tatsächlich, die, glaube ich, Mädchen in wesentlich stärkerer Weise trifft als Burschen. Also das ist schon ganz stark Teil weiblicher Sozialisierung. Und weil eben auch so die Rolle als Ehefrau und Mutter dann in gewisser Weise ja auch so ein bisschen der Höhepunkt weiblicher psychischer Entwicklung oder Persönlichkeitsentwicklung irgendwie gedacht wird. Also diese Rolle zu erfüllen ist, da hat man es sozusagen geschafft, als Frau auch. Es ist der Hauptzweck im Leben sozusagen einen Mann zu finden, einen Mann zu binden, dann die Beziehung zu behalten. Also das ist mal so die erste, diese Art der Zurichtung, das ist schon mal das erste Problem und da hängen ja ganze Industrien dran dann auch. Der zweite Punkt ist, dass es ja dann in der Beziehung, also es ist sehr viel Arbeit überhaupt sozusagen für Frauen, eine gute Partnerin zu sein, um einen Mann zu finden, dann ist es sehr viel Arbeit, diesen Mann sozusagen zu behalten. Auch die Beziehungsarbeit wird als etwas gedacht, was hauptsächlich an Frauen lasten soll. Also wenn man sich anschaut, an wen sich Beziehungsratgeber richten. Wie viel Beziehungsratgeber-Content in Frauenzeitschriften ist im Vergleich zu Männerzeitschriften. Also wie bin ich eine gute Partnerin, wie kann ich gut in Beziehung sein, ist ja eine Frage, die hauptsächlich an Frauen gerichtet wird, nicht an Männer. Das heißt, romantische Liebe macht Frauen sehr, sehr viel Arbeit. Und es macht Frauen natürlich, also nicht nur Beziehungsarbeit, sondern es macht ganz konkret Frauenarbeit im Sinne von Haushaltsarbeit, Kindererziehungsarbeit, also da ist ja die romantische Liebe sozusagen vorgelagert oder das Einfallstor oder der Grund, warum diese Arbeit dann stattfindet in gewisser Weise. Und diese Ungleichverteilung von Arbeit und damit hinhergehende Dichotomisierung von öffentlicher und privater Sphäre ist auch der Grund, warum die Liebes-Ehe als Konstrukt eigentlich so wichtig wurde, geschichtlich. Weil die Liebe als Idee dann auch sozusagen der Lohn der Frau war, die zu Hause arbeitet für kein Geld. Was ja in einem kapitalistischen System auch bedeutet, dass sie keine Ressourcen hat und keinen Zugang zu Partizipation in ganz vielen Bereichen. Und der Lohn der Frau ist sozusagen die Liebe, die sie empfindet. Nicht mal so sehr die Liebe, die sie kriegt, aber die Liebe, die sie gibt. Das ist auch eine Funktion, die romantische Liebe hat. Sie macht Frauen zu Liebesdienstleisterinnen, sie macht Frauen zu Haushälterinnen, sie macht Frauen zu Gratis-Therapeutinnen und so weiter und so fort, Gratis-Krankenpflegerinnen. Und es richtet Frauen von klein auf zu auf männliche Bedürfnisse und männliche Bedürfniserfüllung. Und was dann noch dazu kommt, und das ist das, was du, glaube ich, ursprünglich besprechen wolltest, um das Thema Gewalt auch geht, ist, dass, mein wesentlicher Punkt in dem Buch auch ist und das ist nichts, was jetzt irgendwie ablenken soll von konkreten Verantwortungen, von konkreten Tätern, so ist das überhaupt nicht gemeint, aber ja, Was mir auch ein großes Anliegen ist, es sich anzuschauen, warum gerade romantische Beziehungen so anfällig sind. So ein offenbar fruchtbarer Humus für missbräuchliches Verhalten, für Missbrauchstendenzen in Beziehungen, warum gerade da Täter offenbar ein so ungehemmtes Tätigkeitsfeld finden für ihren Missbrauch. Und da liegt, glaube ich, ganz viel auch in der Art, wie wir Liebe, romantische Liebe begreifen, im Kontrast zu anderen Formen von Lieben auch, vor allem zu freundschaftlicher Liebe. Weil eben ganz viel dessen, was wir eigentlich kulturell als Liebe verstehen oder als Liebe vermittelt bekommen, eigentlich ganz viel mit Kontrolle zu tun hat, mit Kontrollverhalten, mit ja eigentlich schon oft psychischer Gewalt, die wir aber nicht als solche erkennen, weil wir das irgendwie als romantische Geste irgendwie interpretieren und so weiter und so fort. Und da spielt die Kulturindustrie natürlich auch eine große Rolle. Rom-Coms und Liebeslieder und all of it. Ja, Disney-Filme.
Susi
00:13:27
Klar. Ja, also ich muss wirklich auch nochmal sagen, dass beim Lesen ich erstmal das Gefühl hatte, komplett entzaubert zu werden von diesem romantische Liebeideal, was mich auch immer umhüllt hat. Also bei mir sind so Gedanken in Anstoß gekommen, dass ich so gedacht habe, was wäre, wenn romantische Liebe vielleicht ein Teil, Aspekt der Kultur ist, aber nicht so überdominant. Wenn ich als Kind eben nicht Ariel geguckt hätte, die dann ihre Erfüllung dann da mit dem Prinzen Erik findet, sondern viel mehr Freundinenschaften filme oder ich habe dann auch noch mal mich erinnert an die sieben griechischen Wörter der Liebe. Die hatten dann die familiäre Liebe und die geschwisterliche Liebe und mein Lieblingswort Pragma, die reife Liebe, wenn zwei Menschen sehr lange miteinander leben, da steckt so Pragmatismus drin. Es ist ja eher negativ konnotiert im Zusammenhang mit Liebe, aber irgendwie habe ich gedacht, kann das auch okay sein, einfach mit jemandem zusammenzuleben? Also ich sage mal jetzt zum Beispiel auch Paare mit Kind, die irgendwann merken... Der Eros, die leidenschaftliche Liebe hat vielleicht aufgehört, aber wir sind eigentlich ein super Team. Wir verstehen uns, wir vertrauen uns. Viele Paare gehen dann auch zur Paartherapie oder zur Sexualberatung oder so, weil man immer das Gefühl hat, da ist ein Verlust. Wir sind nicht heil, wir sind nicht ganz, wir sind nicht richtig. Dabei würde ich jetzt mal sagen, wenn ich in einer Welt aufgewachsen wäre, in der es einfach ganz klar ist, dass es ganz viele unterschiedliche Arten gibt zu lieben und Beziehungen gibt, in denen man lieben kann und diese Beziehungen wären gleichwertig, dass ich dann auch gar nicht diese Abhängigkeit habe. Das, was du auch gerade Zurichtung genannt hast, finde ich ein richtig provozierendes Wort, aber auch wichtig, das auch mal zu sagen. Warum habe ich mir denn die Beine rasiert? Warum habe ich denn einen Tanga angezogen? Warum habe ich mich denn hübsch gemacht? Warum habe ich denn überlegt, wie meine Brüste in dem Top wirken oder so? Habe ich das wirklich für mich gemacht? Ich habe jetzt ganz andere Dinge, die mir wichtig sind. Ja, dass meine Hose bequem ist, dass ich mich darin gut bewegen kann und so. Ich habe ganz, ganz viele Freundinnenschaften verloren über die Jahre, wo es für mich so wichtig war zu daten und ja, auch sexuelle Erfahrungen zu machen und einen Mann zu finden. Ja, also es ist so ein krasser Fokus. Und jetzt denke ich darüber nach, wie ist es möglich, dass meine beste Freundin und ich zum Beispiel in Urlaub fahren können, Wenn wir gleichzeitig beide Familien haben und dürfen wir das? Ist das okay? Und ich habe auch viel mit meinen Freundinnen darüber gesprochen und du berührst wirklich natürlich alle Lebensbereiche, weil das eben auch dieser riesen Komplex der romantischen Liebe ja auch tut. Wie du es auch gerade sagst, das sind Industrien, das sind Filme, das sind Lebensmodelle. Es ist alles. Bis zur Joghurtwerbung.
Beatrice
00:16:22
Unser Steuersystem hängt dran.
Susi
00:16:26
Politische Narrative und bis hin zu Feministinnen sind alle hässlich und grässlich, weil das eine Währung ist als Frau, Männern zugefallen. So, und jetzt können wir natürlich jetzt nicht das ganze Buch nacherzählen und wir wollen jetzt noch zu den Filmbeispielen kommen. Aber ich habe die gute Nachricht für euch. Beatrice hat ein Verlosungsexemplar von Entromantisiert euch hier für diese Community mitgebracht. Danke erstmal an dieser Stelle. Was müsst ihr dafür tun? Ihr müsst einfach nur meinen Newsletter abonnieren. Easy, das geht auf Steady. Oder wenn ihr ihn schon abonniert habt, umso besser. Natürlich sind auch alle meine Mitglieder gerne eingeladen, teilzunehmen. Und dann schreibt ihr mal einfach eine E-Mail, wenn ihr Interesse habt. Ihr findet auch alle Infos nochmal in den Shownotes. An dieser Stelle, wer gerade noch irgendwie überlegt, Newsletter abonnieren. Also ihr bekommt da jeden Monat meine feministischen Tipps für Filme, Bücher, Serien, Podcast, also mit Mehrwert. Und an dieser Stelle möchte ich euch auch unabhängig von dem Gewinnspiel bitten, wenn ihr den Podcast unterstützen könnt finanziell, dann macht es bitte, weil ich glaube, viele verstehen das immer nicht. Ich bin hier alleine. Ich produziere das alleine. Ich recherchiere das alleine. Ich mache den ganzen Begleit-Content alleine, die ganze Distribution. Und im Moment habe ich ein paar Mitglieder und ich danke euch wirklich, wirklich von Herzen. Aber es reicht eben noch nicht mal, um die Kosten zu decken, die ich durch den Podcast habe. Also wenn ihr mich da unterstützen wollt, dann hilft das sehr, sehr doll und motiviert mich auch. Und schaut doch mal bei Steady vorbei.
Beatrice
00:18:01
Ich möchte an der Stelle noch die Leute tatsächlich ermutigen, das auch wirklich zu machen. Ich bin ja selber Podcasterin und ich weiß, wie schwierig es ist, feministische Medien zu betreiben. Und wir sind es alle gewohnt, dass wir ständig gratis Content reingespült kriegen auf irgendwelchen multinationalen Konzernplattformen, die Millionen und Milliarden damit generieren. Und ich finde es total wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, einfach auch independent Stimmen zu supporten. Und das geht halt leider nicht. Also man kann halt leider in dieser Welt nichts gratis machen. Alles kostet Zeit und Geld und Energie und Arbeit. Deshalb wollte ich sozusagen diese kleinen Werbeeinschaltungen auch nochmal bekräftigen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es sein kann, einen Podcast zu betreiben und wie wichtig es aber ist, dass es diese Stimmen gibt, weil ich auch sehe, dass sie gerade links und rechts irgendwie wegfallen, weil Leute einfach nicht mehr die Ressourcen haben, um solche Podcasts zum Beispiel zu betreiben. Also ich finde das tatsächlich sehr wichtig.
Susi
00:18:52
Ehrlich gesagt ist das ein Thema, was mich so doll beschäftigt, denn ich kann ja als Feministin natürlich jetzt auch schwer Werbung für Make-up oder Beauty-Produkte oder sonst was jetzt machen.
Beatrice
00:19:04
Das Problem ist ja nicht nur, dass es dann viele Werbekunden gibt, die man vielleicht auch nicht schalten möchte in einem feministischen Podcast. Das zweite Problem ist ja auch, dass es total schwierig ist, Werbekunden zu finden für einen feministischen Podcast. Das ist die Erfahrung, die ich mache, dass Werbekunden sagen, Nee, also im feministischen Podcast geht es dann irgendwie um Gewalt und das ist irgendwie nicht ein Happy Peppy.
Susi
00:19:20
Ich wundere mich, warum das Telefon hier eigentlich nicht die ganze Zeit klingelt. Ähm, ich habe auf Insta nach unserer Folge Ist Feminismus ein Romantik-Killer? Wollte ich irgendwie nochmal ein bisschen so einen Service-Post machen über so Toxic-Rape-Culture-Tropes in Filmen. Und dann habe ich so drei Tropes vorgestellt. Das eine ist Entführung als Romanze. Das andere ist Predatory-Romance, also so eine Raubtier-Männlichkeit, die dann immer die Frau so packt. Ich glaube, wir können uns so James Bond vorstellen. Ja, und sie hat dann auch so ein bisschen Widerstand und er packt sie und dann sinkt sie dann doch in seinen Kuss hinein und lässt sich fallen. Also es ist so ein bisschen dieses No-Means-Yes-Prinzip, was sich da gerne mal wiederholt. Und das dritte ist der verliebte Stalker. Ich habe mich dabei auf eine Quelle eines YouTube-Accounts bezogen, Pop Culture Detective, stelle ich euch auch in die Shownotes, der macht richtig, richtig spannende Video-Essays und habe interessanterweise sehr viele Likes bekommen, sehr viel Hate bekommen, Eine halbe Million Views, 500 Kommentare, also das war eigentlich nur so ein kleiner, harmloser Service-Post und auf einmal ist das irgendwie total abgegangen, weil Leute sich persönlich angegriffen gefühlt haben. Wenn jetzt, ich greife mal eins raus, die Schöne und das Biest bei dem Entführung als Romance-Trope jetzt genannt wurde und dann wurde argumentiert und warum das nicht geht. Und dann habe ich gedacht, okay, diese Romance-Tropes, die sind so perfide, die sind so tief in uns eingesickert, dass wir die teilweise gar nicht mehr erkennen. Wir können nicht unterscheiden, ob das Gewalt ist oder Liebe. Wenn ich das so sage, hört sich das eigentlich absurd an.
Beatrice
00:20:58
Ja.
Susi
00:20:59
Und Rape Culture wiederum ist eben ein Begriff, der erstmal, ich glaube, sehr, sehr, sehr viel missverstanden wird. Da habe ich gedacht, wir brauchen jetzt irgendwie mal so eine Definition und da würde ich euch gerne was vorlesen, was ich gefunden habe in dem Buch Jede Frau von Agota Lavoya. Rapeculture bedeutet nicht, dass alle Männer vergewaltiger sind. Von Rapeculture zu reden heißt, sich mit dem Wieso auseinanderzusetzen. Wieso ist das Ausmaß sexualisierter Gewalt so immens? Und wieso sind die überwiegende Mehrheit der Tatpersonen Cis-Männer? Rapeculture bezeichnet eine Gesellschaft, in der sexualisierte Gewalt zumindest teilweise ignoriert, toleriert oder verharmlost wird. Dabei geht es nicht nur um Vergewaltigung, sondern um jede Form von sexualisierter Gewalt. Rape Culture ist eine Gesellschaft, die sexualisierte Gewalt normalisiert und als Teil des natürlichen menschlichen Verhaltens versteht. Statt sexualisierte Gewalt als etwas zu verstehen, das strukturell und kulturell erzeugt und aufrechterhalten wird. Rape Culture ist eine Gesellschaft, die lieber fragt, wieso eine Frau sich sexy angezogen hat, wieso sie getrunken hat, wieso sie allein unterwegs war, wieso sie mit ihm nach Hause gegangen ist oder wieso sie ihn nicht schon früher verlassen hat, als zu fragen, wieso er es getan hat. Rape Culture ist eine Gesellschaft, in der alle Opfer kennen, aber kaum jemand einen Täter. Rape Culture ist eine Gesellschaft, in der es üblicher ist, die Opfer der Lüge zu bezichtigen, als die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Rape-Culture ist eine Kultur von komplizenhaften Männerbünden. Männer, die einander nicht zur Rechenschaft ziehen und einander decken. Vielleicht, weil ich weiß, du hast eben auch zu Disney und zu Disney-Prinzessinnen gearbeitet und recherchiert. Vielleicht fangen wir mal mit Schöne und das Biest an, weil ich habe ein paar Kommentare mitgebracht. Kommentar. Bei die Schöne und das Biest hat sich Belle nicht in das Biest verliebt, während er noch distanziert und aggressiv war. Erst als er sich geändert hat und sie unterstützt hat und liebevoll mit ihr war, erst da hat sie sich in ihn verliebt. Und deswegen findet die Person offensichtlich, dass das eine okaye Romance ist.
Beatrice
00:23:27
Also erstens mal, was du vorhin gesagt hast mit, wir können nicht differenzieren zwischen Liebe und Gewalt. Das ist eigentlich genau der Punkt, den ich mache in meinem Buch. Also das sehe ich genauso. Ich glaube, dass das eben so durchzogen ist von irgendwie sehr gewaltvollen Vorstellungen, dass wir das gar nicht mehr differenzieren können so richtig. Also romantische Liebe jetzt vor allem. Ich glaube, dass gerade bei Disney-Filmen, aber bei Filmen insgesamt Leute ein sehr hohes Identifikationspotenzial bietet, weil das halt auch vielmehr sind, mit denen Leute aufgewachsen sind. Und es für Leute, glaube ich, dann schwierig ist, wenn das kritisch betrachtet wird. Und das heißt ja noch lange nicht, dass sie diese Filme nicht schauen dürfen oder nicht auch Dinge dran super finden dürfen. Aber das ist, glaube ich, eine Ambivalenz, die Menschen ganz schlecht aushalten. Es gibt irgendwie diesen Film, den ich super toll finde, den ich total gern geschaut habe, irgendwie als Zehnjährige oder immer noch immer wieder gerne so nostalgisch. Und dann kommt irgendwie so eine böse Frau im Internet daher und sagt mir, nee, weil das ist scheiße dran. Und dann will ich natürlich nicht, dass die mir diesen Film irgendwie schlecht redet. Ja, genau. Und das tut sie aber ja gar nicht. Also ich kann ihn mir ja trotzdem anschauen und Dinge auch gut dran finden. Ich schaue mir auch Filme an, wo ich Sachen extrem kritisch und scheiße dran finde, aber dann andere Sachen gefallen mir und sei es nur irgendwie die Kostüme oder so. Weißt du, was ich meine? Also es gibt ja verschiedene Ebenen. Aber gut, das ist mal das eine. Aber ich glaube, was daran natürlich total schwierig ist, ist, dass eine gute Handlung natürlich nicht eine schlechte Handlung jetzt wieder ausgleicht. Genau. Also vor allem nicht, wenn die schlechte Handlung jetzt nicht irgendwie ein Fauxpas ist, der zufällig leider passiert ist, sondern wenn es wirklich irgendwie eine missbräuchliche Handlung ist. Und das ist ja eine Situation, in der eine Frau eingesperrt wird von einem Mann. Und auch wenn er dann nett zu ihr ist, ist das ja nicht aus der Welt. Und es ist natürlich total schwierig.
Susi
00:25:04
Doch, er ist ein Nice Guy, verstehst du? Das will uns der Film ja damit sagen. Er ist ja ein verkappter Nice Guy. Das hat die Person, die den Film so rezipiert, so wie wir alle, mein Gott, hab ich schön und das Biest geliebt, hallo. Das ist das, was wir ja verstehen sollen. Das will uns der Plot ja schon mal sagen. Also erstens, er ist ja gar nicht böse, er hat jetzt ein bisschen Pech gehabt, er ist verflucht, er ist ein Nice Guy.
Beatrice
00:25:22
Ja, er ist traumatisiert und deshalb handelt er, wie er handelt. Also er hat irgendwie ein schweres Leben gehabt und deshalb, ja, das ist ja die Geschichte. Also es war halt einfach eine schwere Geschichte, die er hinter sich hat und deshalb handelt er missbräuchlich. Und das kann man ja dann auch schon mal verstehen, weil wir wissen ja, der hatte es besonders schwer. Auch wenn man vielleicht bis zu einem gewissen Grad dramatische Vorerfahrungen als Grund sozusagen verstehen kann, warum Menschen sich auf eine Art und Weise verhalten, die vielleicht nicht so toll ist, ist es natürlich keine Rechtfertigung für missbräuchliches Verhalten. Und das macht der Film aber natürlich. Und der sagt dann, eigentlich ist er ja nett, aber er kann halt nicht nett sein, weil er halt leider gefangen ist in diesem Biestkostüm.
Susi
00:26:01
Ich finde ja auch bei Die Schöne und das Biest das Interessante. Diese Männlichkeit, er ist halt ein Biest, er ist ein Bär. Stell dir mal vor, das Narrativ wäre andersrum. Ja, sie ist irgendwie eine große Qualle und entführt dann einen Jüngling und wir würden alle denken, eklig, hässlich, also mehr Hexerartig, aber kurz am Rand. Also andersrum geht es schon mal gar nicht und nämlich auch deswegen, weil er ja in diesem Biestkörper dann eben auch so aggressiv, männlich, predatory mäßig agiert, was wir wiederum auch mit männlichen Verhalten einfach schlicht und ergreifend verwechseln. Also ein Mann, der aus Verzweiflung mal kurz den, ich sag jetzt mal, das Biest als Bell in den Turm rennt und die Rose findet, dann rennt das Biest da hoch und sagt, ich hab dir gesagt, du sollst hier nicht hingehen und dann schmeißt der das da um und dann schlägt der um sich und so. Also er ist richtig gewalttätig, sie hat auch Angst, das wird uns auch gezeigt. Aber wir wissen ja, ja klar, das ist existenziell, sie kann doch da nicht zu der Rose. Er hat ihr doch gesagt, sie soll da nicht hochgehen. Also für uns ist es die ganze Zeit in dieser Plotlogik immer alles total plausibel. Und wir wissen ja auch schon, dass er ja eigentlich soft ist und so weiter. Das weiß ja Belle nicht, aber... Wie krass man verblendet ist, dass man nicht sieht, dass dieses Verhalten so krass ist, so gefährlich, so unromantisch wirklich. Das hat was mit dem Verständnis eben auch von den Gender-Stereotypen zu tun, eben von Männlichkeit.
Beatrice
00:27:33
Ja, und es hat damit zu tun, dass es die, es ist auch irgendwie hier die Idee damit verbunden, dass es die Aufgabe der Frau ist, den Mann zu domestizieren in gewisser Weise und ihn zu erziehen. Also nämlich literally domestizieren, von einem Biest zu einem Mann zu machen.
Susi
00:27:47
Ja, du hast recht. Das ist auch ein bisschen das, was du vorhin beschrieben hast mit diesen Liebesdiensten. Und deswegen, hier würde ich auch nochmal ganz, ganz doll widersprechen bei dem Kommentar von wegen, Belle hat sich ja erst verliebt, als er sich geändert hat. Wie hat er sich denn geändert? Hat er eine Therapie gemacht? Hat er sich hingesetzt und mal über sein Verhalten nachgedacht? Hat er irgendwie ein Danke-Journal geschrieben? Nein. Er hat einfach dieses Girl gekidnappt und dann hat er gesagt, wenn sie nicht mit mir ist, dann ist sie gar nichts. Und als er dann gemerkt hat, oh, wie schön das ist, weil man Freunde hat und dass man irgendwie sich auch nett unterhalten kann, dass es irgendwie viel cooler ist, zusammen mal was zu unternehmen, als die ganze Zeit alleine rumzuhocken, da hat er sich dann irgendwie, wie sagt man, reguliert auf eine Art und Weise. Cool.
Beatrice
00:28:33
Oder sie hat ihn reguliert, ne?
Susi
00:28:35
Sie hat ihn reguliert. Das ist das, was ich in der letzten Zeit ganz oft auf Insta jetzt gelesen habe. Quirlige Jungs in der Schule neben brave Mädchen setzen, damit die Jungs dann reguliert werden von den Mädchen. Und die Mädchen machen dann schon mal die emotionale Arbeit, die sie dann als Mutter dann noch vollenden können irgendwann. Und das ist ja, glaube ich, auch das, was viele nicht verstehen, dass wir immer die Perspektive von dieser Männlichkeitserzählung haben. Bei ihr geht es darum, sie findet einen Prinzen, den sie heiratet. Cool. Obwohl, sie fängt eigentlich so als Underdog an. Belle, das Mädchen, was liest, was sich ihren Mann selber ausruhen will.
Beatrice
00:29:12
Das ist ganz typisch für die Disney-Prinzessinnen der 90er Jahre. Also das sind immer so, und das passt sehr gut zu diesem Girl-Power-Narrativ damals.
Susi
00:29:19
Es sind immer so Teenager-Mädchen,
Beatrice
00:29:20
Die irgendwie losstarten mit irgendetwas, was die komisch macht oder was die anders macht als die Gesellschaft, in der sie sind. Und die haben auch immer irgendwie so spezielle Interessen oder tun Dinge, die verboten sind, sind irgendwie rebellisch, nicht angepasst. Und oft ist es auch so, dass sie gegen arrangierte Ehen rebellieren. Also bei Pocahontas haben wir das zum Beispiel auch. Da ist sozusagen der Kernpunkt des Konflikts mit ihrem Vater, dass sie nicht den Mann heiraten will, den sie heiraten soll. Das heißt, die sind eigentlich sehr rebellische, sehr widerspenstige Mädchen, die sehr einen eigenen Kopf haben. Und bei Belle ist es eben, dass sie liest. Bei Ariel ist es, dass sie irgendwie herumschwimmt, wo sie nicht soll. Und irgendwie Dinge sammelt, die sie nicht sammeln soll. Bei Pocahontas ist es auch, dass sie halt herumläuft und nicht irgendwie den Ideen folgt, die irgendwie die Gesellschaft, in der sie lebt, ihr vorgeben. Also das sind so diese widerspenstigen Teenager-Mädchen.
Susi
00:30:06
Und die werden dann wieder eingehegt, aber am Ende.
Beatrice
00:30:09
Ja, sie werden nicht nur eingehegt, sondern es stellt sich dann heraus, dass das, was sie besonders macht, eigentlich nur ein Weg war zum Mann. Also bei Belle ist es das Lesen. Der Film beginnt ja mit einem Lied von den Dorfleuten, wie seltsam Belle ist, weil sie liest.
Susi
00:30:23
Stimmt.
Beatrice
00:30:24
Und das ist ganz typisch, das ist bei all diesen Disney-Filmen so. Manchmal sehen die Frauen auch selber irgendwie Lieder, dass sie irgendwie dann weg wollen, Just Around the River Band, dass sie woanders hinwollen. Nicht in dieser Welt, sondern in einer anderen Welt sein wollen, dass sie sich irgendwo anders hinsehnen, weil sie andere Interessen haben, weil sie irgendwie in der Gesellschaft, in der sie leben, komisch sind. Nicht ganz dazugehören. Es sind immer so Außenseiterinnen-Figuren auch, die ein starkes Identifikationspotenzial bieten, auch für Mädchen tatsächlich. Das sind ja auch sehr starke Figuren zu Beginn. Das Problem ist halt, dass dann irgendwann kommt man drauf, ah ja, der Grund, warum sie so anders ist, ist, weil der Mann, der für sie bestimmt ist, so anders ist. Und diese Eigenschaften, die eigentlich die ganze Zeit ihre Eigenschaften waren, kulminieren eigentlich dann quasi in der Beziehung zu diesem Mann. Also bei der Belle ist es das Lesen, dann hat der Beast diese riesen Bibliothek und das ist der Grund, warum sie sich dann so wohlfühlt bei ihm. Also es bleibt nicht irgendwie ein quäkiges Interesse von ihr, was sie besonders macht und anders, sondern das quäkiges Interesse hat den konkreten Zweck, sie zu ihrem Mann zu führen.
Susi
00:31:21
Schön, also immer so ein komplementäres Prinzip, das immer den Zweck hat, den Mann zu gefallen. Und ich finde es auch immer interessant, wenn Leute mir in dieser Filmlogik dann antworten und sagen, ja, aber sie hat sich doch dann verliebt, als er dann soft war und so. Aber das, was eigentlich interessant ist, Ist das der Film, das überhaupt macht? Also ohne dieses Verliebten haben wir gar nichts mehr. Da ist es irgendwie hohl oder so. Also da wird dann gar nichts mehr erzählt. Ich verstehe es schon, dass er dann Transformationen durchmacht nach dem Plot und so, aber was ich nicht verstehe ist, warum wir es uns immer und immer und immer wieder angucken, dass der Bad Guy dann soft wird und dann mit Liebe belohnt wird. Also das sind diese Geschichten und diese patriarchale Gewalt dahinter erzählt uns immer, also erstens ist es ein Nice Guy, Es sind keine Monster, keine Täter, keine aggressiven, schlimmen, keine Ahnung Menschen, sondern die haben Probleme, die Männer. Die haben Probleme und die kriegen das nicht richtig hin. Und die eine Frau, die das erkennt, das ist dann die wahre Liebe. Und wenn du den wirklich liebst, dann kannst du den auch, du hast domestizieren gesagt, man kann sagen zähmen, man kann sagen regulieren, man kann, im Englischen wird auch gerne fix benutzt, to fix the bad guy. Und das geht halt nicht. Das sehen wir quasi dann in der Realität, in den Statistiken der häuslichen Gewalt, habe ich auch eine Folge zu gemacht, verlinke ich euch. dass du nicht den Bad Guy fixen kannst. Wenn ein Typ schon gezeigt hat, dass er aggressiv ist, Frauen gegenüber, Partnerinnen gegenüber oder auch generell, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auch weiterhin Gewalt ausüben wird. Und dieses ich bin eine Frau und wenn ich den Bad Guy, wenn ich den jetzt zähme, dann ist es die große Liebe. Das ist halt der große Quatsch und das ist der große Trugschluss. Der uns nicht nur in die Schöne und das Biest immer wieder gezeigt wird und der ja gleichzeitig auch sagt, Männer, ihr müsst keine Therapie machen, ihr braucht nur die richtige Frau. Also das ist ja dann auch noch das Gegenstück. Die Männer müssen sich da nicht bewegen. Das ist ja nicht ihre Schuld. Mein Gott, wenn man Troubles hat oder sowas. Und es wird immer dieses Prinzip von, die große Liebe ist das Allerwichtigste und sowieso das Beste. Also man kann ja auch sagen, ja klar brauchen so eine Männer Hilfe, das ist ja in Ordnung, aber muss ich ja noch lange nicht in eine Liebesbeziehung mit denen gehen.
Beatrice
00:33:43
Ja und wenn jemand ein schwerwiegendes Aggressionsproblem hat, dann ist das wahrscheinlich auch keine gute Grundlage für eine Freundschaft, sondern vermutlich eher ein Hinweis darauf, dass sich die Person in sehr intensive Therapie begeben sollte. Und bei Gschön und das Biest kommt ja dazu, dass es nicht ein bisschen irgendwie herumschreien ist oder so, also ich will das jetzt auch nicht trivialisieren, aber so, sondern der sperrt sie ein. Richtig. Das ist ein schwerwiegendes Gewaltverbrechen.
Susi
00:34:05
Es wird alles auch immer so schnell vergessen und relativiert. Und vielleicht gehen wir mal weiter in den Kommentaren, weil wir sonst hier gar nicht mehr vorwärts kommen. Ich habe das so ein bisschen geklastert. Ein Kommentarcluster ging so in die Richtung, ja, ich würde sagen, es obliegt jeder Frau für sich selbst zu entscheiden, was sie als romantisch oder anziehend empfindet. Oder es hat wahrscheinlich ein Mann geschrieben, es sind Frauen, die diese Filme lieben, nicht Männer. Also das bezieht sich so ein bisschen auf meine Kritik an tatsächlich Liebe oder eben auch Twilight. Ich meine, das ist eigentlich auch schon ein alter Hut. Auch über Passengers wurde viel diskutiert in den Kommentaren. Also das ist so ein Film, wo so ein Typ, also sie sind auf so einem Spaceship und die wollen eigentlich auf einem anderen Planeten und er wacht auf auf seiner Kybernetik-Kapsel und weckt dann auch noch die super heiße Jennifer Lawrence auf. Und dann wird das so eine Love Story, obwohl das super, super creepy von ihm ist. Er hat ihr ihre ganze fucking Zukunft genommen einfach mal. Es gab auch viel Widerstände, auch so wenn es so in Richtung Predatory geht, also Edward Cullen aus Twilight, dass es halt auch heiß ist. Und dass es halt so spicy und so dazugehört. Und dann dieses Argument, kann doch jede selbst entscheiden. Also wenn ich das heiß finde, so ist doch mein Ding.
Beatrice
00:35:24
Ja, also das erste Argument, dass Filme sind die Frauen schauen. Ich weiß jetzt nicht, ob das statistisch wirklich stimmt, aber es sind natürlich Filme, die an Frauen vermarktet werden und das hat ja auch System. Also das ist genau das, was ich vorhin gesagt habe. Das erfüllt ja auch einen gewissen Zweck, das an Frauen zu vermarkten. Und das macht es ja nicht besser. Also es ist ja völlig wurscht, wer diese Filme dann schaut, das ändert ja nichts an dem Inhalt. Und das ist halt so dieses alte Argument von, ja, aber ich habe eine Frau und die findet das okay, deshalb muss es okay sein. Also das ist ja auch ein Argument, das in anderen Kontexten verwendet wird. Das mühsamste Beispiel ist, was ich nicht gendern. Also wenn dann jemand sagt, ja, aber meine Freundin gendert auch nicht und die findet das auch scheiße. Und als wäre das ein Argument, dass es insgesamt dann falsch ist oder dass insgesamt alle Frauen genau dasselbe sagen werden. Also das ändert ja nichts an den inhaltlichen Argumenten, die man vorbringt. Wer was sagt.
Susi
00:36:09
Ja, aber es steht ja auch da drin, dass sozusagen das romantische Empfinden was ganz Individuelles ist. Gegenüber deiner These, die du ja sagst, also ich überspitze jetzt mal. Wir sind alle gebrainwashed von Patriarchat und romantische Liebe ist scheiße. Verstehst du? Das löst halt diese Empörung aus. Ich finde das aber romantisch und das ist doch mein individuelles Empfinden.
Beatrice
00:36:31
Das ist leider ein Teil unserer sehr neoliberalen Zeitgeist, dass wir alles immer sehr individualisiert betrachten und dass wir auch Strukturen, dass Menschen, glaube ich, auch ganz oft nicht hinkriegen, strukturelle Kritik von individuellen Lebensentwürfen und Entscheidungen zu trennen. Das ist auch beim Thema Sexualität ganz oft der Fall. dass wir alles für eine individuelle Entscheidung behalten, die von uns herauskommt und selten irgendwie die Frage stellen, aber warum begehre ich, was ich begehre? Warum finde ich bestimmte Sachen sexy und manche Sachen nicht? Wie sehr hängt das zusammen mit der Gesellschaft, in der ich bin? Also das ist halt so die strukturelle Herangehensweise. Und das ist die Herangehensweise, die ich auch habe an romantische Liebe, dass ich halt eben sage, nee, es ist nicht so eine individuelle Sache, die aus Individuen heraus entsteht, sondern es ist etwas, was mit kultureller Prägung zu tun hat, mit Sozialisierung zu tun hat, was mit Lernen ganz viel zu tun hat und was damit zu tun hat, in welcher Gesellschaft wir leben und ist halt geschlechterasymmetrisch. Und in dieser geschlechterasymmetrischen, patriarchalen Gesellschaft entscheiden sich unter Anführungszeichen Frauen dazu, sozusagen patriarchale Dinge zu tun oder Dinge zu tun, die dem Patriarchat dienen und glauben, es ist eine individuelle Entscheidung. Aber in Wirklichkeit ist es etwas, was einfach, also es ist halt sozusagen die einzige Entscheidung, die man eigentlich treffen kann. Es gibt ja keine anderen, ganz oft.
Susi
00:37:42
Also was ich an dem Kommentar so interessant finde, ist, dass diese Romantizy, Dark Romance oder Gewalt, Rape Tropes und so weiter, das ist ja jetzt kein Nischenphänomen. Das ist ja sehr breit. Das ist ja jetzt nichts, wo ich sagen würde, es sitzt hoch individuell, hoch spezifisch, sondern das ist, wie du sagst, ja irgendwie so ein kulturelles Ding. Also, dass immer mehr davon produziert wird und dass sich viele darauf einigen können, dass so ein Film wie Schöne und das Biest jetzt irgendwie romantisch ist. Und das ist ein Romantikfilm und kein Horrorfilm ist. So, das finde ich das eine. Und das andere, was ich aber auch immer wieder merke bei dem Thema, ja, ich finde das halt heiß und wenn du das doof findest, so ist dein Problem. Ich halt auch gelernt habe, sage ich jetzt mal, meine Weiblichkeit, meinen eigenen Körper und mein eigenes erotisches Kapital Oder auch mein Begehren an dem Male-Gaze zu orientieren.
Beatrice
00:38:40
Das ist jetzt sehr deep.
Susi
00:38:42
Also da kann ich euch auch nochmal die Doku Brainwashed empfehlen. Nina Menkes erklärt, dass wir dann, wenn wir im Kino sitzen, dann nehmen wir quasi die Perspektive eines männlichen Zuschauers ein, der auf den männlichen Protagonisten guckt. Wir sind aber ja kein jetzt Cis-Mann. Also sind wir Frauen, die auf Männer schauen, die auf Frauen schauen. Also wir sind so eine dreifach gespaltene Persönlichkeit und reflektieren das dann wieder auf unsere eigene Weiblichkeit und entwickeln ein Lustgefühl dafür, wenn wir wissen, das gefällt jetzt möglicherweise Männern. Und wenn Cis-Frauen lernen, dass die Lust und das Begehren, das Bedürfnis des Mannes dann möglicherweise vielleicht sogar wichtiger ist als das eigene, Dann kann sich das auch so verfestigen. Das kann dann changieren, dass man selber gar nicht mehr so richtig weiß, ob man es jetzt selber heiß findet oder nur heiß findet, weil er das heiß findet, which is okay. Aber weißt du so, dieser Male Gaze, der ist so omnipräsent, das rauszufinden können wir eigentlich nur mit so einer Art Detox. Deswegen mache ich ja auch mal ein Newsletter mit den feministischen Watchtipps, weil es gibt schon viel, aber es gibt nicht so viel wie Male Gaze Perspektive. Und jetzt, wo ich gemerkt habe, ich versuche mir so feministische Serien, Kinofilme, Pipapo reinzuziehen, merke ich auch auf einmal, wow, ich sehe andere Frauenkörper und ich sehe andere Geschichten, die Frauen stehen im Vordergrund und so weiter. Und ich lerne, dass vieles von dem, was ich geglaubt habe, was ich gut finde, was ich heiß finde, was ich sexy finde, was ich will im Leben, was meine Ziele sind oder so, dass das alles so ein Male-Gaze-Nebel um sich rum hat.
Beatrice
00:40:30
Ja, weil wir dadurch sozialisiert sind. Und das ist halt auch oft dann gar nicht mehr zu trennen vom eigenen Begehren.
Susi
00:40:35
Genau.
Beatrice
00:40:36
Also das ist vielleicht auch so ein bisschen fatalistisch für mich. Also ich glaube, das geht auch nur bis zu einem gewissen Grad, diese T-Talks, weil wir so sehr dadurch sozialisiert sind. Ja, klar.
Susi
00:40:44
So, letztes Cluster. Es geht nochmal so um die Retter-Trope. Also wir sehen ganz oft diese Entführung im Zusammenhang mit Rettung. In Terminator, ganz, ganz prominent. Kyle muss Sarah Connor retten, um dann wieder die ganze Welt zu retten. Das hängt alles davon ab. Oder Tage des Condors oder so heißt das, glaube ich, mit Robert Redford, wo er fliehen muss vor noch böseren Männern und deswegen braucht er diese Geisel. Also verstehst du, er ist eigentlich der Good Guy, aber er braucht jetzt diesen Exit und dafür muss er jetzt diese Frau kidnappen. Und dann verliebt sie sich in ihren Kidnapper, weil der ist ja eigentlich ein Good Guy.
Beatrice
00:41:21
Weißt du, was lustig ist? Die Idee dahinter ist ja das Stockholm-Syndrom. Also die Idee ist ja, dass sich die Frauen quasi ein Stockholm-Syndrom entwickelt. Und das Stockholm-Syndrom ist ja an sich schon eine patriarchale Imagination. Es ist natürlich so eine poppsychologische Diagnose.
Susi
00:41:33
Die immer wieder herumgeworfen wird,
Beatrice
00:41:35
Die an sich schon voll problematisch ist, weil es pathologisiert ja sozusagen die Reaktion auf Gewalt und nicht die Gewalt selber, wie ganz viele andere, also tatsächliche Diagnosen das auch tun. Aber tatsächlich war das eine Fiktion eigentlich von einem Polizisten damals. Da gab es ja diese eine große Entführung in Stockholm, deshalb heißt das ja auch so, Stockholm-Syndrom, wo dann Frauen, die dort gekidnappt wurden, die die Reaktion der Polizei kritisiert hat. Und dieser Frau wurde dann von dem Polizisten zugeschrieben, dass sie sich in den Entführer verliebt hat oder in einen, der Entführer verliebt hat und deshalb so regiert hat, weil sie einfach nur die Polizei kritisiert für ihr Verhalten. Und sie hat dann öfters immer wieder in Interviews, mir fällt jetzt ihren Namen leider nicht mehr ein, Aber immer wieder gesagt, sie war nie verliebt in ihren Entführer. Sie hat nur gefunden, dass die aggressive Reaktion oder das aggressive Vorgehen der Polizei auch die Geiseln gefährdet. Und das wurde halt so umgedreht. Ja, die hat sich halt verliebt in den Entführer. So ein bisschen was Weiber halt zu machen. Und diese Idee gibt es halt auch ganz stark in Filmen. Es stellt sich halt die Frage, was war vorher, was war nachher. Ich weiß es nicht genau. Vielleicht hat sich dieser Polizist da ja auch inspirieren lassen von Narrativen, die er halt irgendwie schon die ganze Zeit mitgekriegt hat. das ist was passiert in solchen Führungssituationen, dass sich halt Opfer in die Täter verlieben. Ich will jetzt gar nicht absprechen, dass man als Gewaltopfer nicht auch sehr komplizierte Gefühle entwickeln kann, Tätern gegenüber, vor allem wenn das Menschen sind, mit denen man schon in einer Beziehung steht. Da passieren ja ganz starke auch so Bindungsdinge, die vor allem missbräuchliche Beziehungen ganz oft fast schon addiktiv machen, für die Betroffenen auch so. Also da passieren ganz komplexe Sachen, das stimmt schon. Aber das Stockholm-Syndrom an sich ist irgendwie so eine patriarchale Idee über das Verhalten von Frauen, die halt in Hollywood-Filmen ständig wieder gekeult wird.
Susi
00:43:09
Und dazu denke ich aber auch, das was du auch vorhin gesagt hast, wir vergessen auch ganz schnell, was da an Gewalt passiert ist. Also wir kennen irgendwie so den Plot, da kommt so ein Typ und er sagt so, du gehst jetzt hier ins Auto, Kopf runter, rein, beweg dich nicht. Das ist jetzt erstmal, es macht Angst, das ist irgendwie schlimm. Und dann später stellt sich raus, ach so, er wollte sie ja retten und so und dann haben wir es schon wieder alles vergessen. Und ich denke mir so, hallo, kannst du mal bitte sagen, hallo, Entschuldigung, wir haben hier ein Problem. Ich könnte dir jetzt anbieten, mit mir mit dem Auto da und dahin zu fahren. Hier sind die Informationen. Also weißt du, was ich meine? Natürlich, jetzt würden wieder alle sagen, was ist denn das für ein Film? Aber also es ist klar, dieser Zeitdruck, die Welt brennt gerade, man hat keine Zeit jetzt viel zu erklären, aber wir deswegen sehen wir nicht, was eigentlich passiert, dass eine Frau gefesselt wird, geknebelt wird, runtergedrückt wird, entmündigt wird, komplett die Kontrolle abgesprochen wird, die Selbstbestimmung abgesprochen wird. Dass sie in dem Moment begehrenswert ist, wo sie versteht, dass die Abhängigkeit, die vollkommene Abhängigkeit von dem Typen, von dem fremden Mann, der sie da gerade mitgenommen hat,
Beatrice
00:44:12
Dass sie gerade traumatisiert wird für den Rest ihres Lebens.
Susi
00:44:15
Ja, also das ist alles komplett unlogisch. Und das hat auch, ja, also wir sagen, das ist Fiktion, das hat nichts mit der Realität zu tun. Aber dann würde ich auch sagen, und was genau ist dann daran interessant? Also natürlich gucken wir uns auch kulturelle Artefakte, und fiktionalisierte Sachen an, weil sie ja was mit uns zu tun haben. Also sorry, das finde ich immer so ein bisschen komisch, dann zu sagen, ja, das ist doch irgendwie nicht echt oder so, weil ich immer denke... Aber was Gewalt ist, haben wir doch schon irgendwie mal verstanden und ich finde es faszinierend, wenn man das mit so ein bisschen Zaubermantel, so krasse aggressive Momente von Justin Timberlake in diesem Film Out of Time oder so, wenn man dann denkt, er ist aber schon so richtig heiß, wenn er dann irgendwie ihr die Waffe da an den Kopf fällt oder so. Also ich zähle mich da auch mit. Also vielleicht denken auch Leute, ich bin da so moralisch überlegen, aber ich finde die auch alle heiß. Ich würde auch mit Robert Redford mitgehen, so weißt du, was ich meine?
Beatrice
00:45:13
Erstens mal wird männliche Gewalt in gewisser Weise erotisiert. Dann wird sie romantisiert und dann wird sie aber sozusagen, also sie wird nicht romantisiert, aber sie wird erotisiert und sie wird dann quasi nullifiziert. Und wodurch wird sie sozusagen vom Tisch gewischt? Von Liebe. Also das ist ja wieder so diese Idee von Liebe ist dann der Grund, warum alles, was davor ist, eigentlich nichts mehr zählt. wenn die Liebe alles gut macht.
Susi
00:45:35
Und dann ist nämlich auch das Abhängigkeitsgefüge oder die komplette Kontrolle, die Übergriffigkeit, überraschende Ausraster oder sowas, dann auch vielleicht gar nicht so fiktional, wenn man in häusliche Gewalt oder sowas reinguckt, wie sowas passieren, auch immer wieder die Frage, warum gehen die Frauen nicht und so weiter. Und auch das ist ja das, was du auch in deinem Buch nochmal aufgegriffen hast. Es geht ja nicht nur darum, Gewalt als etwas zu stigmatisieren, wo man sagt, das ist jemand, der schlägt jetzt eine Frau oder was weiß ich was. Es ist auch eine Form der Gewalt, eine komplette Kontrolle auszuüben über eine finanzielle Abhängigkeit oder andere Abhängigkeiten. Es ist ja auch immer wieder so, dass Leute sich verstehen und wenn diese Abhängigkeiten so romantisiert werden... Mit dieser Hingabe und dann kann man sich fallen lassen und dann lernen wir das, dass das okay ist.
Beatrice
00:46:30
Ja, wir lernen eben, also es ist eine Erotisierung auch von männlicher Gewalt, aber gleichzeitig auch von weiblichem Masochismus in gewisser Weise. Ja, leider. Das ist, was du beschrieben hast als sich fallen lassen, aber wo lässt du dich fallen in eine gewaltvolle Umgebung eigentlich?
Susi
00:46:42
Ja, ja, also dieses Retter-Narrativ, also da will ich auch irgendwann nochmal was drüber machen, weil ich immer finde, dass diese Männlichkeits-Narrative von Protection und Beschützen und Retten, das ist ja alles schön und gut. Aber ich finde, warum sehen wir eigentlich nie eine Form der männlichen Fürsorge als Schutz? Warum ist es immer dieses, da ist Krieg und ich beschütze dich, indem ich jetzt rausgehe und in den Krieg ziehe? Das ist scheiße irgendwie. Nee, mach bitte lieber die Bettwäsche jetzt. Leg sie bitte jetzt ordentlich zusammen. Das ist irgendwie cooler und ein bisschen mehr Caring. Also warum ist eigentlich da immer so ein Unterschied zwischen Protection und Kümmern um Fürsorge? Wenn man da mal so drauf achtet, wie doll das immer unterschieden wird und was das dann für Szenarien sind. Also ich meine, wie oft kommt hier ein Drache vorbeigeflogen? Weißt du, was ich meine? Und wie oft habe ich den Abwasch in der Spüle? So, du musst gleich weg. Wir müssen jetzt aber noch irgendwie einen Ausstieg schaffen. Ich würde eigentlich gerne nochmal anknüpfen an deine These auch aus Entromantisiert euch, weil jetzt so ein Liebesding zu verlassen. Und jetzt bin ich mal verheiratet und habe ein Kind. Jetzt blöd, jetzt bin ich jetzt schon mal hier gelandet in der Romantikfalle. Was kann ich jetzt machen? Um mich vielleicht doch noch mal ein bisschen aus diesen patriarchalen Klammern zu befreien.
Beatrice
00:47:55
Was ich immer sehr hilfreich finde, ist tatsächlich sich mal in meinem eigenen Leben umzusehen und zu schauen, welche Formen von Liebe habe ich in meinem Leben jetzt abgesehen von Ehemann- und Kleinfamilie, vielleicht Freundschaften auch mehr zu zentrieren wieder im Leben. Vielleicht ist da ja auch Kontakt verloren gegangen in den letzten Jahren. Gerade wenn man Mutter wird und sich auf Kinder erziehen konzentriert, was ja, es bleibt ja auch gar nichts anderes übrig, als das zu tun als Mutter, vor allem in dieser Gesellschaft, dann geht da vielleicht auch viel verloren an Beziehungen, die man davor gehabt hat. Und ich kann Frauen in jedem Alter und in jeder Lebenssituation eigentlich immer nur raten, zu versuchen, Freundschaften in ihrem Leben zu zentrieren. Wie auch immer das dann in dem individuellen Kontext aussieht, weil natürlich Lebenssituationen auch unterschiedlich sind, aber da vielleicht zu einem kleinen Prozess zu starten in Richtung romantische Liebe so ein bisschen dezentrieren und freundschaftliche Liebe so ein bisschen mehr zu zentrieren. Ich glaube, das ist für alle hilfreich oder kann hilfreich sein und sehr bereichernd.
Susi
00:48:48
Und ich habe aber auch noch einen Tipp für euch, weil das ist passiert, als ich das Buch gelesen habe. Und zwar habe ich mit meiner besten Freundin auch darüber gesprochen, was eigentlich eine Freundinenschaft und eine freundschaftliche Beziehung ausmacht. Also was gibt es denn da eigentlich für Konventionen und Regeln? Weil du sagst jetzt zentrieren. Das würde jetzt, glaube ich, so nicht klappen, weil bei mir ist mein familiärer Alltag im Zentrum. Aber was ist denn eigentlich so wichtig in der Freundschaft oder was ist das, was das so liebenswert macht oder die andere Person oder so. Und da sind auch durchaus unterschiedliche Sachen zutage gekommen, was dir wichtig ist, was mir wichtig ist. Aber zum Beispiel ist mir auch sowas wie Verbindlichkeit total wichtig. Und das habe ich ja mit meiner Ehe, habe ich diese krasse Kontinuität und da muss man sich erstmal scheiden lassen, da muss man erstmal irgendwo hingehen. Ich habe diese Form der Sicherheit erstmal, der ist jetzt hier, wir wohnen hier zusammen. Und was ist denn Verbindlichkeit eigentlich in einer Freundschaft? Ist das dann einmal die Woche Treffen oder ist das, andere sagen, immer wenn ich anrufe, dann muss sie erreichbar sein, was für mich ein No-Go wäre. Aber ja, man kommt da auf einmal so ins Sprechen, was eigentlich überhaupt Liebe ist. Weil auf einmal merkt man, okay, das, was ich in einer Freundschaft erwarte, löse ich das eigentlich in meiner Partnerinnenschaft ein? Also da kommen ganz, ganz spannende Gedanken in Gang. Und vor allen Dingen hatte ich einfach auch sehr, sehr tolle Gespräche.
Beatrice
00:50:14
Freundschaften zu zentrieren, damit meine ich nicht, dass das jetzt eine Sache ist, wo jeder sofort irgendwie freundschaftszentriert leben muss. Ich meine damit eher so einen Prozess, sie mehr ins Zentrum zu holen. Wie gesagt, das kann für jede Person ja was anderes heißen. Und was, glaube ich, ganz sinnvoll ist, ist das, was du gesagt hast, gerade was du gemacht hast, mit deiner besten Freundin sich mal hinzusetzen und zu überlegen, was wollen wir eigentlich voneinander? Wie soll sich diese Beziehung entwickeln? Also das, was man in romantischen Beziehungen ja eher macht. Ja, also der nächste Schritt. Genau, also einfach mal als Beziehung ernst nehmen. Einfach mal als Beziehung ernst nehmen und sich mal zusammenzusetzen und über die Beziehung zu sprechen. Ich glaube, das ist sehr gewinnbringend.
Susi
00:50:47
Und vor allen Dingen lest das Buch Entromantisiert euch von Beatrice Frasel. Und ich danke dir. Ich hätte natürlich jetzt auch noch sehr viel mehr Fragen gehabt und noch sehr viel mehr Lust, mit dir noch weiter zu sprechen. Aber vielleicht kommst du ja auch nochmal vorbei.
Beatrice
00:51:01
Ja, sehr gerne.
Susi
00:51:03
Ich würde mich freuen, wenn ihr euer Glück versucht und bei der Buchverlosung teilnehmt. Ansonsten freue ich mich natürlich, wenn ihr diesen Podcast auch weiterempfehlt, wenn ihr auf Spotify oder in eurer Podcast-App Sternchen dalasst. Ihr könnt mich auf Insta besuchen, liken, sharen.
Music
00:51:22

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