45. ☠️🎀 toxische Weiblichkeit als Überlebensstrategie im Patriachat | mit Barbara Peveling

über häusliche Gewalt und wie die Scham die Seiten wechselt

13.03.2025 54 min

Zusammenfassung & Show Notes

Das brave Mädchen, die Mutti, das Opfer: sind das Rollen toxischer Weiblichkeit oder schützen sie uns vor patriarchaler Gewalt? 

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🐍 Gibt es toxische Weiblichkeit?
In der weiblichen Prägung werden Frauen darauf getrimmt, Männern zu gefallen, fürsorglich und verständnisvoll zu sein – eine Art erlernte Unterordnung. Toxische Weiblichkeit ist ein Anpassungsverhalten an patriachale Strukturen, das letztlich doch wieder selbstschädigend sein kann. Doch gibt es ein großes Unbehagen gegen diesen Begriff und was könnten Exitstrategien sein, wenn Widerstand auch Risiko bedeutet?

🎙️ Zu Gast: Barbara Peveling
Die Autorin Barbara Peveling beschreibt in ihrem Buch 📕„Gewalt im Haus – Intime Formen der Dominanz“ wie häusliche Gewalt durch  erlernten Genderrollen erzeugt wird. Mit ihr spreche ich über das Buch 📕 Toxische Weiblichkeit von Sophia Fritz. Wir ergründen das „gute Mädchen“ in uns, diskutieren über Mütter, die sich toxisch verhalten und ob die Opferrolle eine Machtposition ist.

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Musik: Danke an Heyohmann!
Cover: Danke an Scarlett Nimz 

Transkript

Susi
00:00:00
Ist es gefährlicher, nett zu sein oder ist es gefährlicher, widerständig zu sein?
Barbara
00:00:05
Für mich ist toxische Weiblichkeit negative Selfcare. Man versucht, sich anzupassen, aber letztendlich tut man sich irgendwo auch damit Gewalt an.
Susi
00:00:13
Wer bereitwillig die Rolle der Mutti einnimmt und sich um alles kümmert, hat schon ein höheres Risiko, Gewalt zu erfahren.
Barbara
00:00:20
Ja, hat man einfach Bock, jemanden Scheißhaufen ins Bett zu lenken? Ist das so schlimm?
Susi
00:00:24
Dass Frauen die Opferrolle als eine Art Manipulation nutzen, um in ihrer Ohnmacht zu verharren. Kannst du was damit anfangen?
Barbara
00:00:33
Aber die Männer schweigen und Ignoranz ist dann auch wieder nah an der Gewalt.
Music
00:00:33
Susi
00:00:42
Hi, hier ist Susi von Verbitter Talentlos. Heute zu Gast bei mir ist die Autorin Barbara Peveling. Ich habe mich sehr gefreut, denn Barbara hat mich angeschrieben und gefragt, ob ich Interesse an ihrem aktuellen Buch hätte. Dieses Buch heißt Gewalt im Haus, intime Form der Dominanz. Und ich muss zugeben, dass ich erst sehr unsicher war, ob ich mir das zutraue, über so ein krasses Thema eine Folge zu machen. Habe dann angefangen zu lesen und war total reingesaugt und fasziniert davon, vor allen Dingen, wie du beschreibst, wie Machtdynamiken im intimsten zwischenmenschlichen Bereich passieren. Du sezierst es regelrecht und gehst fast szenisch auch von deinen eigenen Erfahrungen quasi wie Eskalationsstufen durch. Es liest sich teilweise wie ein Thriller. Ich kann euch das wirklich nur wärmstens empfehlen und ich freue mich sehr, dass du da bist und erstmal ein riesengroßes Herzlich Willkommen, Barbara Peveling.
Barbara
00:01:43
Danke auch für die Einladung. Ich fühle mich sehr geehrt und bin auch immer begeistert von deiner Herangehensweise, der Vielfältigkeit, mit denen du Themen bearbeitest.
Susi
00:01:53
Es gibt noch einen kleinen Plottwist, weil ich in deinem Buch gemerkt habe, ach krass, es geht eigentlich auch sehr stark um die Reflexion deiner Weiblichkeit oder auch generell Weiblichkeit, Weiblichkeit als Performance. Und Weiblichkeit als erlernte Unterwürfigkeit sozusagen in diesem Genderspektrum. Und dabei musste ich an den Begriff toxische Weiblichkeit denken. Im März 2024 hat ja Sophia Fritz dieses Buch rausgebracht, toxische Weiblichkeit. Seither trage ich mich mit diesem Begriff rum und habe da immer so ein enormes Unbehagen damit gehabt. Aber jetzt fand ich das total spannend, dass bestimmte Parallelen dann auch in deinem Buch zu finden waren, obwohl du den Begriff nicht benutzt. Aber ich dachte, das wäre jetzt mal eine gute Gelegenheit, diesen Begriff mit dir zu besprechen. Wir werden heute also über toxische Weiblichkeit als Überlebensstrategie im Patriarchat diskutieren und überlegen, was können Exit-Strategien sein. Ich fange ja immer ganz gerne damit an, meine Gäste nach ihren Familienmodellen zu fragen, auch damit wir so ein bisschen rauskommen aus diesem gewohnten Vater-Mutter-Kind. Könntest du vielleicht nochmal kurz sagen, wie das bei dir aktuell aussieht, bevor wir einsteigen?
Barbara
00:03:07
Sehr schwierige Frage für mich im Moment, weil ich mich gerade noch in so einer Übergangsphase befinde und mir nochmal sehr stark deutlich wurde, wie Recht so Anwälte wie Aschari Dayati haben, wenn sie darauf hinweisen, dass Frauen einer strukturellen Gewalt ausgesetzt sind. Und dass eben diese Nachtrennungsgewalt sich gar nicht darauf reduziert, dass der Gegenüber, also der Täter in Anführungszeichen, diese Gewalt ausübt, sondern das ganze System auch so angelegt ist, um alles zu tun und Frauen in dieser Position zu halten. Also das fängt an mit dem Blick auf das Jugendamt, dann Umgangsrecht und so. Das ist wirklich ein Spießrutenlauf. Das ist mein aktueller Lebensentwurf.
Susi
00:03:54
Also du lässt dich jetzt scheiden von dem Mann, der... Ich merke schon, wir müssen gleich mal über meine Beklemmung kurz reden, von dem Mann, der eben Gewalt ausgeübt hat in dieser Beziehung. Und es gibt auch Kinder, mit denen du aber jetzt alleine lebst.
Barbara
00:04:12
Genau, also es ist ein Scheidungsprozess, sowas geht ja auch nicht immer sehr schnell, bürokratische Prozesse und so weiter. Wobei ich eben sagen muss, es gibt über diese Gewalt, über die ich schreibe, es gab eine Meldung beim Jugendamt und ich erzähle ja auch, wie die Polizei gekommen ist und so. Also aber es ist jetzt nicht so, dass es eine Gewalt gab, die verurteilt war oder verurteilbar war, weil dazu ist das Rechtssystem auch, also hat seine Grenzen und es ist eben auch sehr schwierig, das immer nachzuweisen.
Susi
00:04:40
Du bist ja auch schon in dem Gewaltbegriff drin und es ist ja so, du müsstest ja kein ganzes Buch darüber schreiben, wie schwer das ist, so eine intime Form der Gewalt auch zu beschreiben, auch warum das, was mit Frauenhass zu tun hat oder auch mit Gender. Haben wir eigentlich ein Verlosungsexemplar da?
Barbara
00:04:56
Ja, also der Verlag schickt es dann.
Susi
00:04:58
Also hier schon mal der Hinweis, ihr könnt ein Exemplar gewinnen. Wie das geht, erklären wir natürlich später. Und weil ich gerade schon so rumgedruckst habe bei dem Wort Gewalt und Beziehung. Wie ist denn das? Also wenn du jetzt mit deinem Buch so auf Promotour gehst oder auch im familiären oder im bekannten Umfeld. Das ist halt so natürlich auch intim, wenn du da deine eigenen Erfahrungen mit reinschreibst. Was für Reaktionen bekommst du? Ist da Scham vielleicht bei den anderen? So wie bei mir zum Beispiel. Ich habe so eine Beklemmung, jetzt mit dir darüber zu sprechen, weil ich immer denke, ich weiß nicht, kann ich sie das fragen? Geht das zu weit oder steht mir das zu? Oder reagiert sie jetzt total emotional? Wie ist das gerade für dich so mit deinem Buch?
Barbara
00:05:41
Es ist eigentlich sehr angenehm. Also auch jetzt so, deine Reaktion ist eigentlich sehr entsprechend. Diese Reaktion finde ich bei vielen, vielen Menschen. Ich sehe ja Gewalt nicht als etwas, was jetzt eine Person ausübt. Also ich habe das auch versucht, in dem Buch genau zu beschreiben, wie sich toxische Beziehungen etablieren und warum sie sich etablieren und dass sie eben getragen werden von einem gesamten System. Ich meine, das ganze System, wir haben das ja ersehen, dass mit dem Auftreten von Trump, der versucht, bestimmte Strukturen wieder einzurichten. Und diese Strukturen sind die Gewaltstrukturen. Sie sind nicht für mich eine, also ich will sie nicht auf eine Figur, auf eine Person reduzieren. Und ich finde, das hat man auch sehr gut in dem Avignon-Prozess jetzt gesehen, wo eben der bei uns ja auch so viel Aufmerksamkeit erzeugt hat für Giselle Pellicot und ihrem Satz, sie scham muss die Seite wechseln. Das Schockierende war ja nicht, dass irgendwie da eine Person misshandelt und vergewaltigt wurde. Das war natürlich schockierend. Aber das Schockierende ist ja, dahinter zu entdecken, dass das Ganze ein System ist und dass die Anwälte das sogar verteidigen können und sagen, ja, ist doch seine Frau und so weiter. Dieses ganze System, das dahinter steht, das patriarchale System, das sehe ich als Gewalt an und denke das dann praktisch weiter. Im Sinne von Foucault nicht nur wir als Frauen betroffen sind in unterschiedlichem Maße darunter leiden, sondern die Männer natürlich auch. Ich denke mal selbst, wer die Gewalt ausübt, leidet unter ihr. Das hat Jo Frank in seinem Buch Gewalt, wo er über seinen Vater schreibt, sehr, sehr schön beschrieben. Von daher kann ich das gar nicht reduzieren. Und jetzt eben zu den Reaktionen. Ich merke halt so eine bestimmte Angst, Abwehr und die ist vor allem von männlicher Seite. Und das ärgert mich. Es haben bisher nur Frauen das Buch besprochen. Zu Lesungen werde ich meistens von Frauen eingeladen. Dann ist auch jemand aus den Frauenhäusern oft dabei. Das ist ja auch gut so. Aber die Männer schweigen und schweigen kann ja auch eine Art der Ignoranz sein. Und Ignoranz ist dann auch wieder nah an der Gewalt oder eine Strategie. Und das finde ich ist sehr traurig, traurig.
Susi
00:07:54
Jetzt müssen wir aber langsam mal rüberkommen an unsere toxisch-weiblichen Stereotypen. Ich habe drei Typen rausgesucht aus dem Buch von Sophia Fritz, die ich gerne mit dir mal untersuchen würde. Vorher muss ich euch noch ganz kurz darauf hinweisen, dass ihr diesen Podcast unterstützen könnt. Das ist super wichtig, weil ich hier alles alleine stemme und finanziere, alle Kosten selber trage. Also mit einer Mitgliedschaft aus Steady könnt ihr mir helfen, den Podcast kostendeckend zu gestalten. Das funktioniert ganz einfach wie Online-Shopping. Ihr geht auf den Link in den Shownotes, wählt eine Mitgliedschaft aus, könnt eure bevorzugte Zahlungsmethode eingeben und fertig ist die Laube. Und an alle meine Mitglieder, die schon da sind, vielen, vielen, vielen Dank. Es bedeutet mir wirklich sehr, sehr viel. Auf Steady findet ihr außerdem mein Newsletter. Der ist kostenlos und auch online zu lesen, also auch ohne Abo. Und dort bekommt ihr einmal im Monat meine feministischen Filmserien, Bücher und Podcast-Tipps. Auch Barbaras Buch habe ich dort schon rezensiert. So, Barbara, und wir steigen jetzt mal ein in unsere drei Typen. Aber auch hier müssen wir nochmal einen kurzen Disclaimer machen Und bei dem Begriff toxische Weiblichkeit hatte ich ja schon angekündigt, habe ich ja nach wie vor einen riesen Unbehagen, weil da einfach so eine Nähe zu toxischer Männlichkeit ist. Und man irgendwie denkt, das würde was miteinander zu tun haben. Toxische Männlichkeit sind ja quasi Verhaltensmuster, die schädlich sind nach außen und nach innen, die aber vor allen Dingen auch für Frauen oder flintern eine Bedrohung darstellen können, lebensgefährliche Bedrohung. Deswegen finde ich das sehr unglücklich, diese Nähe toxischer Weiblichkeit, toxischer Männlichkeit. Und andererseits merke ich aber auch, man muss da ein bisschen den Finger in die Wunde legen, wenn es darum geht. Gibt es vielleicht Verhaltensmuster, wo man dann irgendwie merkt, ja so kann ich mich gut durchs Patriarchat durchsliden. Aber eigentlich hintenrum ist es eigentlich wieder selbstschädigend. Wie geht es denn dir mit dem Begriff?
Barbara
00:09:56
Also für mich ist toxische Weiblichkeit negative Selfcare. Man versucht eben, wie du sagst, sich anzupassen, durch die Strukturen durchzuschlängeln. Aber letztendlich tut man sich irgendwo auch damit Gewalt an. Von daher fand ich das Buch von Sophia Fritz sehr erhellend. Und es hat mir auch super viel gebracht, auch mich selber zu hinterfragen. Andererseits glaube ich, dass es eben eine bestimmte Frauengruppe ausschließt. Also es ist eher etwas privilegierte Frauen, zu denen ich mich auch am Ende doch noch selbst zählen würde. Weil ich habe natürlich Ressourcen, die Frauen, die aus anderen Situationen kommen, gerade mit Migration und so weiter, überhaupt nicht haben. Es gibt ein paar Aspekte, die ausgespart werden.
Susi
00:10:42
Ich will mal so reingehen. Sophia Fritz definiert toxische Weiblichkeit als Performance der Unterordnung. Das finde ich insofern erstmal gut getroffen, weil das sage ich ja in jedem Podcast, Weiblichkeit und Männlichkeit existiert nur in einem Spektrum von Dominanz und Unterwürfigkeit. Also wenn wir dieses Machtgefälle raussaugen, dann haben wir ja gar nichts mehr von einer genderbinären Welt. Dann könnten wir auch sagen, können wir auch darauf verzichten. Insofern finde ich das erstmal eine wichtige Beobachtung. Und du beschreibst es ja dann auch, dass diese Sehnsucht nach Weiblichkeit schon fast eine Form der Verstellung ist. Ich glaube, Performance hast du es genannt. Es klingt immer so theatralisch, aber ja, ich finde, das passt. Es ist wie eine Inszenierung. Ich nenne es immer Gefälligkeit. Und das erste Beispiel, was Sophia Fritz dafür bringt, ist das Gute Mädchen. Das gute Mädchen ist ein Verhaltensmuster der Anpassung und der, Sophia Fritz nennt es Überangepasstheit, aber ich finde schon allein in dieser Anpassung steckt das ja drin. Wenn wir sagen, wir leben in einer Welt, die patriarchal ist und wir passen uns da gut an, dann machen wir da auch mit. So, oder? Da kann man eigentlich noch gut mitgehen. Das ist für mich, was Ann-Christin Plus, die auch in süß beschrieben hat, dieses süß sein, zart sein, caring sein. Und dann ist sie mir aber nicht weit genug gegangen, die Sophia Fritz. Sie hat dann auch in einem Podcast mit Stefanie Giesinger eine ganz interessante Situation beschrieben, wo Stefanie Giesinger sagt, sie hat da so eine unangenehme Situation erlebt, da wurde sie angegraben und sie hat das dann so weggelächelt und sie war halt super nett. Und ich kenne das auch. Also nicht, dass ich ständig angegraben werde, aber dass man mit unangenehmen Situationen immer so umgeht, dass man die weglächelt oder irgendwie einen kleinen Witz macht oder so. Und ich frage mich, also das ist ja auch ein Schutzmechanismus. Wenn ich immer kratzbürstig irgendwelchen Männern gegenüber reagieren würde, dann kann man Aggression damit provozieren. Also das brave Mädchen ist ja eigentlich auch ein Ausdruck des Schutzbedürfnisses, oder? Wie siehst du das?
Barbara
00:12:54
Ja, auf jeden Fall. Also es ist ja auch eine Erziehungssache, dass man von Jungen und Mädchen zum Beispiel unterschiedliche Dinge erwartet. Also auch traditionell, auch unbewusst, dass es weitergibt. Ich meine, Mädchen sind auch heute noch in Schulen, die die Sachen hinterher tragen, die vielleicht aufräumen. Mädchen werden eben dafür belohnt und Jungen werden, wenn sie das machen, oft sanktioniert, aber nicht von den Erwachsenen, sondern von ihrer Peergruppe. Geht so, ja, du verhältst dich wie ein Mädchen. Also das gute Mädchen ist ja auf der anderen Seite schon praktisch ein Schimpfwort, eine Abwertung so zu sein.
Susi
00:13:29
Wenn Sophia Fritz jetzt sagt, wir müssen das gute Mädchen uns reflektieren, das ist toxisch, weil das sozusagen immer in der Anpassung, in der Unterwürfigkeit drin bleibt, dann würde ich jetzt im Umkehrschluss sagen, okay, aber ist es denn nicht auch ein bisschen arg, weiß nicht, wenn ich mich nicht um andere kümmere, wenn ich nicht auch mal meine Gefühle reguliere, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Die Eigenschaften, sagen wir mal jetzt verständnisvoll, fürsorglich, gefühlvoll, auf andere achten und so weiter, das sind ja total gute Sachen, die wir eigentlich mehr in unserer Gesellschaft, bräuchten und jetzt nicht noch mehr kleine Egoisten und Egoistinnen, die jetzt nur noch ihre eigenen Bedürfnisse die ganze Zeit erfüllen und wenn das nicht geht, dann mit Gewalt reagieren. Ist jetzt vielleicht auch ein bisschen sehr schwarz-weiß-Denken, aber weißt du, was ich meine?
Barbara
00:14:16
Ja, ich habe auch gerade ein konkretes Beispiel. Es gibt ja gerade diesen Konflikt zwischen Justin Baldoni und Blake Lively mit It Ends With Us. Und es gibt diese Szene, die veröffentlicht wurde, wo sie sagt, sie hatte sich total schlecht dabei gefühlt. Sie hatte in dieser Szene das gute Mädchen bedient. Sie hat mitgemacht. Sie hat versucht, ihre Grenzen sanft zu definieren und sie wurden nicht respektiert. Und darum geht ja der Konflikt. Und Justin Baldoni hat dieses Video veröffentlicht und hat gesagt, das sieht man doch, dass ich nichts mache. Und sie sagt, ich übersetze es jetzt, sie hat versucht zu überleben, indem ich das Gute Mädchen aktiviert habe. Und viele Frauen bestätigen diese Lesart. Sie wird aber überhaupt nicht verstanden. Und das, finde ich, ist eben auch eine Grenze dieses Konzepts. Das, wie du gesagt hast, gibt ja keine Alternative. Sie hätte ja dann nur die Hysterie, also die Zicke spielen können, um da rauszukommen.
Susi
00:15:10
Und ich finde auch, also mir geht es auch ganz oft im Alltag so, ich kann das brave Mädchen zwar erkennen, wenn es sozusagen zuschlägt. Und ärgere mich dann, dass ich nicht schlagfertig war oder so. Aber ich finde es auch eine Zumutung, wenn Menschen mich in Situationen bringen, wo ich dann sagen muss, halt, stopp, das geht mir zu weit, gehen Sie bitte weg oder so. Also eigentlich ist es doch andersrum auch so, dass man ja auch erwarten können muss, dass Leute so eine Codes lesen lernen. Ja, wenn jemand sagt, du, das ist mir gerade ein bisschen unangenehm oder so. Also ich denke schon, dass man irgendwie es schaffen kann, ohne aggressiv zu sein, auf eine nette Art und Weise auch zu sagen, nein, das fand ich jetzt gerade doof. Schon alleine, weißt du, so ein Tonfall. Die Stimme geht dann hoch, man ist so ein bisschen zögerlich. Aber wenn dann das nicht verstanden wird oder wenn das nicht als richtiges Nein akzeptiert wird, dann gibt es so ein kleines Problem. Also, weißt du, ich habe so ein Ding in der Schule mit meinem Sohn. Da ist immer so ein Junge, der ihn immer so ein bisschen, naja, malträtiert. Und die Mutter hat zu mir gesagt, ja, wenn der jemanden ganz doll mag, dann wird der immer grob. Ja, aber wie ist denn das? Was muss man denn tun, damit der dann merkt, so, dass es nicht okay ist. Und dann sagt sie, na man muss dann schon laut und deutlich mehrmals mit Nachdruck und körperlich sozusagen signalisieren, nein. Und mein Kind ist aber halt irgendwie so ein bisschen schüchtern und so, ja. Der hat das einfach nicht so drauf. Und deswegen finde ich auch, dieses Prinzip der toxischen Weiblichkeit hilft uns bis zu dem Punkt, wo wir merken, es steigt eine Wut in uns auf und die hat gerade kein Ventil. Irgendwie ist hier gerade was Unfaires passiert oder was, was ich nicht cool fand und ich habe dafür keine Ausdrucksmittel oder so. Weißt du, was ich meine?
Barbara
00:16:58
Aber ich finde auch total berührend dieses Beispiel von deinem Kind, weil letztendlich wird es ja da auch sanktioniert. Ich möchte behaupten, dass anders umgegangen würde, wenn es ein Mädchen wäre. Also das praktisch so internalisiert vorausgegangen wird, der muss sich halt einfach nur deutlich machen, also halt so männlich. Dieses Sanktionieren, wenn männlich gelesene Kinder sich nicht männlich verhalten. Und das ist ziemlich brutal und ich glaube, das wird denen schon ganz hart eingeimpft, dass diese Erwartungen bestehen. Und das finde ich dann eben auch bei dem Konzept der toxischen Weiblichkeit oder dem Buch ein bisschen schade, dass es immer da abbricht, wo es auf die andere Seite gehen wird. Praktisch das, die Scham muss die Seite wechseln.
Susi
00:17:40
Und mir ist auch nochmal wichtig dazu zu sagen, wenn wir das gute Mädchen als Schutzmantel betrachten. Dass man ja auch nicht immer in jeder Situation einschätzen kann, ist es gefährlicher, nett zu sein oder ist es gefährlicher, widerständig zu sein. Also gerade zum Beispiel in Situationen mit Fremden. Ich war viele Jahre vor der Mutterschaft immer so pilgern, auch alleine. Und wenn du dann auf so einen Campingplatz kommst und da ist so eine Männer-Truppe und die sagt, ja klar kannst du hier campen, Mädel, kein Problem. Und du merkst so, uff, da ist so irgendwie ein bisschen Angst. Und die spüren das dann. Dann werden die noch ekliger. und fühlen sich dann noch beleidigt davon, dass ich irgendwie gerade signalisiert habe, dass ich mich unwohl fühle in deren Gegenwart. Und wie krass ist das bitte, weil so eine Situation ist eigentlich nicht lösbar, weil selbst zu gehen und zu sagen, ich glaube, ich ziehe doch nochmal um, tschüss, kann die dann noch mehr aufstacheln. Und das ist halt auch dieses Thema von Scham und Nein sagen und sich da irgendwie zu emanzipieren, sage ich jetzt mal, Weil das ganz alleine als Aufgabe von Feministinnen zu begreifen, da habe ich halt auch ein Riesenstörgefühl damit. Und da ist irgendwie eine Leerstelle. Der zweite Typus, den ich mitgebracht habe, ist die Mutti. Die Mutti ist natürlich sehr interessant, weil sie wie so eine Art Weiterentwicklung des guten Mädchens also jetzt noch mehr Care-Arbeit übernimmt. Auf der anderen Seite kann sie aber auch eine Art Aufwertung des sozialen Status erleben. Also das habe ich zum Beispiel auch immer gedacht, wenn ich Mutter bin, dass ich dann eigentlich den höchsten sozialen Status als Frau erlange, bis man dann merkt, dass ja mit jeder Menge Diskriminierung einhergeht. Juhu. Und dann habe ich von dir ein Zitat, wo du schreibst, Frauen, die bereit sind, die Rolle im Haushalt widerstandslos zu übernehmen, sind auch eher in Gefahr, Opfer häuslicher Gewalt zu werden. So, das heißt, wer bereitwillig die Rolle der Mutti einnimmt und sich um alles kümmert, hat schon ein höheres Risiko, Gewalt zu erfahren. Das ist wahrscheinlich jetzt für viele irgendwie ein harter Take. Könntest du das nochmal ausführen, was du damit meinst?
Barbara
00:19:52
Ja, also es ist schon alleine finanzielle Gewalt, also dass man eben sich abhängig davon machen muss. Ich meine, dass ja auch gerade erst die Studie veröffentlicht werden, dass das mich total schockiert hat, jede zweite Frau in Deutschland, ihr Einkommen nicht ausreicht, um auf Dauer selbstständig zu sein. Und dann greift eben schon dieses Modell, wer bringt das Geld ins Haus, wer das Geld ins Haus bringt, hat auch die Macht. Dann schon allein so Situationen wie, man kennt genau die Bedürfnisse des Kindes. Man weiß genau, das mag es nicht, das braucht es, das schadet ihm und das macht einen ja total angreifernd. Wenn man muss diese Grenzen des Kindes, das selber nicht kommunizieren kann, verteidigen und rechtfertigen. Es kann schon anfangen mit Schlafritualen. Da bist du verantwortlich für. Wenn es schief geht, bist du aber auch verantwortlich. Und da werden Frauen generell, finde ich, total alleingelassen. Und nicht nur die Alleinerziehenden. Wir wissen ja, dass die Gruppe der Alleinerziehenden in Deutschland ist besonders schwer. Aber ich glaube, es gibt auch ganz viele Single-Moms, die das gar nicht wissen, dass sie Single-Moms sind. und die darunter leiden.
Susi
00:20:59
Du meinst, wenn du eigentlich eine Beziehung hast oder eine Ehe und aber trotzdem quasi alles alleine machst, das meinst du mit unbewusster Single-Mom?
Barbara
00:21:06
Ja.
Susi
00:21:07
Also im Umkehrschluss würden wir dann sagen, dieses Infragestellen und auch alle Themen der Ungleichheit oder eben auch Gleichheit zu thematisieren und zu sagen, okay, wie stellen wir uns hier finanziell auf? Wie sieht es aus mit Freizeiten, Regenerationszeiten, Schlaf? Also alle Themen von Equal Care und so weiter. In dem Moment, wo man das direkt mitdenkt, hat man dann auch Aussichten auf eine bessere Beziehung. Wobei ich auch sagen würde, in der Realität ist es so, dass wahrscheinlich viele Feministinnen oder Frauen das probieren und dann trotzdem sehr viel Abwehr, Widerstand oder sogar Gewalt natürlich von ihren Partnern erfahren, wenn sie Widerstände gegen diese Kümmerrolle aufbauen, oder?
Barbara
00:21:49
Auf jeden Fall. Und ich habe da immer dieses Beispiel, was mich total beeindruckt hat, von Titu Lecoq, die eben sagt, der Widerstand fängt mit dem Wäschekorb an. Sie hat auch ein Buch darüber geschrieben, ganz detailliert, also auch französisch, über die finanzielle Verteilung. Also das heißt, rends moi l'argent, also gib mir mein Geld zurück, wo sie eben sagt, schon alleine die Tatsache, dass Männer oft die großen Ausgaben tragen. Das Haus kaufen, das Auto kaufen, die Versicherung und so weiter. Und die Frauen kaufen die Joghurtbecher. Du kannst nicht, wenn du dich trennst, mit deinen Joghurtbechern abziehen. Die sind weg. Er kann aber mit seinem Haus abziehen. Das hat halt einfach Bestand. Und sie hat beschrieben in einem Artikel, wie ihr Kind krank war, hatte eine Trommelfellentzündung und der Vater war dran, sich um den Arzttermin zu können und hat es nicht gemacht. Und sie hat es nicht gemacht, weil sie gesagt hat, nö, also ich bin nicht dran und wenn ich irgendwie davon unabhängig sein will, dann muss ich das jetzt durchziehen. Und dann hatte das Kind eben Trommelfellriss als Folge dieser unbehandelten Trommelfellentzündung und sie hat es öffentlich gemacht, also in einem Artikel. Und es hat viele Leute so schockiert, dass eine Anzeige beim Jugendamt wegen Kindesmissbrauch gegen sie gemacht wurde und nicht gegen den Vater. Und das ist dann eben wieder diese strukturelle Gewalt. Wenn ich das erzähle bei Lesungen, dann sagen auch viele Leute, ja, also könntest du das denn dein Kind krank lassen? Natürlich können wir es nicht. Aber wenn es immer so weitergeht, wenn wir immer weiter diese Aufgabe übernehmen, dann wird sich ja auch nichts ändern.
Susi
00:23:23
Ich habe hier auch gerade noch was gefunden aus deinem Text, wo du schreibst, der Drang nicht nur eine attraktive und begehrenswerte Frau, sondern auch die gute Mutter, die Liebende, die Schützende zu sein, war so viel stärker als ich selbst und alle meine Sehnsüchte. Es ist genau dieser Mythos, mit dem ganze Generationen von Frauen aus dem öffentlichen Raum und dafür ins Haus gedrängt werden. Wenn du die perfekte Frau und Mutter bist, wenn es dir gelingt, dich selbst für die Bedürfnisse anderer aufzugeben, dann verdienst du wenigstens das. Liebe deiner Familie und gesellschaftliche Anerkennung. Das toxisch-weibliche ist es vielleicht doch der Wunsch. Das ist bei mir auch noch so ein ongoing Prozess. Dieses, ich will es besonders gut machen. Ich will einfach auch die beste Mutter sein. Ich habe letztens eine Freundin getroffen, ja, arschkalt, schön Winter und die war mit ihrem Kind den ganzen Tag draußen Fußball spielen. So von 10 bis 16 Uhr, weißt du? Erst hat sie mir leid getan und dann habe ich mich geschämt, dass ich mit meinem Kind den ganzen Tag drin gesessen habe und nichts gemacht habe. Aber ich würde niemals, niemals sechs Stunden im fucking Februar auf irgendeinem, ich würde auch nicht im Sommer auf dem Fußball, ich würde gar nicht Fußball spielen. Ich hasse das. Und das hat mich so getroffen, ja, dass sie das macht, vielleicht sogar gerne macht. Dieses Mitleid von mir, das ist ja auch schon wieder so fies. Ich weiß ja gar nicht, vielleicht hat es ihr total Spaß gemacht. Vielleicht hasst sie einen Lagerkoller drin oder sowas. Da habe ich nicht nachgefragt. Für mich ist das sofort der Affront gegen mich. Sie ist sechs Stunden in meinem Fußballspielen und ich kann mich nicht mal überwinden, einmal den Ball aus Versehen zurückzukicken, wenn er gegen meinen Fuß stoppt.
Barbara
00:25:00
Wobei ich denke, es gibt ja auch Sachen, die dir Spaß machen. Ich mag es zum Beispiel total gerne, so besondere Aktionen in Museen zu finden. Weißt du, manche machen die so ganz tolle Ateliers für Kinder, wo die basteln und Sachen erfahren. Und so, da muss man halt immer so ein bisschen das Programm durchsuchen. Das mag ich zum Beispiel total gerne.
Susi
00:25:19
Ich merke gerade, einerseits würde ich, glaube ich, gerne mal gucken... So, was sind so eigentlich meine Stärken als Mutter? Weil ich habe halt so viel auch im Podcast darüber gesprochen, wie schwierig das für mich ist und Motherhood und Struggle und Bibapo. Übrigens mache ich dieses Jahr auch noch eine krasse, kritische Muttertagsaktion. Ich habe mich mit verschiedenen Podcasts, sechs Podcasts sind dabei, zusammengetan. Wir werden kritisch über den Muttertag reflektieren. Ich werde euch das dann natürlich nach und nach erzählen, wie es hier weiter sich entwickelt, weil ich auch merke, ja, das ist so ein Never-Ending-Thema irgendwie für mich, mich in dieser Mutterschaft wohlzufühlen und da anzukommen. Aber ich habe auch noch ein anderes Stichwort zum Thema die toxische Mutti für dich und zwar passiv-aggressives Verhalten, weil ich mich gefragt habe, ist da vielleicht doch was dran? Also dieses Maternal Gatekeeping versus Weaponized Incompetence. Also auf der einen Seite haben die Mütter dieses, gib mir mal die Feuchtigkeit. Nein, die sind da hinten. Nein, die anderen. Och, komm, ich mache selber. Und auf der anderen Seite ist es für den Typ natürlich super praktisch, wenn er wieder den Geschirrspüler wieder nicht richtig eingeräumt hat, dann braucht er es nämlich gar nicht mehr machen. Jetzt habe ich hier nochmal eine Stelle von dir. Er sprach von meiner Strenge, dass ich nichts durchgehen ließe, alles immer kontrollieren müsste, ihm auf die Finger schaute und er sich so machtlos und fehl am Platz fühlen würde, dass er lieber gar nichts machte. Wie konnte es sein, dass ich mein Wohlwollen, meine Fürsorglichkeit, meine Wachsamkeit, meine Sorgfalt und Pflege wandeln konnten in Kontrolle, Kommando und Aufsicht? Das ist eine Szene aus der Paartherapie, glaube ich, die du da beschreibst und ich konnte das... Da wirklich mich gut mit identifizieren, muss ich jetzt mal wirklich zugeben, wenn wir versuchen, Sachen abzugeben und uns abzuwechseln und auf einmal macht er Dinge anders, vielleicht mit weniger Mitteln denselben Outcome, dann fühle ich mich doch herabgesetzt vielleicht auf eine Art und Weise oder auch wieder nicht anerkannt oder so. Ich weiß das auch nicht. Oder ich bin so misstrauisch, ob er es aus Faulheit macht. Ist da vielleicht doch was dran? Müssen wir vielleicht doch mal auf die Nagging Wife gucken als toxisches, passives, aggressives Verhalten?
Barbara
00:27:30
Ich glaube unbedingt, weil ich denke, dass hier ja auch die Kompetenz eine ganz wichtige Rolle spielt. Von daher ist der Anspruch unserer Gesellschaft, dass jetzt an uns Mütter gesagt wird, lass die Männer doch mal, ist ja auch so ein klassischer Spruch, lass ihn doch mal machen. Er macht es halt auf seine Art und Weise. Ist ja auch richtig, aber nur begrenzt. Weil keine Frau geht in ein Führungspüro und schmeißt den Chef raus und sagt dem Chef, jetzt setz dich hin, ich kann das besser. Sie muss immer mit dem, der die Führungsposition hat, verhandeln. Und das, finde ich, ist das Problem, dass dann Frauen praktisch nur entmachtet werden. Lass doch die Männer machen. Wenn du sie nicht machen lässt, Dann hast du ein Problem. Das stimmt ja nicht. Du hast mehr Elternzeit genommen und dich zur Spezialistin entwickelt, dann muss dir, finde ich, auch dieser Spezialistinrolle, dieser Status zugestanden werden. Und dann kann man eigentlich auch vom Mann erwarten, dass er das verhandelt. Und wenn er das nicht tut, sondern praktisch die Schuldumkehr macht, wie ich es in der Szene beschrieben habe, ist es auch nur eine Strategie, Dominanz zu etablieren. Und da habe ich dann eben auch eine ganz starke Kritik an praktisch die Strukturen, also Psychologen, Jugendamt und alle, die sich um diese Situation kümmern und sie auch beurteilen, Gutachter bei Scheidungen und so weiter, dass die das nicht sehen, sondern dass da sind dann eben auch so Anwälte wie Ascheidayate und Claire. Und so weiter. Ganz wichtig. Die sagen, das ist unglaublich, was Frauen da für eine strukturelle Gewalt erfahren können. Und es ihnen dann eben vorgeworfen würde, Kindsentfremdung ist so ein Klassiker.
Susi
00:29:14
Und dann habe ich nämlich auch, weil du gerade wieder das Systemische erwähnt hast, das hat mich auch so wütend gemacht, beschreibst du weiter, als wir bei der Paartherapeutin waren, erzählte ich von meinem Frust, von meiner Verzweiflung darüber, dass keine Abmachungen eingehalten wurden. Er bellte immer, wenn ihm etwas nicht passte, wenn er keine Lust hatte, mir mit Aufgaben im Haus zu helfen. Er vergaß die einfachsten Dinge, um die ich ihn gebeten hatte, wie beispielsweise einen Termin zum Röntgen für ein Kind abzumachen. Aber mein Partner stritt alles ab, spielte es herunter und fand, ich übertreibe mal wieder. Die Paartherapeutin gab ihm Recht damit, dass er sich unter diesen Bedingungen von mir überfordert fühlte. Sie gab ihm das Gefühl, ein entmachteter Mann zu sein, der zu Hause unter dem Pantoffel eines Drachens stand. Da greift natürlich ein Nagging-Wife-Trope überhaupt nicht mehr, ja, wenn es einfach nur ums Bare Minimum geht, kann man nicht diese Schuldumkehr tatsächlich, wie du es gut beschrieben hast, vollziehen und ich fand den Begriff entmachtet natürlich sehr, sehr aussagekräftig in dieser Konstellation, denn wie viel Macht hat man denn als Hausdrachen?
Barbara
00:30:26
Genau, aber jetzt lass uns doch mal gesellschaftlich gucken. Jeder Mensch, und das ist ganz natürlich menschlich, hat das Bedürfnis nach Anerkennung, nach einem Status, das heißt ja auch eine gleichberechtigte Partnerschaft. Geld ist ja, also wirtschaftliches Vermögensamt ist ja auch ein Status und Anerkennung, ja, auch ein Wohlfühlen und so weiter. Und Frauen haben das einfach weniger. Also wenn man jetzt diese Studie anschaut, dann können wir sagen, jede zweite Frau in Deutschland ist einem Mann unterlegen wirtschaftlich vom Status, weil sie eine Arbeit hat, die weniger einbringt, mit der sie nicht alleine leben kann. Und dann muss man sich doch fragen, wenn Frauen, und wir wissen alle, dass Frauen sich in der Gesellschaft für den Nachwuchs, für Care und so weiter mehr investieren, warum müssen wir überhaupt noch in Frage stellen, dass sie dafür die Anerkennung verdienen? Und das wäre dann einfach, dass man grundsätzlich sagt, ja, okay, Frauen haben dieses Care-Wissen, wir müssen da verhandeln und zuhören und es ist einfach unmöglich dann zu sagen, ja, ich mache das halt so. Weil ich meine, wenn das so ist, dann müssten Frauen eigentlich auch den Status vom Mann abbekommen, das Einkommen vom Mann zu 50 Prozent abbekommen, wenn ihnen dieses Wissen und diese Herrschaft darüber, also auch Dominanz, wieder weggenommen wird. Weil sie haben ja gar keine Dominanz. Sie dürfen eben, wenn der Mann nicht da ist, dieses machen, müssen es dann wieder abgeben. Weil sonst sind sie eine nagging wife. Aber auf ihrem Konto kommt aber nicht dasselbe rein.
Susi
00:32:00
Noch eine Frage nochmal zu der Paartherapie. Ich fand es ja ganz, ganz schlimm, das zu lesen, dass die Paartherapeutin das dann auch noch so unterstützt hat. Kann man überhaupt eine Paartherapie machen, wenn man kein feministisches Know-how voraussetzen kann auf Seiten der Therapeutin?
Barbara
00:32:14
Ich glaube, ich war da sehr naiv, dass ich einfach dachte, jeder Therapeut, es gibt so einen Konsens, aber gibt es nicht. Und dann, wo es darüber sehr, sehr wenig Wissen gibt, das habe ich jetzt gemerkt und mir auch nochmal bestätigen lassen, ist dieser Einfluss, dieser beherrschende Einfluss, dieser Mechanismus, der auch in der Psychologie bekannt ist, dass praktisch diese Dominanz etabliert wird und es immer wieder reproduziert wird. Und dass eben ein Mensch unter diesem Einfluss stehen kann, wird oft von Psychologen vernachlässigt. Beherrschende Einflüsse ist, dass man weiß vorher schon, wie er reagiert. Also du weißt, dein Kind wird irgendwie zu spät ins Bett gebracht. Heute ist praktisch der Vater dran, er bringt das Kind zu spät ins Bett. Oder der Röntgentermin wird vergessen oder so. Ist ja nicht schlimm, kann ja mal passieren. Aber die Putzarbeit, die ist eben immens.
Susi
00:33:04
Der Rattenschwanz, der dann dranhängt, den musst du dann abarbeiten.
Barbara
00:33:07
Du bist dann praktisch die Tatortputzerin und du bist dann die beste Tatortputzerin, die es gibt, weil du es einfach stillschweigend machst und von außen, man denkt ja, kann ja mal passieren und so und das wird eben oft gar nicht gesehen. Und ich lese gerade ein Buch von einem französischen Soziologen, der darüber eine Studie gemacht hat, das Buch ist fast 700 Seiten. Und er sagt, dieser Narzissmus, dieser etablierte Narzissmus, dieses Verhalten, das die Nagging Vive produziert, ist ein Rückschlag des Patriarchats. Und das ist wirklich systematisch und strukturiert. Also er hat da ganz viele Interviews mit Betroffenen gemacht und er sagt halt, es ist eine Strategie von Männern, die entmachtet wurden, also generell kollektiv, praktisch wieder eine Art der Macht zurückzugewinnen im intimen Bereich.
Susi
00:33:55
Wir kommen jetzt zur schwierigsten Kategorie, das Opfer. Sophia Fritz schreibt, dass Frauen die Opferrolle als eine Art Manipulation nutzen, um in ihrer Ohnmacht zu verharren. Ich hatte mit diesem Kapitel arge Schwierigkeiten, ich habe es ehrlich gesagt, nicht verstanden. Kannst du was damit anfangen oder wie hast du dieses Kapitel verstanden?
Barbara
00:34:17
Bei mir war es eher das Gegenteil. Ich konnte mich eher sehr gut damit identifizieren. Wobei ich ihr Beispiel ein bisschen kritisch fand. Also diese Frau, die dann duscht und die Dusche nass hinterlässt, dann rastet der Freund auf. Also sie war zu müde, um zu wischen. Der andere war zu müde, um das respektvoll zu artikulieren, dass es ihn ankotzt. Und dann gab es halt Streit. Und da sagt sie, ja, also hier hat sie sich in die Opferrolle gebracht. Weil sie hat dann geschwiegen und gewischt. Sie war dann eben das Opfer, hat das instrumentalisiert. Es stimmt, aber das Problem ist ja, dass Männer oft eben gar keine andere Handlungsweise haben als dieses Brüllen und Schreien. Und dass wir in unserer Gesellschaft das einfach schweigend nehmen und dann oft die Leute auch noch feiern. Also wir hatten das ja zuletzt bei dem Buchpreis, wo Clemens Mayer aufgestanden ist, beleidigt hat, gebrüllt hat und die Tür geknallt hat. Und niemand, niemand hat darüber gesprochen oder geschrieben, dass das eigentlich ein Gewaltakt ist. Neulich ist auch nochmal ein Interview mit ihm veröffentlicht worden, der sagt, manchmal muss man einfach auf den Kopf hauen. Also wir haben fast jeden zweiten Tag eine Frau, die umgebracht wird von einem Mann, der dieses Verhalten internalisiert hat. Wie kann man dann dieses Verhalten abfeiern? Also da bin ich dann ganz bei dir, dass ich denke, dass auch Sophia Fritz hier das hätte noch ein bisschen vertiefen können.
Susi
00:35:38
Wenn ich mich nicht mehr in der Situation sicher fühle, widerständig zu sein, warum sollte ich dann eine manipulative Opferhaltung jetzt? Also damit hatte ich einfach ein Problem mit ihren Beispielen. Ich habe dann aber schon nochmal darüber nachgedacht, zum Beispiel... Anhand der Serie Big Little Lies, die aus verschiedenen Perspektiven von auch so ein bisschen privilegierten Desperate Housewives Dominanz, häusliche Gewalt und diverse Themen von Mutterschaft und Care beleuchtet. Und es gibt eine Figur, gespielt von Nicole Kidman, Celeste Wright. Sie hat halt eine gewalttätige Ehe. Ihr Mann schlägt, wirkt und bei einem Treffen mit ihrer besten Freundin, gespielt von Reese Witherspoon, bemerkt dann ihre Freundin, dass sie so blaue Flecken an den Handgelenken hat oder so striemen. Und Celeste macht dann schnell den Ärmel drüber und sagt dann so, nee, ach, das ist nix. Also Celeste kümmert sich auch sehr viel darum, dass die Wunden dann versteckt werden. Da kommt dann das Make-up drauf und die Kleidung wieder gerichtet und dann ist wieder alles gut. Wenn man es jetzt im Sinne der toxischen Weiblichkeit sehen würde, könnte man jetzt ganz blöd sagen, warum erzählt Celeste ihrer besten Freundin das nicht? Hält sie sich an der Opferrolle fest oder was ist es?
Barbara
00:36:53
Da sieht man einmal den beherrschenden Einfluss. Also sie ist da völlig drin, sie wird völlig von ihm beherrscht und sie denkt ja auch immer mit. Das ist auch so ein Zeichen, sie denkt immer mit, was er denkt oder wie er handeln könnte. Sie ist isoliert und andererseits eben diese Scham. Und was ich auch ganz wichtig finde, sie sagt ja, ich schlage zurück. Ich bin mit schuld. Das macht sie auch. Ich glaube, Opfer ist man eben so lange, bis man zur Betroffenen wird. Deswegen ist auch der Umgang, wenn man mit jemandem spricht, so wichtig, dass man eben darauf achtet, wie identifiziert der Mensch sich selber. Und wenn er als Betroffener wird, dann ist er eben auch gar kein Opfer mehr der Situation, sondern er ist davon betroffen.
Susi
00:37:35
Kannst du den Unterschied nochmal erklären?
Barbara
00:37:38
Opfer ist ja auch was sehr Passives. Zum Beispiel im Französischen, da gibt es zum Beispiel den Begriff Victime und Sacrifice. Aber es gibt keine Betroffenen. Und Sacrifice ist eben dieses religiöse Opfer. Im Deutschen haben wir eben nur das Opfer. Und da ist ja eben auch dieses religiöse, dieses kultische noch dabei. Und deswegen ist es eben wichtig, finde ich, im Umgang mit Gewalt, das zu unterscheiden. Jemand, der betroffen ist, der kann auch wieder mehr in die Hand kommen, als jemand, der einfach Opfer ist.
Susi
00:38:06
Ich hatte ja noch eine Stelle von dir, wo du schreibst, die Opferhaltung gehört nicht nur zur weiblichen Erziehung, sondern auch zur Wahrnehmung des weiblichen. Unschuld und Reinheit, die mit weißem Brautkleid und mit dem Topos der weiblichen Jungfräulichkeit in Verbindung stehen. Also ich verstehe es gerade so, dass, so wie du es bei Celeste beschrieben hast, das Opfer ist immer weiß, rein, unschuldig. Und diese Machtkonstellationen, gerade in Beziehungen oder in intimen Beziehungen, können ja durchaus komplex sein. Das heißt, ich kann der Nagging Wife sein, ich kann ihn zurückschlagen. Celeste beschreibt sogar etwas, dass die Gewalt in ihrer Beziehung wiederum so eine Art temperamentvolle, lustvolle, sexuelle Spiegelseite in der Beziehung hat, wo ich ehrlich gesagt auch nicht genau weiß, ob sie das wirklich genießt oder ob sie das als Begehrlichkeit, als Bestätigung ihrer Weiblichkeit liest. Aber weil sie sich, glaube ich, schuldig fühlt wieder, die Scham, die Schuld, kann sie sich gar nicht als Opfer begreifen. Aber diesen betroffenen Begriff offenbar kann sie auch nicht anwenden, weil sie eben erst durch die hartnäckige Arbeit der Therapeutin versteht, dass sie da raus muss.
Barbara
00:39:15
Auch gerade dieses Gefühl, praktisch, ich bin nicht mehr rein. Also wenn ich es zurückgeschlagen habe. Ich glaube, das ist auch bei Frauen unglaublich mächtig. Und ich glaube, das greift auch bei Frauen mehr. Für mich ist gerade dieser Johnny Depp und Amber Hardt-Prozess, ist mir eingefallen, dass ihr vorgeworfen wird, sie hätte aufs Bett gekackt. Und die Seite ist leider der Hund, aber ist ja auch egal. Er hat ein Häufchen in seinem Bett. Und ich habe dann oft gedacht, naja, wie er da sich so... Es gibt ja auch die Szene, die sie gefilmt hat, wo er dann alle Türen schlägt. Ja, hat man einfach Bock, jemanden einen Scheißhaufen ins Bett zu legen? Ist das so schlimm? Aber ich glaube, der äußere Blick auf Frauen ist eben, wie kann sie nur, sie hat irgendwie versucht, sich zu wehren, ja? Und das greift bei Celeste auch, dass sie eben sich selber so schuldig fühlt, weil sie ihn auch geschlagen hat, weil sie sich gewehrt hat. Und das wird ja dann auch oft interpretiert, halt leidenschaftliche Liebe. Wird ja heute noch mal manchmal in Medien geschrieben, so Mord aus Leidenschaft. Und als Frauen dann einmal das Gefühl, ich habe das provoziert, ich bin schuld. Ja, es wird ja auch oft gesagt, du hast mich dazu gebracht, mich jetzt so zu verhalten, du bringst die schmustigsten Seiten in mir hervor, ich bin gar nicht so. Und das wird dann eben auch ganz viel Schuld der Frau zugeschoben.
Susi
00:40:34
Ich versuche mal jetzt nochmal ein bisschen durchzukommen durch unsere Stereotypen hier, denn ich habe noch was zum Thema Opfer gefunden, was auch in den Stereotyp Mutti passen würde, nämlich wenn Mütter zu Täterinnen werden. Da hatte ich dir auch nochmal den Tipp gegeben, mal in Little Fires Everywhere reinzugucken, wie Darice Witherspoon am Start spielt, wie da eine privilegierte Hauswife. Und da ist es so, dass sie quasi diesen Haushalt so stark unter Kontrolle hält, einen Familienkalender führt, die Familienfotos organisiert, die Kinder werden eingekleidet, dass die kleinste Abweichung davon in ihr ein ablehnendes oder ich weiß nicht, ob man aggressives Verhalten sagen kann. Und das kulminiert dann in der Beziehung mit ihrer Teenager-Tochter Izzy, der sie dann auch so sehr unangenehme Tipps gibt, wie Mensch, mach doch mal ein bisschen mehr aus dir und du hast so schöne Haare, das ist dein Key-Feature. Klar, weil sie sieht ja auch immer aus wie aus dem Ei gepellt und der Tipp der Mutter, um gut durchs Patriarchat durchzuschwimmen ist pack dir ein bisschen was aufs Gesicht und lass deine Haare wehen und ich frage mich ob wir sie im Sinne der toxischen Weiblichkeit hier als Täterin beschreiben können oder ist es eine Komplizinnenschaft wie in der Folge mit Susanne Kaiser Wird.
Barbara
00:41:51
Er sein denn auch? Für mich ist sie so Die klassische Single-Mom eigentlich, vielleicht sogar Opfer dieser Single-Mom-Situation. Sie heißt ja Elena. Es gibt so eine Szene, wo Mia, also die halt eher viel mehr Sympathieträgerin ist, sie fragt, was ist dein Problem? Die verlorene Liebe oder die gescheiterte Karriere? Und eigentlich ist es ja beide. Und ich finde das wirklich schockierend, diese ganze Szene, wo man sieht, wie sie in der Vergangenheit darum kämpfen musste, den Erwartungen ihres Milieus zu entsprechen. und daran scheitert. Und dann bekommt sie das vierte Kind und ihr wird einfach gesagt, du darfst nicht abzreiben. Und sie wird damit ganz alleine gelassen und ist total überfordert. Es ist praktisch am Ende ihrer Nerven Okay, sie haut da mal ab und der Mann managt das dann mit der Mutter oder dem Babysitter, ich weiß es nicht. Aber sobald sie wieder da ist, wird ihr alles wieder zugeworfen und von da ist sie für mich eigentlich ein Opfer. Sie hat diese Rolle total internalisiert und da greift dann eben das, worüber wir vorhin gesprochen haben, ob man Frauen das überhaupt vorwerfen darf, wenn ihnen nur das gelassen wird. Also ihr wurde ja gesagt, also eine Frau wie du kann ja nicht abtreiben. Das spielt ja auch in den 80ern, glaube ich, wo sie da schwanger ist. Da waren die Gesetze ja auch noch anders in den USA, aber ist ja auch bei uns. So Abtreibung ist ja immer noch nicht legal. Sie ist halt für mich einfach so dieses perfekte Beispiel. Ihr wurde alle Bereiche, in denen sie selber als Mensch verwirklichen wollte, genommen und gesagt, du bist die Frau im Haus und du musst da irgendwie perfekt sein. Wie kann man ihr vorwerfen, dass sie das perfekte Familienbild will, wenn das das einzige Selbstverwirklichungsbereich ist, der ihr überhaupt von der Gesellschaft gelassen wurde?
Susi
00:43:37
Irgendwie kombiniert Elena Richardson, also Reese Witherspoon, die Figur, die sie spielt, vereint ja sozusagen das gute Mädchen, das Opfer, die Powerfrau sogar. Die haben wir zwar nicht erwähnt, könnt ihr aber in dem Buch von Sophia Fritz finden. Sie vereint das alles und ich würde aber am Ende dieser Serie nicht auf die Idee kommen, dann zu sagen, ja, da hätte sie mal ihre toxische Weiblichkeit reflektieren sollen. Da komme ich wieder so ein bisschen an den Punkt, ob uns dieser Begriff wirklich nützt und hilft als Feministinnen oder ob er eigentlich immer irgendwie sowas Ekliges verschiebt. Also ich meine, es ist einerseits gut, da drauf zu gucken und vielleicht auch mal zu überprüfen, wo man noch Stellschrauben findet im Umgang mit anderen, wo man sich selbst verleugnet oder die eigenen Bedürfnisse immer irgendwie hinten anstellt. Aber es bringt halt immer nichts, wenn nur wir das machen und gesellschaftlich oder partnerschaftlich dann immer alles gleich bleibt. Deswegen hatte ich beim Lesen von dem Buch von Sophia Fritz die ganze Zeit das Bedürfnis, mich zu wehren gegen diesen Begriff, was ja meistens ein Zeichen davon ist, dass da irgendwie auch was dran ist. Aber ich will immer sagen, das ist unfair.
Barbara
00:44:42
Ja, aber ich finde, das stimmt auch. Und ich finde, Little Fries Everywhere ist eigentlich das perfekte Beispiel, dass dieses Konzept der toxischen Weiblichkeit ist. Er für privilegierte Frauen greift. Es gibt ja auch diese POC-Frauen, also Mia zum Beispiel. Ihre ganze Handlung mit ihrer Schwangerschaft und so weiter. Man sympathisiert ja mit ihr, obwohl man sagen könnte, hey, die ist einfach abgekommen mit dem Baby und so weiter. Aber am Ende sympathisiert man mit ihr, weil man weiß, sie hatte keine Wahl. Und das ist dann eben der Moment, wo wir uns fragen müssen, haben Frauen aus diesem Milieu, wie jetzt eben Elena, eigentlich die Wahl? oder haben sie die Wahl nicht, anders zu agieren. Und wenn man sich eben überlegt, was für Beschämungen Frauen aushalten müssen, die sagen, ich will keine Kinder und so weiter, die nicht diese ganze Rollen bedienen möchten, dann denke ich, ist es eben sehr schwer, noch zu sagen, ja, eine Frau, die eine heteronormative Beziehung eingeht, Kinder hat, einen Haushalt hat, wie viel hat sie noch die Wahl, keine toxische Weiblichkeit anzuwenden?
Susi
00:45:46
Ich denke fast, es ist die fehlende Zutat von dem Buch von Sophia Fritt, so ähnlich wie bei White Feminism, dass wir natürlich uns immer mit dem Feminismus in Gefilden bewegen, wenn wir dann die alleinerziehende Krankenschwester dagegen halten und die soll dann sich abends noch das Buch reinziehen und dann soll sie noch in Widerstand gehen und so weiter, dass das natürlich dann noch mehr eine Überforderung ist. Und in dem Moment, wo wir eben schon gewisse Privilegien halten, haben wir auch die Möglichkeit, dort anzusetzen. Also es ist dann schon ein bisschen die Aufgabe, aus der Comfortzone mal rauszukommen und sich mit solchen Dingen dann doch zu beschäftigen. Trotzdem, das hattest du ja auch geschrieben, es ist immer ein Dilemma, sich zwischen diesem Kampf und diesem Risiko zu befinden, also dem Risiko in den Widerstand zu gehen. Weil, wie du schon richtig sagst, wir wissen nicht, was mit Elena passiert wäre, wenn sie gesagt hätte, ich treibe jetzt ab, ich ziehe nicht in das Haus, dann schnappt auch mal ganz schnell die Armutsfalle zu oder so weiter und schon hast du deine Privilegien nicht mehr. Hast du noch Bock, mal kurz in Der Feind in meinem Bett reinzuschnuppern? Ja. Kannst du noch? Ja. Ich hatte den Film jetzt nochmal geguckt, weil ich mir nochmal diese Machtdynamik da angucken wollte, wie Hollywood das so macht. Und da ist mir was aufgefallen, was mir in meiner frühkindlichen Seherfahrung nicht aufgefallen ist, nämlich dass, also Julia Roberts ist mit so einem ganz ekligen Typen zusammen, der hat einen Schnurrbart, der schlägt sie. Das ist relativ schnell erzählt, zehn Minuten, dann flieht sie, baut sich ein neues Leben auf und dann gibt es irgendwie eine neue Romance mit Ben. Und ein Showdown noch mit dem Ex-Mann und so weiter. Aber was mir jetzt dieses Mal aufgefallen ist beim Gucken ist, dass dieser Ben super viele Red Flags um sich herum wehen hat. Und ich mir nicht sicher bin, ob das aus Versehen passiert ist, weil einfach Hollywood noch nicht Vogue war in den 90ern und das einfach ganz normales, so männliches Romance-Behaviour ist. Oder ob es einfach ein total brillanter Roman war, Romanvorlage, die das eben genau das impliziert hat, dass man das eben nicht den Typen immer sofort ansieht, wer es gewalttätig ist. Kann auch der romantische Wuschelkopf, der erfolglose Schauspieler ist sein. Und es wird hier in dem Film eigentlich, werden hier ganz viele Trigger vorgeführt. Geführt, da hat er sich übergriffig verhalten, er klopft nachts an die Tür, er akzeptiert kein Nein, er berührt sie ohne Zustimmung und so weiter. Hast du das auch gesehen? Ist es aus Versehen? Oder ist es eigentlich der perfekte Film, den man jetzt nochmal gucken kann, wenn man sich intime Machtmechanismen angucken möchte?
Barbara
00:48:22
Für mich bringt es eben noch das rein Ja, das sind nur die, also die Täter, die anderen. Das Problem ist, warum kann man nicht einfach die Strukturen mal betrachten und hinterfragen? Warum muss man am Ende wieder das Happy End setzen. Das ist ja auch, dieses ganze Dark Romance für junge Frauen ist ja eigentlich auch total gefährlich, weil es das eben vermittelt, ja, du musst erst mal leiden und dann ist er ganz scheiße mit dir und so und dann kommt der Retter, da kommt der Prinz. Und das ist ja auch in dem Film mit Blake Lively, It Ends With Us, ist ja auch am Ende nochmal ein schöner Romance da. Generell das Bedürfnis dieser Romance am Ende zu haben, mein Ansatz ist, wir als Frauen sollen uns hinterher fragen, warum nicht einfach mal alle Männer. Und das finde ich halt eben schade, auch bei dem Buch von Sophia Fritz. Ist da eine Grenze? Sie hinterfragt das ja auch nicht. Für mich hätte es mindestens noch ein Kapitel gebraucht, auch wo einfach mal die Männlichkeit nochmal hinterfragt wird. Wird es aber nicht. Und mein Buch wurde bisher noch von keinem Mann besprochen. Wenn Männer über häusliche Gewalt schreiben, dann gehen sie in Tätergruppen. Wir hatten das ja auch bei diesem, weiß nicht, ob du es mitgekriegt hast, O-Boy.
Susi
00:49:30
War das der, der gegen den Einspruch der betroffenen Personen von diesen Erlebnissen berichtet hat. Das heißt, die Frau, die betroffen war, hat sich deutlich dagegen ausgesprochen, dass er das sozusagen veröffentlicht und er hat das trotzdem gemacht.
Barbara
00:49:43
Er hat ja letztendlich durch diese Publikation nochmal Gewalt ausgeübt. Und alle, die das Buch gefeiert haben, haben ja bei der Gewalt mitgemacht. Und dann plötzlich war es wieder so, oh, da wussten wir ja gar nicht, wir haben jetzt nichts mehr mit ihm zu tun. Und das hinterfrage ich. Also kann ich, wenn ich jemanden eingeladen habe und ich habe eben so ein großes Reichweite wie Titelthesen Temperamente. Kann ich dann da einfach darüber schweigen?
Susi
00:50:10
Und du meinst, man muss dann einfach nochmal anrufen und sagen, warum hast du es gemacht? Wenn sie nee gesagt hat, warum hast du es gemacht? Oder was wäre dann der...
Barbara
00:50:16
Nee, dass man die eigene Komplizenschaft hinterfragt, dass man sich selber hinterfragt. Wie weit trage ich diese Strukturen mit?
Susi
00:50:22
Ja, jetzt I got it. Siehst du, wie tief ich auch in diesem Schwarz-Weiß-Denken drin bin. Ich fand gerade nochmal einen interessanten Schlüsselsatz von diesem Bad Boy und Good Boy. Das ist ja auch ein Narrativ, was wir immer in Geschichten sehen. Also Männlichkeit wird immer dann healthy und progressiv, wenn es dann irgendwie noch einen evil Gegenspieler gibt, der irgendwie eklig ist und gewalttätig wird und dann guckt man immer gar nicht so genau auf den Brot da hin. Ich schreibe auch gerade an einem Essay über Pretty Woman, ich muss da mal ein paar Sachen aufarbeiten, da wird sogar gesagt von Edward, nachdem Vivian geschlagen wurde von seinem Sleeky Partner, sagt er, not all men hit. Und es sagt, ja, da warst du in den fucking 90ern, not all men irgendwie. Und das Problem ist aber dieses Narrativ, good guy, bad guy, sitzt sehr tief in uns drin, dass wir irgendwie denken, es gibt halt böse Männer, die machen böse Sachen und die anderen, die haben halt Probleme irgendwie so. Weil ich auch manchmal denke, zum Thema Schuldfrage und Opfer. Sowas nach dem Motto, hätte sie es nicht wissen können oder so. So als ob Täter irgendwie so ein Stigma haben und man erkennt das dann sofort am Schnurrbart oder sowas. Also das auch zu verstehen und zu verinnerlichen, dass auch Good Guys irgendwie zu Tätern werden können oder dass wir diese Unterscheidung gar nicht brauchen, dass sie uns zu gar nichts führt, außer zu einer Legitimation. Das hattest du ja auch am Anfang bei der Justiziabilität beschrieben, wenn Männer dann leiden, wenn sie entmachtet sind, wenn sie Probleme haben, wenn sie Alkoholiker sind, wenn sie... Scham empfinden, dann kann man die Taten ja verstehen. Nur leider fallen dann die Betroffenen komplett hinten runter.
Barbara
00:52:06
Vielleicht wäre es das Kapitel, das mir fehlt und das eben Männer betrachten würde, wäre das Kapitel Not All Men.
Susi
00:52:13
Ich meine, was ja ganz lustig war, als toxische Weiblichkeit rauskam, wurde das ja sehr viel von männlichen Journalisten und Podcastern hofiert. Da konnten sie ganz schnell einen Konsens finden, dass Frauen ja auch scheiße sein können, so nach dem Motto. Das muss ich sagen, hat bei mir, glaube ich, zusätzlich noch so eine Abwehr erzeugt, weil ich dachte, ach ja, da ist man sich einig. Aber wenn hier, was weiß ich, 63 feministische Publikationen im Jahr rauskommen, dann schaffen es immer nur drei Journalistinnen vom Deutschlandfunk Kultur darüber zu schreiben. Ich meine, wo ist Matze Hilscher, wenn jetzt Hass gegen Frauen rauskommt? Backlash oder, oder, oder, weißt du? Oder dein Buch, wo ist er? Matze, würde mich mal interessieren, weißt du? Ich meine, wir haben ja noch ein Gewinnspiel versprochen. Ich würde mich freuen, wenn ihr da mitmacht. Dieses Buch ist wirklich großartig. Und zwar haben wir uns überlegt, ihr könnt doch einfach in eurer Podcast-App bei Spotify, Apple oder wo auch immer Sternchen dalassen, gerne kommentieren. Wenn ihr wollt, schickt da einfach ein Smiley rein und dann macht ihr einen Screenshot und schickt mir das an meine Mailadresse. Die findet ihr in den Shownotes und dann kommt ihr in den Lostopf rein.
Barbara
00:53:20
Dann bin ich gespannt auf unsere PreisträgerInnen. Vielleicht wird es ja auch ein Preisträger.
Susi
00:53:26
Genau, traut euch. Hat mich sehr gefreut, dass du da warst. Und wie immer, wenn euch der Podcast gefällt, dann sagst doch bitte euren Freundinnen weiter, like, share.
Music
00:53:35

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