44. ❤️‍🩹 Ist Feminismus ein Romantik-Killer? | mit Analyse von "Normal People" & "Conversations with Friends"

Machtgefälle, Konsens & Liebe auf Augenhöhe

13.02.2025 58 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ist Romantik eine patriarchale Fiktion und was bedeutet feministische Liebe?

📢 Dieser Podcast wirft einen feministischen Blick auf Gender zwischen Identität & Popkultur
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Ein Transkript dieser Folge findest du 👉 hier
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🌹 Unlearn Romantik
Romantik wird in patriarchalen Liebesfilmen häufig durch Machtgefälle geformt: Er ist älter, erfahrener, reicher. Sie ist jung, unerfahren und braucht Rettung. Aber was passiert, wenn wir diese Erzählung hinterfragen und uns feministische Liebe auf Augenhöhe wünschen? Müssen wir dafür unser erlerntes Bild von Romantik komplett aufgeben?

🎬 Feministische Serienanalyse
Mit den Serien Conversations with Friends und Normal People (basierend auf den Romanen von Sally Rooney) werfen wir einen kritischen Blick auf feministische Romantik und ihre Grenzen. Wie kann Gleichberechtigung in heterosexuellen Beziehungen aussehen? Und warum haben wir oft unbewusst Ungleichheiten verinnerlicht?

💔 Monogamie, #MeToo und Konsens
Liebe ist politisch – das war schon in den 60er- und 70er-Jahren ein zentrales Thema des Feminismus. Doch was bedeutet das heute? Wir diskutieren, ob monogame Hetero-Beziehungsmodelle wirklich frei von Unterdrückung sind und wie Konsens zu einem neuen, sexy Ideal werden kann?

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🎧 weitere Folgen mit Judith:
  • Folge 36: Postfeminismus – Zurück zum Frauenbild der 90er
  • Folge 25: #regretting motherhood
  • Folge: Wie geht Genderoffene Erziehung?
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Musik: Danke an Heyohmann!
Cover: Danke an Scarlett Nimz

Transkript

Susi
00:00:03
Feminismus, feministische Liebe, kann das überhaupt romantisch sein oder wie funktioniert das überhaupt?
Judith
00:00:09
Also Romantik, ich habe das Gefühl, ich brauche so, ich bin süchtig eigentlich danach.
Susi
00:00:13
Oh, wie unromantisch ist denn das, wenn ich jetzt fragen muss, bevor ich sie küsse? Also, dass diese Spontanität dann verloren geht.
Judith
00:00:20
Also schon allein, ob hetero-Geschlechtsverkehr gleichberechtigt sein kann.
Music
00:00:23
Judith
00:00:25
Das ist ja auch eine total wichtige Frage.
Susi
00:00:26
Der Prinz rettet die Prinzessin, aber wie sie sich dann die Kehrarbeit aufteilen, das sehen wir ja dann nicht. Hallo zu verbittert talentlos. In diesem Podcast sprechen wir über Gender zwischen Identität und Popkultur. Und heute ist meine Freundin Judith mal wieder zu Gast. Die große Vorstellungsrunde sparen wir uns heute mal. Die könnte euch in der Folge über genderneutrale Erziehung anhören. Judith war schon öfter hier und das Schöne ist einfach, wir kennen uns schon ewig seit Teenager-Tagen und insofern bringt es natürlich eine große Vertrautheit mit und dafür haben wir uns heute auch ein passendes Thema überlegt, wo ich schon wieder super viele Bauchschmerzen habe. Judith, erzähl doch mal, das Thema war ja dein Vorschlag.
Judith
00:01:16
Hallo erstmal. Also ich habe die beiden Serien gesehen, Conversations with Friends und Normal People. Das sind Serien, die auf Roman von Sally Rooney, einer jungen irischen Schriftstellerin, basieren. Und die haben mich irgendwie nicht losgelassen. Ich wusste auch nicht so richtig, warum. Also da sind ganz viele Themen bei mir aufgeploppt. Unter anderem das große Thema der Romantik. Was ist eigentlich Romantik?
Susi
00:01:41
Wir haben auch eigentlich Last Minute jetzt entschieden, dass wir die Romantik nehmen als Kernthema. Ich wollte eigentlich so ein bisschen über die Genderfragen in den Serien sprechen und über weibliche Prägung, aber ich habe jetzt gestern nochmal gemerkt in der Vorbereitung, dass mir dieses Thema so unbequem ist, dass ich das so doll vermeide, auch in meinem Leben gerade, dass ich dachte, okay, geh mal in die Schmerzpunkte rein, das ist wahrscheinlich genau das richtige Thema, worüber wir jetzt mal sprechen wollen. Bevor wir loslegen, noch den Hinweis, ihr könnt diesen Podcast finanziell unterstützen. Ich freue mich sehr, wenn ihr mir helft, die Kosten für den Podcast zu decken. Außerdem muss ich sagen, dass mit jedem neuen Mitglied ist es wie ein Schwall von Wertschätzung, der mich da durch meinen Computerbildschirm anstrahlt. Es ist so schön zu sehen, dass euch der Podcast gefällt und es motiviert mich einfach. Und ich danke allen meinen Mitgliedern von ganzem Herzen. Außerdem könnt ihr bei Steady auch meinen Newsletter lesen und abonnieren. Dort bekommt ihr einmal im Monat Tipps für Serien, Dokus, Filme, Bücher, die mit dem Male Gaze brechen im Prinzip und Flinter in den Mittelpunkt stellen. Den Link findet ihr wie immer in den Shownotes. Und jetzt gehen wir mal rein, Liebe. Also ich glaube, bevor wir uns mit den Serien beschäftigen, müssen wir kurz nochmal gucken, wie wir diesen Romantikbegriff eigentlich verorten, weil ich habe gemerkt, ich bin einerseits so die größte Romantikerin auf der Welt, ich habe mir alle Rom-Coms in den 90ern angeguckt, die es gab, habe viele irgendwie Arschlöcher gedatet und versucht meinen Platz zu finden mit Weiblichkeit, Sexiness und Romance. Und bin jetzt Mutter und in einer Ehe, in einer Langzeitbeziehung, wo das plötzlich gar keine Rolle mehr spielt in dem Sinne. Also natürlich dieses Kribbeln von Verliebtheit hat man nicht. Dann hat man diesen ganzen Pragmatismus, der in so einem Familienalltag eine Rolle spielt. Und mich touchen auch viele Liebesfilme nicht mehr, weil die natürlich sich um viel jüngere Menschen drehen und gar nichts mit meiner Lebensrealität zu tun haben. Also ich spring da nicht mehr so drauf an. Deswegen ist es auch oft so, wenn dann wieder der neue Liebesfilm gehypt wird, keine Ahnung, interessiert mich so nicht, weil ich möchte mal die Liebe auf der Langstrecke sehen, die Liebe auf Augenhöhe. Im Endeffekt eigentlich auch die Frage, kann Feminismus, eine feministische Beziehung, eine feministische Liebe, kann das überhaupt romantisch sein oder wie funktioniert das überhaupt? Mein Fokus hat sich da komplett verlagert und trotzdem merke ich, ich möchte den Begriff aber auch nicht loslassen. Also jetzt auch zu sagen, okay, in meinem Leben gibt es auch keine Romantik mehr. Das haben wir hinter uns und jetzt machen wir so pragmatisch weiter. Das ist ja irgendwie auch nicht so cool. Wie sieht es denn da gerade bei dir aus, so mit deinen romantischen Vorstellungen? Oder ich habe auch so gedacht, kann man sagen, dein romantischer Haushalt, dein romantisches Kontingent. Also was ist das? Ist das ein Gefäß, wo was reinkommt? Oder sind das Liebesfilme, in die man sich flüchtet oder Fantasien? Wie ist das bei dir gerade?
Judith
00:04:48
Super schwierige Frage. Also ich hatte es definitiv in meinem Alltag, dass ich mich flüchte. Also ich gucke schon noch Liebesfilme, auch gerne mal sowas wie Bridgerton. Das hat so eine Leichtigkeit und man kann da irgendwie verschwinden. Und da geht es auf jeden Fall, finde ich, in erster Linie ums Verliebtsein. Also Romantik. Ich habe auch wirklich nochmal viel in Bezug auf diese Folge darüber nachgedacht. Ist bei mir eigentlich alles, was vor dem Sex passiert und auch vor Ehe slash Langzeitbeziehung. Es geht um ein Kribbeln im Bauch. Aber eigentlich würde ich sogar noch weiterfassen. Es hat für mich auch ganz viel was damit zu tun. Deswegen vielleicht diese Flucht in diese Serien, weil es auch so eine... Flucht ist vor so einer Banalität des Lebens. Ja, ich habe das Gefühl, ich brauche so, ich bin süchtig eigentlich danach und letztendlich funktioniert es aber mehr, du hattest es vorhin im Vorgespräch auch schon gesagt, so in der Fiktion. Also ich glaube, man kann es ja gar nicht ständig im Alltag haben. Trotzdem möchte ich daran glauben, dass man immer wieder diese Momente herstellen kann und auch in einer Freundinenschaft oder so. Also ich hatte auf jeden Fall auch Momente in meinem Leben, die ich als romantisch bezeichnen würde, die mit Freunden war, wo man gemeinsam auf dem Berg schläft und dann den Sonnenaufgang zusammen sich anguckt. Also das ist romantisch für mich.
Susi
00:06:04
Naja, es gibt ja eigentlich ohne Grund auch diese Epoche der Romantik, wo das genau das aufkam, in den Wald zu gehen und die Welt war ein bisschen crazy und man guckt dann einfach irgendwie zum Mond und freut sich. Also eigentlich ist es ja auch schon eine Antwort auf Krisenzeiten, sich zu flüchten. Und deswegen, also meine These ist, du hast es jetzt schon gerade vorweggenommen, dass es eigentlich eine Fiktion ist, Romantik funktioniert eigentlich nur, wenn man drauf schaut oder wenn man zurückschaut. Das war so für mich so eine Erkenntnis. Wenn ich mich jetzt frage, welche Momente in meinem Leben fand ich denn richtig romantisch oder so, dann merke ich, dass die Romantisierung ein nachträglicher Prozess ist. Und dass es ganz oft so ist, dass dieses klassische hier Candlelight Dinner und irgendwie cozy Musik oder so, das kann auch befremdlich sein, ganz ehrlich. Oder es kann einen Druck ausüben. Und deswegen ist meine Antwort tatsächlich, dass die Romantik als popkulturelle Trope sozusagen eigentlich greifbar wird. Das ist etwas, was wir uns ganz bewusst zuführen in Liebesfilmen, in Liebesliedern, Lyrik und so weiter. Und da für mich aber dann die zweite Frage, ist es noch ein Stoff sozusagen, der in mir das auslöst? Also wir werden ja noch über die Serien sprechen, weil... Du hattest ja diesen Romantikaufhänger jetzt bei Sally Rooney. Ich habe das gar nicht gesehen. Also ich habe die ganze Zeit bei den Serien einen totalen Kloß im Hals gehabt. Habe sehr viel geweint, fand vieles bedrückend und schrecklich und auch gar nicht als so unbedingte Seelenverwandtschaften oder total romantische Verbindungen jetzt wahrgenommen, sondern als total schwierige, mit sich selbst hadernde Menschen, die irgendwie einen Platz in der Welt suchen oder so. Und ich habe mich halt auch so gefragt, ob ich vielleicht sogar schon eine Ablehnung entwickelt habe für romantische Fiktion, weil ich es schon fast wie ein Verlust empfinde, wenn ich darüber nachdenke. Du hast ja gerade gesagt, für dich steht Romantik eigentlich der Langstreckenbeziehung oder der Ehe, so wie wir sie ja führen, eigentlich entgegen. Und ehrlich gesagt empfinde ich das auch so, weil die einfachste Form der Romantik ist ein Kribbeln der Verliebtheit und ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich denke, werde ich das vielleicht nie wieder haben? Wie schrecklich ist denn das? Und die Frage, kann ich das mit meinem Partner wieder herstellen, Romantik herstellen, ist irgendwie ein bisschen komisch und deswegen fühlt sich das so fast wie etwas an, was ich verloren habe, wo ich wiederum mich in so eine verkopfte intellektuelle Sphäre dann flüchte und diese ganze Liebesscheiße sozusagen komplett von mir wegschiebe und manchmal sogar mich hart mache und sage,
Judith
00:08:56
Das ist halt dieser Quatschfilm.
Susi
00:08:59
Da Brauche ich nicht. So. Trotzdem gibt es noch viele Themen, die ich auch noch mit dir gerne besprechen würde zum Thema Romantik und Feminismus, Romantik und Gender. Aber vielleicht sollten wir ganz kurz einen Abriss geben, worum es in den Serien geht.
Judith
00:09:16
Wir können ja mal mit Gesprächen mit Freunden anfangen. Es geht um vier Menschen, Frances und Bobby, die sowohl Freundinnen sind als auch Ex-Partnerinnen. Die waren in ihrer Schulzeit ein Paar, haben sich dann aber getrennt. Und sie lernen dann Melissa kennen, die auf jeden Fall, also Francis und Bobby sind junge Studierende und Melissa ist halt schon eher so eine gestandene Frau, so in unterm Alter, Ende 30 oder so. Und hat Erfolg, ist Schriftstellerin und Melissa ist mit Nick verheiratet. Er ist Schauspieler und dann entwickelt sich halt so eine Vierer-Liebesbeziehung, könnte man irgendwie sagen. Also sowohl Bobby und Melissa, da gibt es so Annäherungen, auf jeden Fall auch einen Kuss zwischen den beiden. Und Francis und Nick beginnen eine Affäre, zunächst geheim und ja, so das der simple Plot im Prinzip. Das kommt immer wieder zu so einem On-Off-Ding zwischen Francis und Nick und sie hadern miteinander, weil das fand ich halt auch so spannend an der Serie, dass es jetzt nicht so diese Leichtigkeit hat, die man sonst so aus romantischen Komödien oder so kennt. Sondern das Hadern auch mit, was weiß ich, Selbstverletzungen oder so Sachen. Das ist schon total ernsthaft und so erzählt, dass man sich auch gut, finde ich, identifizieren kann mit den Charakteren. Und das ist ja auch eine junge, moderne Generation. Bobby und Frances, sie sind politisch, sie sind auch Feministinnen, sie sind auch so ein bisschen für hochgebildet. Genau, also es sind auch immer intellektuelle Milieus auf jeden Fall, so in beiden Geschichten, das muss man dazu sagen. Genau, und sie wollen sich auch ein bisschen frei machen, also auch von irgendwelchen konstruierten, vor allem heteronormativen Vorstellungen oder so. Und trotzdem gelingt es jetzt Francis ja nicht, irgendwie so cool und locker zu sein und zu sagen, hey, ich habe da eine Affäre mit einem verheirateten Mann, so what, irgendwie, wir haben eine gute Zeit, alles schön, sondern nein, natürlich clasht es und Melissa kriegt das irgendwann raus, beziehungsweise Nick erzählt es ihr. Ist auch eigentlich, finde ich, ein bisschen unangenehm, weil es gibt in so einem gemeinsamen Urlaub dann eine Situation, wo Melissa auch beide unabhängig voneinander direkt danach fragt und beide lügen sie an. Also das ist nicht so Comfortzone-mäßig, sondern alle fühlen sich nicht so wohl mit der Situation, so wie sie ist. Und eigentlich hat man auch das Gefühl, dass Mick und Melissa gar nicht so eine schlechte Beziehung haben. Aber sie haben halt auch Aufs und Abs. Und ich finde es dann auch interessant, weil Melissa Nick gegenüber irgendwie überlegener wirkt. Ich weiß nicht, wie du es erfunden hast. Er hat halt auch mit Depressionen zu tun. Also das fand ich auch total, auch diese männlichen Hauptcharaktere fand ich total spannend. So im Sinne von so einer neuen Männlichkeit, die sind verletzlich, die weinen viel. Er hat ja auch noch so einen Kinderwunsch. Melissa hat sich aber entschieden, dass sie keine Kinder will. Und dann, also so platt könnte man jetzt denken, ah ja, und dann kommt da eine junge Frau. Das könnte ganz klassisch erzählen werden. Und trotzdem, finde ich, können sich Francis und Nick auch auf Augenhöhe begegnen.
Susi
00:12:09
Ich hatte beim Gucken der Serie das Gefühl, dass Sally Rooney einerseits diese Gedanken über Feminismus und Romantik mit reinschreibt, weil sie bestimmte Themen aufgreift, wie zum Beispiel die Frage von Macht. Und dann wählt sie eine Konstellation von einem älteren Typen und einer jungen und sie wird auch als unsicher, schüchtern teilweise dargestellt.
Judith
00:12:32
Aber schlagfertig. Von einer Jungfrau.
Susi
00:12:34
Ich wollte gerade darauf hinaus, wie sie dann dieses Machtgefälle so modelliert, dass wir das gar nicht mehr als so eindeutig erkennen können. Das Interessante ist, sie geht erstmal mit so einer klassischen Konstruktion rein, wo man sagen kann, hat man schon mal gesehen, kennt man und klar, sie himmelt ihn an und sie himmelt übrigens auch Melissa an. Das finde ich auch interessant. Melissa als erfolgreiche Autorin. Frances, die auch schreibt, Melissa könnte eine Art Mentorin sein. Also es ist wirklich ein Viereck, weil alle so miteinander vernetzt sind. Und auf der anderen Seite haben wir dann aber diesen älteren, gut aussehenden Typen, der dann aber wiederum in seiner Ehe unglücklich ist, in seinem Beruf nicht so richtig erfolgreich ist. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob er nicht so zufrieden ist. Er hat so eine Depression und dann entsteht was ganz komisches, nämlich dass man sich gar nicht so sicher ist, wer ist hier on top. Also Nick bewundert Francis irgendwie dafür, dass sie so klug ist und da würde ich auch wieder sagen, da kommt es mir auch so vor, als wäre Francis Nick auch überlegen intellektuell, aber sie spielen eigentlich nicht mit der Macht, sie spielen nicht damit, dass einer über dem anderen ist oder dominant ist, sondern sie begegnen sich irgendwie. Also ich sehe da bei Sally Rooney ein Kommentar auf diese heterobinäre Macht, Inherenz. Also wir haben in der feministischen Theorie dieses Dilemma, dass wenn wir in weiblich und männlich denken, dass darin immer dieses Komplementär aus dominant und unterwürfig mit gemeint ist. Wenn wir diese Gender performen, performen wir gleichzeitig dieses Gefälle und Liebesfilme kümmern sich darum, dass dieses Gefälle dann romantisiert wird. Dass wir das nämlich als Hingabe empfinden, dass die Frau nicht schwach ist, Sondern dass sie sich fallen lässt. Dass der Mann nicht gewalttätig ist, sondern beschützend. Und das sind ja die klassischen patriarchalen Liebesnarrative, die uns geprägt haben und die uns immer wieder erklären, das ist ja gar nicht schlimm, dass du dich unterordnest als Frau. Das wird dazu führen, dass du beschützt wirst und dass du dich hingeben und fallen lassen kannst. Das ist ein Privileg als Frau. Und das versucht sie ein bisschen auszuhebeln.
Judith
00:14:49
Also völlig richtig, was du gesagt hast. Und ich merke selber, wenn du das sagst, dass ich sehr lange wahrscheinlich dachte, das ist Romantik. Also es gibt auch so ein Gefälle, auch hier Pretty Woman, so dein schwieriger Lieblingsfilm sozusagen.
Susi
00:15:02
Ja, mein schwieriger Lieblingsfilm,
Judith
00:15:03
So kann man es nennen.
Susi
00:15:04
Ja.
Judith
00:15:05
Also das verstehe ich total. Und was ich dann aber hier nochmal erlebt habe und so schön fand, war auch so die Erkenntnis... Dass so eine romantische Liebe, dass es auf jeden Fall auch was mit einer inneren Verbundenheit zu tun hat. Und die sehe ich bei Nick und Francis. Neben dieser körperlichen Anziehung, die auf jeden Fall da ist, geht es auch darum, dass sie das Gefühl haben, einander verstehen zu können, weil sie sich wesensnah sind.
Susi
00:15:27
Aber das ist ja etwas, was wir in patriarchalen Liebesfilmen auch sehen. Die Behauptung, zwei Menschen sind sich wesensnah und deswegen verbunden, wie so eine Art Schicksalsding oder ein Temperament. Zwei Hälften, die zusammengehören. Das finde ich gar nicht so progressiv, sondern da schwimmt Sally Rooney für mich zwischen feministischer Liebesroman, aber auch eigentlich einer Modernisierung von klassischen Romance-Tropes. Und wir wollen ja heute ein bisschen versuchen, über die Frage zu diskutieren, ob Feminismus romantisch sein kann. Und ich finde das bei Sally Rooney auch und so deutlich ein bisschen, dass die Figuren auch ein bisschen daran scheitern, an ihren selbstreflektierten Liebesnarrativen. Also ich versuche es mal auszuführen. Francis war mit Bobby zusammen und es wird im Laufe der Serie versucht zu erklären, warum da hat das nicht funktioniert. Bobby ist so super extrovertiert und dann geht es immer darum, dass sie ihre eigene Art von Beziehung leben wollten. Ich weiß nicht, ob sie damit Polygamie andeuten oder was sie eigentlich damit meint. Also eine gewisse Freiheit in einer Beziehung, die in einer heteronormativen, monogamen Beziehung irgendwie nicht möglich ist. Irgendwie wird da sowas angedeutet. Und Bobby hat ein Problem damit, dass Francis ihre Gefühle nicht richtig irgendwie ausdrücken kann. So, dass sie sich abhängig macht, glaube ich. Man könnte es fast so ausdeuten, als würde sich Frances in dieser Lesbenbeziehung in eine unterlegene Rolle begeben, was Bobby quasi zur Dominanten macht und sie damit ein Problem hat, weil sie ja ausbrechen will, aus einem sozusagen Dominanten. Ich weiß nicht, ob es total crazy ist, aber der Witz ist ja, dass sie auf einmal bei Nick sowas erleben kann. Es ist der erste Mann, mit dem sie schläft, sagt sie auch. Als ob sie merkt, dass sie so in diesem Heterospektrum auf einmal eine neue Weiblichkeit entdeckt an sich oder irgendwie angekommen ist, so eine Ruhe in sich findet, die sie mit Bobby nicht hat. Vielleicht ist es einfach auch nur meine Deutung, weil ich das auch gesucht habe. Ich habe versucht zu gefallen, ich habe versucht begehrlich zu sein, Indem ich auch ein Stück weit nach dieser Weiblichkeit gesucht habe, die auf dieses männliche Begehren stößt. Und alle Gedanken, die ich zum Thema Feminismus und Liebe habe oder Romantik, die enden oft darin, dass ich Angst davor habe, davor zu stehen und zu sagen, boah, das ist echt anstrengend, stressig, hart intellektuell und überhaupt nicht romantisch. Also dieser innere Widerspruch auf der einen Seite frei selbstbestimmt und feministisch zu leben und auf der anderen Seite ein Romantikideal eingeprägt zu haben und ein Weiblichkeitsideal eingeprägt zu haben, was manchmal wie eine Befreiung wirken kann, wenn man sich darin fallen lässt. Ist das crazy?
Judith
00:18:23
Nein, es ist überhaupt nicht crazy. Es ist viel. Also ich würde mal versuchen jetzt anzusetzen nochmal an dem Punkt kurz in Bezug auf die Serie, wo es um dieses Bobby versus Nick so ein bisschen geht. Und dachte gerade, ich würde eher dagegen halten, weil am Ende ist es ja so, dass Bobby und Francis nochmal versuchen, eine neue Beziehung aufzubauen, die sie als sehr frei deklarieren. Also es ist ihnen wichtig, dass da kein Label draufkommt, dass sie also quasi nicht als exklusives Paar gelesen werden, sondern offen in allen möglichen Bereichen sozusagen. Ob das dann so aufgeht am Ende, das werden wir ja nicht erfahren, weil das Buch dann irgendwann endet und zwar so, dass Frances anscheinend mit Nick doch wieder anbendelt, sage ich jetzt mal. Und ich hätte jetzt eher so interpretiert, dass Bobby so eine Möglichkeit nämlich wirklich der feministischen Romantik oder so ist. Und bei Nick also schon allein die Frage, ob hetero Geschlechtsverkehr gleichberechtigt sein kann. Das ist ja auch eine total wichtige Frage. Und wie das körperlich abläuft, wissen wir ja. Und kann es da immer so eine Gleichberechtigung geben? Und ist es nicht eher so, dass er da eine gewisse Dominanz dann auch hat?
Susi
00:19:33
Ich glaube, ich würde gerne nochmal diesen Feminismus theoretischen Einschub machen. Also Feminismus jetzt in der dritten Welle aus meiner Sicht wird viel darüber diskutiert, was du gerade gesagt hast. Kann heterobinäre Beziehungen, kann die überhaupt frei vom Machtgefälle sein? Das ist eine Überlegung. Dann die Frage nach Monogamie, auch Ehe. Das ist ja auch etwas, was schon im 60er, 70er Jahren eine Rolle gespielt hat. Was ich nie richtig verstanden habe, ist mir ehrlich gesagt gestern erst klar geworden, freie Liebe ist. Ich habe gedacht, da geht es um oben ohne. Also jetzt ganz blöd gesprochen. Aber dass es eigentlich um eine Politisierung von Liebe geht, dass sie außerhalb der Ehe stattfinden kann, also frei ist von diesem Dogma, was wir jetzt auch wieder bei Conversations with Friends sehen, frei von diesem Label, frei von dieser staatlichen Konstituierung. Irgendwie weiß ich nicht. Also ich habe irgendwie gedacht, als Feministin muss ich jetzt in einer Kommune leben. So schrecklich für mich eine Horrorvorstellung oder so. Und jetzt total sexpositiv sein. Weil diese Bilder von den Hippies und so weiter, Die haben sich bei mir so eingebrannt und ich einfach nie darüber nachgedacht habe, dass es so ein Dogma gab, Sex in der Ehe zu haben und Kinder in der Ehe zu haben.
Judith
00:20:39
Und selbst bei Sally Rooney merkt man ja immer noch, dass der Status Ehe, es ist eine andere Hürde. Also ich glaube, wenn Melissa und Nick nicht verheiratet wären, wäre es auch eine andere Geschichte. Es wäre ein anderes Thema.
Susi
00:20:52
Genau, insofern ist es im Feminismus so, dass die Fragen nach Monogamie und nach heterobinären Beziehungen erstmal in Frage gestellt werden. Wir haben dann natürlich noch die Hashtag-MeToo-Bewegung, wo es dann auch um Konsens geht und die Frage, wie können wir eigentlich einvernehmlichen Sex haben? Was bedeutet das überhaupt? Was ist überhaupt Konsens? Das ist so eine Frage, die reinkommt, die Sally Rooney auch teilweise immer wieder so ein bisschen aufleuchten lässt.
Judith
00:21:18
Ja, wir können ja dann auch zu Normal People langsam kommen, weil genau da geht es ja auch um ihr erstes Mal und da wird er als doch eher einfürsammend beschrieben.
Susi
00:21:27
Ist das dein erstes Mal? Ja. Ist das okay? Na klar, ist okay. Es ist nur, wenn du aufhören willst oder irgendwas ist, dann hören wir auf.
Judith
00:21:38
Das werde ich nicht wollen.
Susi
00:21:39
Ich weiß, aber wenn es wehtut oder so, können wir aufhören. Ist nicht peinlich.
Music
00:21:41
Susi
00:21:46
Sag es einfach. Danke. Da habe ich so kurz gedacht, über welche Generation schreibt Sally Wohne eigentlich. Also sie ist ja die Göttin der Millennials sozusagen, sie hat ja unter den Millennials quasi diesen Riesenhype und das lustig ist, das wollte ich mich auch noch sagen, dass sie beschreibt halt Adoleszenzgeschichten für Millennials, also wie so ein ganz leichter Rückgriff in die Vergangenheit, aber trotzdem mit diesem progressiven feministischen Gedankengut, den ich ehrlich gesagt in der Zeit, wo ich Anfang 20 war, so wie Francis oder so noch nicht hatte, Also man guckt ein Stück in die Vergangenheit, packt aber noch moderne Diskurse obendrauf und das macht so eine komische Gemengelage. Und als ich verstanden habe, ach so, sie ist selber Millennial, ach das ist für Millennials, ach sie ist auch bei den Millennials so beliebt, habe ich das Gefühl, für mich war es übrigens auch so, diese Erfahrung, wie so eine nachträgliche Aufarbeitung genau dieser Adol-Essenz-Phase, dieser Mischung aus weiblicher Prägung und emanzipatorischen Bewegung. Deswegen habe ich auch die ganze Zeit geheult, weil ich gucke da drauf und denke mir, fuck, ich war auch so und das ging mir auch so und das war ja voll scheiße und kommen wir gleich noch bei Normal People drauf. Aber ich will noch kurz diesen Liebesbegriff nochmal abschließen, weil wenn man jetzt sagt, okay, Monogamie wollen wir jetzt nicht und heterobinär wollen wir jetzt nicht, dann können wir ja sagen, wir gehen jetzt in offene Beziehungen mit Lesben. Wäre jetzt ein radikaler Ansatz. Super. Gibt es übrigens auch. Also war auch in den 60er, 70ern auch eine Strömung. und dann habe ich noch ein sehr schönes Zitat gelesen bei Mona Cholet, dieses Buch heißt Wir müssen die Liebe neu erlernen. Ich hoffe, ich habe es mir gar nicht aufgeschrieben. Ich stelle es euch in die Shownotes und sie schreibt, für mich ist der Reiz der Liebe untrennbar damit verbunden, einer anderen Person einen privilegierten Platz in meinem Leben einzuräumen und einen eben solchen in ihrem Leben einzunehmen. Ich möchte die andere Person in ihrer Einzigartigkeit wahrnehmen und selbst so wahrgenommen werden. Weshalb das Konzept der Polyamorie schlichtweg die Grenzen meiner Vorstellungskraft sprengt. Ich habe den Eindruck, dass offene Beziehungen ein enormes Selbstvertrauen voraussetzen und ich bewundere diejenigen, die so leben können. Und dieses Dilemma fühle ich auch sozusagen zwischen meiner radikal-feministischen Seite, die irgendwie Freundinenschaften als Liebesbeziehung aufwerten will, die meine eigene Heterosexualität infrage stellen will, Die sich danach sehend doch wieder ein Kribbeln und ein Verliebtsein spüren zu können, auch in einer Ehe. Aber ich merke auch, dass diese Prägung in mir und diese Vorstellung, dieses Wutschdenken und diese romantische Fiktion so tief sitzt. Dass ich noch immer einen ganz tiefen Wunsch habe, diesen einen Lebenspartner in meinem Leben zu haben und dass ich das nicht aufgeben kann. Und ich neige dazu, dass auch, also einerseits muss man ein bisschen gegen so die toxische Prägung ankämpfen, so merke ich schon. Aber andererseits glaube ich nicht, dass mich das jetzt glücklicher machen würde, mich scheiden zu lassen und jetzt zu versuchen, eine Lesbe zu werden. So jetzt mal ganz, ganz blöd gesprochen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass Frances nicht lesbisch ist oder dass sie sich was vormacht. Aber ich habe eben auch gesehen, dass dieser Wunsch nach dieser Einfachkeit, dieses sich darauf verlassen, was man sein ganzes Leben lang in Romances gesehen hat, dann zu reproduzieren. Es muss doch möglich sein, auch als Feministin zu sagen, ich wünsche mir mit meinem Ehepartner ein Leben lang glücklich und verbunden zu sein und dann eher zu gucken, wie kann ich das jetzt machen? Sicher nicht mit Candlelight. Und ich wollte auch nochmal eine Sache sagen zur heterobinären Sexualität. Ich hatte auch die Ansicht, bei mir geht das ja manchmal so in feministischen Phasen, dass ich dachte, eine männliche Sexualität ist immer übergriffig, weil sie eindringt in den weiblichen Körper. Aber ich habe jetzt auch viel über die Vagina Dentata gelesen, über die beißende Vagina, über Kastrationsängste und ich war auch mal in Rom am Bocca della Verità und ich weiß nicht, ich habe schon ein Problem, Körperteile in Löcher zu stecken, wo ich nicht weiß, was da drin ist. Also, weißt du, was ich meine? Wir könnten die Vagina oder die Vulva auch mal umdeuten und sagen, wie verletzlich machen sich auch Männer, sich umschließen zu lassen von einem Organ, was sehr kraftvoll und machtvoll ist. Soweit sind wir noch nicht in unserer kulturellen Ästhetik, sage ich jetzt mal, weil der Phallus leider auch als Speer und so weiter immer irgendwie so komisch dargestellt wird. Aber ich sage mal, die Vagina als kraftvoller Schlund, ja? Könnte eine Denkweise ermöglichen, auch zu sagen, nein, natürlich sind wir nicht das vulnerable, in sich schon unterlegene Geschlecht, weißt du?
Judith
00:26:34
Also in Bezug so auf die Verletzlichkeit und so, also ist das ja auch nochmal spannend, vielleicht auf Marianne zu gucken, dann bei Normal People, weil sie ja auch dann einen Masochismus auslebt und es auch um gewalttätige Erfahrungen geht, die sie da macht. Aber ich wollte auch nochmal ganz kurz zurückkommen zu Feminismus. Ist das ein Romantikkiller? Ich würde auch sagen, nein, auf keinen Fall muss es so sein. Aber spannend ist ja auch, es gibt ja auch so neuere Studien, zum Beispiel zu festen Beziehungen und wo jetzt rauskam, ach Männer wünschen sich im Durchschnitt doch mehr als Frauen feste Beziehungen, weil feste Beziehungen aber auch einen guten Einfluss haben auf ihre Gesundheit, tatsächlich eine längere Lebenserwartung mit sich bringen, was halt total spannend ist. Und ich will nur darauf hinaus, das ist für mich jetzt nicht Romantik. Und die Studie wurde teilweise auch vielleicht nicht so korrekt ausgelegt. Den Wunsch zu haben, in einer langen, festen Beziehung zu sein, wo jemand sich um mich kümmert und für mich kocht, ja, das kann ich auch nachvollziehen. Das hat aber für mich nichts mit Romantik zu tun, sondern mir geht es wirklich, wenn ich jetzt an Romantik denke, um Verbundenheit auf Augenhöhe. Und die kann aus meiner Sicht immer möglich sein, also zwischen allen Menschen.
Susi
00:27:43
Das ist ja der große Kampf. Also ich meine ehrlich gesagt der Kampf in meiner Beziehung, aber auch ein feministischer Kampf, weil so wenig Männer sich am Feminismus an diesem Diskurs beteiligen insofern, dass sie sich auch über ihre Männlichkeit, ihre männliche Prägung klar sind, nämlich da entgegenzuwirken oder auch die Frage eben nach Konsens. Ich hatte am Anfang, als die Methodebatte aufkam und der ganze Konsensdiskurs, war das für mich eine Sache, die zum Beispiel wichtig wäre, wenn man One-Night-Stands hat, wenn man zum ersten Mal mit jemandem schläft oder wenn man in eine beginnende Beziehung oder so reinkommt. Und ich merke jetzt, das ganze sexuelle Leben ist durch Konsens bestimmt, weil es ist tagesformabhängig. Es kann sich verändern, zum Beispiel nachdem man ein Kind geboren hat. Es kann mit Menstruation zu tun haben, also Periodensex. Und es ist eigentlich immer oder es sollte immer ein Thema sein. Und dann hatte ich auch viel mitbekommen, dass das Thema um Konsens immer so verhandelt wird wie, oh, wie unromantisch ist denn das, wenn ich jetzt fragen muss, bevor ich sie küsse. Also, dass diese Spontanität dann verloren geht. Weißt du, was ich meine? Dass wir das als unromantisch empfinden, wenn wir vorher alles klären, was wir jetzt tun und nicht tun. Und ich kann das Argument total nachvollziehen. Also, ich stelle mir das ehrlich gesagt auch schwierig vor. Aber ich glaube, man macht es sich dann ein bisschen zu einfach. Und das sehen wir halt wunderschön in den Sally Rooney-Serien, wie sexy das sein kann, wie schön das sein kann, so ein Safe Space zu kreieren, Indem man ganz natürlich im Miteinander dann sagt, ist das okay, tut es dir weh?
Judith
00:29:21
Ah ja, okay, aber ging es mir schon so. Nee, das nicht, aber ich fand es auf jeden Fall nicht mehr romantisch. Das war ja das, was ich vorhin schon meinte. Romantik hört bei mir wirklich mit dem Sex. Also ich finde, Sex per se jetzt ist nicht unbedingt was Romantisches. Davor dieses, wie es dazu kommt, wie man da hinkommt, das hat was Romantisches für mich. Und dann ehrlich gesagt, ich finde es total süß, dass er das fragt. Und ich finde es richtig wichtig und gut, dass er das macht. Aber romantisch finde ich es nicht. Ich finde es einfühlsam, das finde ich schön und das finde ich auch anziehend.
Susi
00:29:54
Aber auf der anderen Seite ist es doch so, dass wir hier so eine Behauptung haben, dass die halt sowohl Marion und Connell als auch Francis und Nick, quasi was du vorhin meintest, diese Verbundenheit haben, diese Wesensnähe, dass das ja auch Szenen sind, die dabei helfen zu verstehen, ach so gehen die miteinander um. Ich stimme dir zu, Sexszenen sind nicht romantisch, es sei denn, wir sind auf der Titanic, der Eisbär kommt und die Hand klatscht an die Fensterscheibe, dann ist das perfekte Romantik auch.
Judith
00:30:21
So, da gibt es ja auch keinen Konsens.
Susi
00:30:23
Ist sie da noch Jungfrau eigentlich?
Judith
00:30:25
Mit Sicherheit. Aber Jack würde ich auch zutrauen.
Susi
00:30:29
Dass er sie fragt, ob es okay ist.
Judith
00:30:31
Ja, das ist ja auch spannend. Das ist eigentlich ein anderes Thema, aber dass in diesem ganzen eher nicht so guten vielleicht Liebesgeschichten, die es auch gibt, dann diese ersten Male ja oft so, ah, ist gar kein Thema, das war richtig toll und das Schönste, was ich je erlebt habe. Auch ein bisschen vielleicht komisch. Nee, also in den Serien von Sally Rooney, also diese Sexszenen, ich fand die auch unangenehm. Oder?
Susi
00:30:54
Unangenehm, weil Sexszenen unangenehm sind zu gucken? Oder weil der Sex irgendwie komisch war?
Judith
00:31:00
Nee, ich fand, weil man auf jeden Fall gemerkt hat, also gerade bei... Jetzt bringe ich die durch. Francis und Connell wollte ich sagen. Marianne und Connell aus Normal People. Da haben wir ja noch gar nicht was zu gesagt, so richtig. Die Serie, die ist von 2020 und es geht da um Marianne und Connell. Die gehen zusammen auf die High School, ist das glaube ich auch in Irland. Und Cronel gehört eher zu den Beliebten, es wird aber trotzdem als so ein sensibler, kluger Mensch beschrieben und Marianne ist eine Außenseiterin und es ist so, dass die Mutter von Cronel bei Marianne zu Hause putzt, das heißt also, da ist auch nochmal so ein ganz anderer Status, Mariannes Familie ist eher reich, ihr Vater ist schon gestorben, sie lebt mit ihrer Mutter und ihrem gewalttätigen Bruder zusammen. Und Connell ist Einzelkind, seine Mutter hat ihn sehr früh bekommen und irgendwie beginnen die beiden sich da anzunähern. Beginnen also auch eine Beziehung, die sie aber geheim halten, weil Connell das Unangenehm ist und da ist dann schon dieser Knackpunkt. Beide haben eine riesen Unsicherheit und haben auf jeden Fall auch, finde ich, alle Figuren in den Geschichten von Sally Rooney, so ein Minderwertigkeitsthema, was auch zu selbstzerstörerischen Handlungen führt und so weiter. Und die beiden über mehrere Jahre so On-Off-Beziehungen mäßig sind sie irgendwie mehrmals zusammen, studieren dann zusammen am Trinity College in Dublin. Und das ist quasi die Geschichte, also kurz runtergebrochen. Zum Schluss, sie auch on off. Und kurz bevor sie dann wieder zusammenkommen, haben sie Geschlechtsverkehr. Und das ist eine höchst unangenehme Szene. Da ist sie aber auch schon sehr in ihrem Masochismus drin. Und es geht dann auch darum, dass sie ihn dann auch bittet, sie zu schlagen. Und er will das nicht machen. und daraufhin fühlt sie sich dann als würde mit ihr was nicht stimmen und sie fühlt sich erniedrigt und hat auch gleichzeitig das Gefühl, er ist von ihr abgestoßen, weil sie so eine... Kranken Bedürfnisse hat und es kommt zu einer richtig unangenehmen Situation. Sie unterbrechen dann ja auch, sind beide peinlich berührt.
Susi
00:33:00
Lutschen das Eis. Und Sally Rooney dreht diese Konsensdebatte. Aus meiner Sicht dreht sie die dann um. Als Testballon sozusagen, was passiert eigentlich, wenn Frauen was von Männern erwarten, was die Männer nicht machen wollen. Und auch ungewohnt, dass ein Mann dann sozusagen in der Konstruktion ist es so, er möchte mit ihr soften Sex haben und sie möchte mit ihm harten Sex haben. Das ist sozusagen auch eine Umkehrung von Genastik?
Judith
00:33:22
Ich fand es so halb. Also man könnte sagen, sie dreht es um und gleichzeitig hatte ich beim Gucken und beim Lesen das Gefühl schon so, wie sie sich ihm zur Verfügung stellt auf die Art. Also sie legt sich auch sofort auf ihren Bauch. Und da hat man schon gemerkt, sie ist jetzt sofort wieder in ihrem antrainierten, wie nennt man es, Sub, also dieses Masochismus, die Person, die sich erniedrigen lässt sozusagen. Da ist sie gerade sofort drin. Und er hätte da aus meiner Sicht schon merken können, in welche Richtung das geht. Also ich fand es schwierig auf jeden Fall.
Susi
00:33:52
Und ich glaube bei diesem Konsens, gerade wenn es um Sexualität geht oder wir sind mitten dabei, dass da so viel Peinlichkeit im Raum ist, so viel Scham und so viele Komplexe, dass man sich herabgesetzt fühlt oder gekränkt fühlt. Und ich glaube, das ist ja ein Schmerzpunkt, wo man vielleicht vorher ansetzen müsste. Ich weiß nicht, ob das irgendwie dazugehört oder weil wir Sexualität auch immer so in so eine bestimmte Ecke schubsen, die, wer weiß schon, wie Leute Sex haben. Also ich bin zum Beispiel dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk jetzt endlich mal kostenlos Pornos in die Mediathek stellen sollte, weil ich nicht will, dass mein Kind sich das dann irgendwann bei YouPorn holt, diese komische Sexualität. Wer weiß das denn, wie das aussieht, wenn zwei Menschen Sex haben? Das haben wir alle nicht gesehen und dementsprechend kann man auch so schlecht Role Models irgendwie finden und Ich glaube, genau das, was du beschreibst, das stimmt natürlich, dass dann natürlich so ein Abbruch stattfindet. Okay, dann hören wir jetzt auf und dann ein Vakuum. Was machen wir jetzt mit der aufgeladenen Stimmung? Das ist peinlich. Und die Kunst dabei oder die Romantik dabei wäre ja dann, in diesem Verbundenheitsgefühl das aufzufangen und darüber sprechen zu können. So die Klassiker, der Typ kriegt kein Hoch oder sie fühlt sich zu dick. Also ich sag mal so, ich stell mir so eine Utopie vor, wo ich sage, können wir bitte das Licht ausmachen, ich fühle mich zu dick. Und er dann sagt, klar, finde ich aber schade, weil ich finde dich wunderschön. Wäre das was?
Judith
00:35:24
Na klar.
Susi
00:35:25
Also weißt du, was ich meine, wo man auch spürt, es geht hier nicht nur darum, oh ich habe was falsch gemacht, oh ich muss mich schämen, sondern wo man das dann auch auffängt. Eigentlich würde ich sagen, wenn man beim Sex so diese Peinlichkeit hat, dann ist schon davor etwas, was passiert. Die Menschen trennt. Etwas, was sie verbergen. Etwas, wo sie sich verstellen. Etwas, wo sie sich nicht fallen lassen können. Etwas, wo sie sich nicht gegenseitig vertrauen.
Judith
00:35:48
Ja, und ich glaube, es ist auch immer noch für viele Menschen schwierig, darüber zu reden. Total. Und für mich auch. Auch das weiß man natürlich nicht genau, so wie man nicht weiß, wie Menschen Sex haben, weiß man natürlich auch nicht, wie sie darüber miteinander reden. Und ich finde halt bei Sally Rooney, deswegen fand ich es so spannend, ich habe sowas noch nicht oft gesehen, dass jemand versucht, so sehr authentisch, sagt man ja gerne, oder realistisch und ehrlich mit so einem Thema umzugehen. Und so, wie ich gleichzeitig ein bisschen dieses romantische Kribbeln gespürt habe, fand ich aber auch so wie du viele Szenen total unangenehm oder schrecklich, weil sie eben auch diese anderen Seiten zeigt. Und es geht halt schon immer viel darum, wie tief vielleicht diese Liebe auch geht, was sie überwinden kann.
Susi
00:36:32
Also ich fand auch erst mal an der Serie auffällig, dass Sally Rooney wieder mit diesen Machtgefälle versucht, das so auszuhebeln, indem sie einerseits Connell als dominanter männlicher Part, dann aber in eine prekäre ökonomische Situation platziert und Marianne, die in einer reichen Familie lebt, dann natürlich durch ihre Weiblichkeit, durch ihre Komplexe unterordnet. Und beide haben so ein Päckchen und man könnte sagen, es ergänzt sich oder es hebt sich auf. Ich würde einfach nochmal so ein bisschen provokant sagen, Ich habe so bei Normal People auch das Gefühl gehabt, dass Sally Rooney viel stärker mit einem progressiveren Männerbild operiert. Also ich habe das Gefühl, ach, die Männer sind aber spannend, die sind aber modern. Da gibt es einen Konsens, die sind irgendwie gefühlvoll, empfindsam. Nick in Conversations with Friends, der weint ständig. Also da gab es so einen, im Sinne der Romantik, sage ich jetzt mal, wo man sagt, das könnte auch eine Projektionsfigur sein, Die man sich dann auch verliebt, so wie in Jack, in Titanic oder so. Wir wollen ja irgendwie noch im Romance-Genre bleiben. Auf der anderen Seite habe ich aber bei den weiblichen Figuren das Gefühl gehabt, dass sie mit denen viel schonungsloser umgeht. Also dass diese weibliche Prägung, in der diese Verstellung da drin steckt, diese Auseinandersetzung mit Sexiness, mit begehrlich sein, mit süß sein, mit caring sein. Nein, also diese weibliche Performance als etwas Schädliches sozusagen, als etwas Selbstzerstörerisches, dass man sich selbst etwas vormacht, dass man nicht ehrlich und authentisch zu anderen sein kann, weil man so verunsichert ist, dass man sich auf bestimmte erlernte Genderstereotype dann verlässt, wie zum Beispiel sich hübsch zu machen oder auf den Bauch zu drehen und sozusagen den Sex von hinten anzubieten. Oder es gibt diese eine Szene, wo sie möchte Connell, wie soll man sagen, gefallen. Es gibt so eine Party und sie wird ja als Außenseiterin auf eine sehr interessante Weise beschrieben. Oh mein Gott, sie hat einen Zopf und einen Pony und die anderen haben halt offen das Haar und schminken sich oder so. Weißt du, was ich meine? Also das ist auch ein bisschen schwierig, diese Außenseiterrolle zu verstehen. Und dann gibt es diese Party und dann macht sie sich hübsch. Und in dem Moment versteht man...
Judith
00:38:49
Für Connell. Für Connell.
Susi
00:38:50
Und man versteht, okay, sie weiß, wie es geht. Sie weiß, wie man sich Lippenstift draufpackt. Sie weiß, wie man die Haare gut drapiert. Sie weiß, dass sie hübsch ist. Sie weiß, dass sie schlank ist. Sie weiß, was ein Dekolleté bewirken kann. Sie hat so einen Makeover-Moment irgendwie.
Judith
00:39:05
Ja, obwohl sie weiß es trotzdem nicht. Also sie kann das natürlich alles, aber sie fühlt es, glaube ich, nicht. Ja, aber sie kennt die Rezeptur. Das stimmt, aber sie fühlt sich nicht hübsch zum Beispiel. Das wird sehr oft thematisiert.
Susi
00:39:17
Aber jetzt zum Beispiel Dekolleté zu zeigen, um dadurch aufreizend zu sein, das ist etwas, wo ich sagen würde, ja, das versteht man dann irgendwann in den 90er Jahren in der weiblichen Prägung, dass das helfen könnte, Männer anzuziehen, sage ich mal.
Judith
00:39:30
Ja, das versteht man auch schnell, schon in der Kindheit versteht man das.
Susi
00:39:33
Aber das meinte ich auch mit Verstellung, dieses ich fühle es nicht. Also eigentlich ist sie viel lässiger unterwegs, aber es gibt dann eben diesen Gedanken, ich möchte aber Connals Begehren wecken und dann mache ich das jetzt, jetzt mache ich mich halt hübsch. Und Connell bleibt so in der ganzen Serie die ganze Zeit gleich angezogen. Der hat halt immer so ein Hoodie an. So, es regt mich voll auf. Und Marianne, die macht so eine Chamäleon-Reise da durch und hat Makeovers ohne Ende. Und in der Szene, wo sie dann auf diesen Ball geht, wird sie dann von einem anderen Typen begrapscht. Connell rettet sie dann und er sagt dann zu ihr. Geht es dir gut? Ich bin so eine Idiotin. Nein, du hast nichts getan. Was irgendwie so ein Sweet Moment ist von ihm. Und sie weint und meine Deutung ist, sie weint nicht nur, weil sie begrapscht wurde von dem falschen Typen und einen ekligen Moment erfahren hat, sondern sie denkt wirklich, dass es ihre Schuld ist. Weil sie diese Rezeptur angewendet hat. Weißt du, was ich meine? Und ich will damit nicht sagen, dass Frauen, die einen kurzen Rock anhaben, dass die jetzt Schuld haben, wenn die Männer anziehen.
Judith
00:40:36
Nee, Schuld haben die Männer.
Susi
00:40:38
Genau, Schuld haben die Männer. Sondern ich will dieses Paradox begreifen, dass man eben doch in dieser weiblichen Prägung in Momente kommt, wo man weiß, dass man eigentlich manipulieren wollte. Man wollte ja die Begehrlichkeit von einem Typen wecken, aber halt nicht von den anderen.
Judith
00:40:54
Ja, es ist auch ein absolutes...
Susi
00:40:55
Also du hast eine Manipulation angewendet.
Judith
00:40:57
Ja, und das ist ja auch so schwierig, weil was wir auch schon hatten, der Wert einer Frau wird ja auch definiert über Beachtung, die sie von Männern kriegt. Ich vermute auch, dass Sally Rooney selber ja, wenn sie eben sagt, sie ist Feministin, da ganz viele ihre eigenen Dilemmata so erzählt in diesen Geschichten. Und bei Marianne ist er wirklich ein super komplexer Charakter, finde ich. Und auch bei dieser Szene eben, wo sie sich, die du gerade beschrieben hast, zum ersten Mal so rausputzt sozusagen. Es geht ja auch darum, dass dann diese Clique von Connell auch mit dabei ist. Und dass sie vielleicht auch ein bisschen zeigen wollte, guck mal Conne, ich muss dir nicht mehr peinlich sein. Ich kann auch zu den anderen dazugehören. Ich kann mich genauso anpassen. Und sie vielleicht die geheime Hoffnung hatte, dass wenn er sie da sieht, dass er dann auf einmal allen verkünden kann, ja übrigens, wir sind ein Paar jetzt, wo ihr seht, dass sie ja auch sexy ist und nicht nur so eine Schreckschraube. Also ihr Außenseitertum wird ja nicht nur durch ihren Zopf so beschrieben. Sie ist ja auch schlagfertig und sagt ihre Meinung. Das ist ja das Problem, was die anderen haben mit ihr, dass sie halt frech ist, Widerworte gibt, dass sie systemkritisch ist, könnte man sagen.
Susi
00:42:05
Und auch gegen diese coolen Clique zum Beispiel sich wehrt. Ja, sie ist ja nicht so eine Arschkriecherin, die alles versucht, den Coolen zu gefallen, sondern sie ist da eher gleichgültig. Deswegen wird sie ausgeschlossen. Und wir müssen jetzt auf diesen Punkt kommen, der mich wirklich an Normal People richtig aufgeregt hat, weil du sagst, es ist eine Romance und ich hatte einen riesen, riesen Klemmer als, ne, Connell und Marion haben dann diese geheime Liebesbeziehung, weil seine Clique halt so cool ist und sie sie nicht leiden können, muss er es geheim halten, finde ich schon das erste Ding, weil die Freunde, das sind alles so wirklich Arschlöcher. Also es sind Bullshit-Friends. Es ist halt einfach nur, es geht so darum, cool zu sein. Aber warum?
Judith
00:42:46
Also was hast du jetzt davon? Er ist ja auch nur mit dem befreundet, weil er nicht auffallen will. Er will als normal und angepasst rüberkommen. Und die könnten, das können quasi auch ganz andere menschen sein also es ist egal wer das wäre er würde einfach sich natürlich ganz fiese charakterspäche absolut aber da liegt auch sein minderwertigkeitskomplex drin man musste die geschichten jetzt vielleicht nicht so mega psychologisch lesen ja aber es kommen ja total krasse themen vor marianne hat auf jeden fall eine essstörung sie entwickelt diesen masochismus und mit dem sie sich ja auch nicht gut fühlt ich will es jetzt gar nicht so bewerten wenn man das mag dann ist man irgendwie komisch sondern, Sie macht das ja auch nur, weil sie es gewohnt ist, sich minderwertig zu fühlen und über diesen Masochismus kriegt sie immer wieder Bestätigung, dass sie minderwertig ist und das braucht sie und das wird fast wie eine Sucht und also ging mir ja auch so, dass ich das von ihm schwach finde, dieses, oh man echt, du kannst das jetzt deinen Freunden nicht sagen, dass sie dich in sie verliebt, dass sie ganz plump, so ganz simpel, du hast dich einfach verliebt, so what. Und ich hatte schon mich auch gefragt, ob das nicht der Auslöser dafür ist, dass Marianne dann anfängt, immer wieder an so komische Typen zu geraten und das steigert sich ja auch. Also die werden immer brutaler und sie spricht auch selber von Misshandlungen.
Susi
00:44:05
Stichwort Minderwertigkeitskomplex, da fand ich eben diese eine Stelle so berührend, wo Connell ihr dann sagt, dass er mit Rachel zum Abschlussball geht. Sie wusste ja, das ist geheim und es wahrscheinlich nicht geht, aber irgendwie war es dann doch so überraschend für sie,
Judith
00:44:17
Dass er es wirklich durchzieht. Genau, und ich glaube, sie dachte, dass es trotzdem exklusiv ist, dass es geheim ist, aber dass es nicht heißt, dass es offen ist.
Susi
00:44:25
Ja, also an der Stelle war bei mir dermaßen der Ofen aus zum Thema Romantik, weil ich das auch erlebt habe, dass ich sozusagen so als unangepasste und nicht so coole irgendwie Mitschülerin dann nicht so jemand war, mit dem man jetzt so Trophy mäßig angeben konnte und eben auch in so Beziehungen so geraten bin. Also ich will gar nicht Beziehungen sagen. Mit Typen, die ich halt angehimmelt habe, wo es dann so war, aber so, das darf aber keiner wissen und in der Schule sind wir aber cool, ne? Und worauf ich eigentlich hinaus will, war das für mich, war das plausibel. Das war ganz normal. Das war nachvollziehbar. Dass er seinen coolen Status nicht gefährden will, sich mit der uncoolen Susi zu zeigen, das war für mich so, ja klar, easy, logisch, ich mache keinen Stress und so, ey, kein Problem. Und als ich das gesehen habe, habe ich so gemerkt, Alter, wie schlecht muss man über sich denken, über sich selbst, wenn man da sagt, ja logisch, kapiert, kein Problem, kriegen wir hin, und sich noch weiter mit dem Typen treffen und sich dann noch abservieren lassen und so. Und ich habe schon gemerkt, das macht was mit einem, das macht so das ganze Leben was mit einem, wenn man ein Stück weit von seiner Würde so weggeknabbert, gekriegt und sich aber selber mit wie so Antworten vollstopft, warum das eigentlich okay ist, weil ich halt cool girl bin, weil ich halt lässig bin, weil ich halt easy bin, sich versucht darüber wieder so aufzuwerten oder so. Aber eigentlich diese enorme Kränkung gar nicht zuzulassen, gar nicht zu reflektieren, gar nicht damit umzugehen und auch in den zukünftigen Beziehungen das irgendwie immer mitzuschleppen, dass der Typ die Ansagen macht, dass der entscheidet, welchen Beziehungsstatus man hat und ich habe dann wirklich auch eine Reihe von unglücklichen Techtelmächteln, möchte ich es mal nennen, auch gehabt. Und ich habe auch letzte Nacht noch einen Albtraum von meinem Ex-Freund, also the Ex-Freund, you know, wen ich meine, gehabt, weil das sich so tief einprägt. Da ist immer noch eine Scham in mir drin. Dass ich das mit mir habe machen lassen. Und da war für mich so, die Erzählung hätte in eine ganz andere Richtung gehen können. Und stattdessen wird mir aber erzählt, dass sie seelenverwandt sind und dass sie wesensnah sind und dass sie sich gegenseitig irgendwie verdienen oder so. Und da habe ich so gedacht, Alter, nee, Kotz, bäh. Also da wird so drüber gewischt, indem dann diese schlimmeren Typen, das ist für mich auch eine patriarchale Strategie, die Männlichkeit des einen, Protagonisten als gut und anhimmelswert darzustellen, indem man noch schlimme Typen präsentiert.
Judith
00:46:47
Und ich finde, also was du gerade gesagt hast, das ist super, super traurig und ich kann das so nachvollziehen und die Szene gibt es ja auch, wo Cornel und Marianne dann wieder auf dem College irgendwie so zusammenkommen, fragt er sie irgendwann, glaube ich, auch mal, ob sie das ihren Collegefreunden erzählen würde, dass sie mal in der Schule ein Paar waren.
Susi
00:47:03
Ach so, ob er ihr peinlich wäre.
Judith
00:47:05
Genau und will darauf hinaus. Und sie sagt, nee, ich habe den nicht von uns erzählt. Und er denkt nämlich dann auch so, ah ja, bin ich dir peinlich und so. Und sie sagt so, ich übersetze mal, nein, Alter, weil es so erniedrigend war, weil es mir vor mir selber peinlich ist. Und ich denke mir so, na klar, Dude. Also ich meine, genau was du gerade beschrieben hast, sie merkt es ja selber, was das mit ihr gemacht hat und trotzdem bleibt sie ja in dieser Minderwertigkeitsschleife leider irgendwie drin. Trotzdem glaube ich, Conne ein bisschen diese, also ich kaufe ihnen das ab, ja, die Reue und auch diese Läuterung daraus.
Susi
00:47:40
Ich wollte dich jetzt eigentlich fragen, wo du da diese Romantik jetzt reinliest.
Judith
00:47:44
Also es wird aber schon erzählt, dass sie ja dann neben dem, dass sie Sex haben, die Zeit auch mit Reden verbringen und dann auch schon sich einander vertrauen können. Also sie erzählt ihm ja auch Sachen. Ich meine, okay, sie hat sonst auch keine Freunde, die sie noch nie mal erzählt hat. Aber es geht dann ja schon auch um eine gewaltvolle Kindheit und so, die sie erlebt hat. Also es gibt ein Vertrauen und sie verändert ihn, so wird es am Ende auf jeden Fall beschrieben, dahingehend, dass sie ihn ja auch überredet, sich am Trinity für Literatur zu bewerben und es soll ja auch am Ende darauf hinauslaufen, dass er eventuell Schriftsteller wird. Er kriegt dann ja ein Stipendium für New York und damit endet ja auch die Geschichte. Das ist zu einem Zeitpunkt, wo sie wieder als erklärtes Paar irgendwie zusammen sind und sie nicht mitgehen will. Er möchte eigentlich nicht ohne sie nach New York und sie überredet ihn ja so ein bisschen oder macht ihm dahingehend Mut. Dass sie auch weiß, dass es für seine eigene Entwicklung total wichtig ist. Und auch wenn sie ihn vermissen wird, sie will halt nicht mit, soll er das auf jeden Fall machen. Und beide empfinden es als super dramatisch, was ich nicht ganz verstanden habe. Warum können sie nicht ein Paar bleiben und skypen, so wie sie es gemacht haben, als sie in Schweden war oder so?
Susi
00:49:05
Also ich würde das Ende auch so verstehen, dass es auch ein Kommentar ist auf Happy Ends. Also ich habe das Gefühl, das ist von Sally Rooney eine Überlegung, wie können feministisch erzählte Romantikgeschichten eigentlich ausgehen. Weil das Problem ist, dass wir in patriarchalen Romances haben ist und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende, dass wir nicht sehen, wie es weitergeht. Der Prinz rettet die Prinzessin, aber wie sie sich dann die Kehrarbeit aufteilen, das sehen wir ja dann nicht. Und in dieses Dilemma kommst du ja rein, wenn wir, das haben wir ja am Anfang auch aufgemacht, dieses Kribbeln versus die Langstrecke dann erzählst und das könnte sie machen, wenn sie jetzt noch drei Romane danach schreibt, aber ist das dann noch Romance oder ist das dann schon wieder das Ehedrama oder so und was sie hier gemacht hat, war so ein weder noch, weißt du was ich meine? Also man denkt so, ist das eigentlich, ist das ja genau, ist das ein offenes Ende, ist das ein schlechtes Ende oder ein gutes Ende, weil es ist ja nicht so, dass sie nicht mehr zusammenkommen können. Er ist jetzt erstmal ein Jahr in New York, wenn er wiederkommt, können sie wieder zusammen sein und ich fand, es haben sich ganz viele Möglichkeiten ergeben, jetzt mal zu diskutieren, weil für mich sich schon die Frage stellt, also der geht jetzt nach New York und soll jetzt monogam mit einer Fernbeziehung sein.
Judith
00:50:13
Das müsste es ja nicht bedeuten.
Susi
00:50:15
Man kommt so ins Denken, also in welchen Szenarien fühle ich mich jetzt wohl, wenn wir jetzt eine Fernbeziehung haben und wie soll das jetzt laufen? Und sie haben sich halt schweren Herzens entschieden, wie so eine Art Pause oder also so Und das fühlt sich irgendwie unbefriedigend an, aber so ist das Leben auch manchmal. So ein Dilemma aus, will ich jetzt eine Fernbeziehung führen, aber eigentlich liebe ich ihn, aber weißt du, es ist... Das finde ich schon irgendwie lebensnah, weil ich hätte es auch nicht cool gefunden, wenn Marianne mitgegangen wäre. Weißt du, so dieses, cool, ich bleibe immer mit meinem Freund zusammen.
Judith
00:50:49
Na außer, sie hätte da auch eine coole Jobmöglichkeit.
Susi
00:50:52
Ich wollte gerade sagen, was mich halt auch extrem nervt an Marianne ist, dass sie halt keine Freundin hat. Das finde ich halt total tragisch.
Judith
00:50:58
Ja, sie hat dann diese Joanne, die steht tatsächlich noch hinter ihr. Aber ja, sie braucht ein besseres soziales Auffangennetz. Die hängt auch am Connell. Total, weil sie ja aber auch diesen familiären Background nicht so hat. Das ist ja auch nochmal zwischen den beiden ein riesen Unterschied, dass er immer seine superloyale, verständnisvolle, liebe, coole Mama hat. Und Marianne hatte einfach diesen Scheißbruder und diese Scheißmutter, die sie halt schlecht behandeln. Das tut auch weh.
Susi
00:51:23
Das mit zu sehen. Sie ist allein, sie ist einsam. Und auf der anderen Seite nochmal zum Ende zu kommen, wenn Connell bleiben würde, um in der Beziehung zu bleiben, würde ich es genauso als tragisches Ende eigentlich empfinden, weil du ja auch nicht weißt, wie sich die Beziehung weiterentwickelt und weil ich das nicht, jetzt kommen wir wieder zum Feminismusbegriff, ich finde das nicht feministisch, das größte Glück des Lebens in eine monogame, lebenslange Beziehung zu suchen. Das ist sehr schwierig, dass sich das erfüllt. Das ist viel schwieriger. Ich will jetzt nicht sagen, als nach einem coolen Job zu suchen, das würde ich jetzt auch ein bisschen banal finden, aber so eine Lebensgestaltung, die selbstwirksam ist und ein Blick auf Liebe und auf Romantik, der ein bisschen weiter ist als nur auf einen monogamen Partner. Also deswegen würde ich dieses Freundinnen-Thema immer, ich bringe es ja immer mit rein, weil ich durch den Feminismus auch gelernt habe, das viel, viel höher zu schätzen und zu stellen als etwas, was mir total viel Halt gibt und total tiefe, enge Beziehungen sind.
Judith
00:52:25
Das ist ja auch die Interpretation von der Studie nochmal kurz, wo es darum ging, dass Männer sich wohl mehr feste Beziehungen wünschen als Frauen und, Und Frauen das wohl, also das ist die Erklärung, das nicht so nötig haben, weil sie ein besseres soziales Auffangnetz haben, weil sie ihre Freundinnen schafften, besser pflegen und da mit Menschen über emotionale Themen reden können. Aber ich glaube, was mein Wunsch gewesen wäre, also ich finde es auch okay, das Ende offen zu halten, aber mit so einer kleinen Portion mehr Hoffnung. Trotzdem gebe ich dir recht, es gibt so einen schönen Spruch von Tucholsky und darum wird beim Happy End im Film mir wöhnlich abgeblendet.
Susi
00:53:03
Und dazu habe ich auch noch Oscar Wilde mitgebracht.
Judith
00:53:05
Ah, also Tirolski und Oscar Wilde.
Susi
00:53:09
Und zwar, ich glaube, das ist ein Zitat, was ich mal aus irgendeinem Leo-Film aufgeschnappt habe. Aber ich konnte es nicht mehr rekonstruieren. Also Oscar Wilde hat gesagt, nur die unerfüllte Liebe kann romantisch sein.
Judith
00:53:19
Ja, das ist super. Ja, das stimmt. Und das macht Teddy Rooney jetzt aber auch. Genau, das habe ich auch schon mal. Und du hast recht. Und das ist auch mein Romantik-Betuch.
Susi
00:53:28
Ehrlich gesagt, nee, genau. Deswegen Romantik geht nicht in die Landzeit. Genau, genau. Deswegen sage ich, Romantik ist Fiktion. Es ist wirklich ein fiktionaler Raum, weil wer schon mal unglücklich verliebt war, so wie ich, viele, viele Male weiß, dass unerfüllte Liebe auch ganz und gar nicht romantisch sein kann, sondern ganz, ganz schrecklich. Deswegen ist Romantik einfach für mich ein reiner Genrebegriff. Also wo ich mich jetzt einfach auch mal von dem Druck entledige, den in meinen Alltag zu integrieren und eher zu fragen, weißt du nicht, ist Feminismus der Romantik-Killer? Wenn wir jetzt nämlich sagen würden, ist Feminismus ein Liebeskiller, würde ich sagen, nein, auf keinen Fall. Feminismus kann viel tiefere Verbindungen schaffen. Und diese Romantik ist für mich eher so eine Ausgestaltung. Das hat viel mehr mit Ästhetik für mich zu tun und eben mit einem Traum, mit einer Sehnsucht. Als dass das in meiner Lebensrealität nachahmbar wäre.
Judith
00:54:21
Meinst du, du wirst deswegen auch keine Liebesfilme mehr gucken?
Susi
00:54:23
Gute Frage. Sie müssen mal gute Liebesfilme machen. Also es funktioniert nicht mehr, aber das sind nicht mehr meine SchauspielerInnen. Weißt du, man guckt so drauf und denkt so, findest du den heiß? Nee, wenn die Typen dann jünger werden, dann denkst du so, ah nee.
Judith
00:54:39
Es gibt ja auch manchmal so Liebesfilme mit so Menschen.
Susi
00:54:42
Also bei Bridgerton war ich volle Möhre dabei. Da bin ich total obsessiv. Das macht mir auch Spaß, das zu gucken. Nee, ich will noch weiter Romantik haben. Fiktionale Romantik. Genau, wenn wir jetzt so Richtung Schlusswort gehen, wollte ich nämlich auch noch mal das Buch Unlearn Patriarchy mit reinbringen. Da gibt es ein Essay von Emilia Reuk, die über Unlearned Love geschrieben hat. Also Feministinnen beschäftigen sich natürlich damit. Also was ist Liebe? Wie können wir feministisch lieben? Wie geht das auf Augenhöhe? Und bei ihr ist das Fazit und das sehe ich ehrlich gesagt bei Sally Rooney auch, dass es mit Selbstliebe anfängt und es ist super kitschig und super plump irgendwie. Aber ich finde in der Summe von den ganzen Komplexen und den ganzen Problemen, die diese Figuren haben, Und sehe ich wirklich das große Thema, sich selbst wirklich zu mögen und sich selbst auch einen Wert zu geben und zu sagen, ich bin es mir wert, einvernehmlichen Sex zu haben. Ich bin es mir wert, dass ich Anerkennung bekomme für die Fürsorgearbeit, die ich immer oder was auch immer. Und vielleicht ist es gerade so irgendwie mein obsessiver Fokus mit dieser weiblichen Prägung, aber ich sehe viele Dinge in mir, wo ich nicht authentisch sein kann, so wie Marianne. Ich glaube, deswegen habe ich sie auch an vielen Stellen so abgelehnt, weil ich was gesehen habe, was ich selber manchmal mache. So zu tun, als süß zu sein, nett zu sein, sich zu versuchen aufzubüschen, mache ich jetzt nicht mehr, aber habe ich früher gemacht, lustvoll sinnlich zu sein, auch wenn ich es gerade nicht fühle oder so. Und das ist gerade so ein Thema bei mir, so zu hangeln zwischen, ich will irgendwie Feministin sein und ich will Weiblichkeit feiern, aber mir ist Weiblichkeit auch irgendwie egal, aber ich bin stark weiblich geprägt, aber ich muss das irgendwie reflektieren, ablösen. Also das sind so Themen, die bei mir gerade im Kopf rattern und deswegen Selbstliebe klingt enorm einfach und total unerreichbar auf der anderen Seite, aber ist so ein ongoing Thema so bei mir.
Judith
00:56:44
Wow. Wichtiges Thema und ich finde auch eine der schwierigsten Sachen im Leben, also immer wieder, auch das zu reflektieren, immer mal wieder im Leben halt, habe ich mich gerade ausreichend selber lieb oder pflege ich mich, kümmere ich mich um mich selber, also total wichtig und das wünsche ich uns beiden ganz toll und auch allen da draußen, die uns hören.
Susi
00:57:05
Okay, ihr Lieben, in diesem Sinne, bleibt unbequem. Wenn euch der Podcast gefällt, dann sagt es doch bitte euren besten Freundinnen weiter.
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00:57:13

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