53. Feministische Analyse der NDR Paartherapie von Jo Lücke

Warum Paartherapie ohne Care-Arbeit, Mental Load und Gender-Bias nicht funktionieren kann.

11.12.2025 54 min

Zusammenfassung & Show Notes

Paartherapie ohne Care-Gap, Mental Load und Gender-Bias mitzudenken ist zum Scheitern verurteilt.

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👩‍❤️‍👨 ndr Paartherapie
Die ndr Paartherapie begleitet Paare bei ihren Beziehungskrisen ohne dabei zentrale Themen wie der Gender-Care-Gap, Mental Load und Gender-Bias zu berücksichtigen.

In Staffel 3 ist bei Anna & Armando kaum noch ein Gespräch möglich, so viel Verletzung und Misstrauen ist zwischen den beiden entstanden. Doch statt ungleiche Erwartungen, emotionale Arbeit und strukturelle Rollenmuster zu thematisieren, konzentriert sich der Therapeut auf individuelles Verhalten. Eine riesige Lücke, denn ohne feministische Perspektive bleiben die Ursachen unsichtbar.
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🎙️ Zu Gast: Jo Lücke
Jo Lücke ist Expertin für Sorgearbeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie hat 2025 die Liga für unbezahlte Arbeit gegründet – und sie macht messerscharfe Analysen und Erklärvideos auf Instagram. Die ndr Paartherapie liefert ihr die besten Beispiele, um Ungleichheit in der Beziehungs- und Sorgearbeit sichtbar und verständlich zu machen.
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Cover: Danke an Scarlett Nimz
Musik: Heyohmann!

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Transkript

Susi
00:00:00
Hallo, hier ist Susi von Verbitter Talentlos. Ihr hört es schon, es ist Erkältungszeit. Ich stehe auch schon mit einem halben Bein in den Weihnachtsferien. Der Kleine hat in den letzten zwei Monaten irgendwie dreimal Bronchitis. Also ich sage es euch, Herbst, Winter ist keine gute Zeit zum Podcasten. Normalerweise würde ich jetzt eine Winterpause einlegen, aber ich hatte noch eine ganz gute Idee für eine Feature-Folge. Ich hatte es ja, glaube ich, schon mal im Podcast erwähnt, dass ich süchtig nach NDR Paartherapie bin. Das ist eine Reality-Show und ich reg mich einfach so, so, so sehr darüber auf, dass dieser Paartherapeut scheinbar noch nie was von Gender-Stereotypen gehört hat. Er weiß nicht, was Gender-Bias ist. Er hat auch irgendwie überhaupt keine feministischen Begriffe irgendwie am Start, also sowas wie Mental Load oder Care-Arbeit, das spielt nie eine Rolle. Es ist auch immer so dasselbe Muster. Also sie ist halt komplett fertig, weil sie einfach so basically alles übernimmt. Und er wundert sich, warum sie so schlechte Laune hat. Und der Therapeut hat da aber ganz andere Ideen. Also da ist sehr, sehr viel aufzuarbeiten. Und ich habe auf Insta eine feministische Kollegin entdeckt. Sie heißt Jo Lücke. Und sie hatte schon zu den vergangenen Staffeln immer mal wieder so kleine Reels gemacht. und diese Sitzung analysiert. So, und sie habe ich jetzt angeschrieben, ob sie das jetzt bitte für die dritte Staffel Anna und Armando machen kann. Es hat mir einfach den Schlaf geraubt und ich freue mich sehr, dass sie zugesagt hat. Und auch wenn ihr NDR Paartherapie vielleicht noch nicht geguckt habt oder auch gar kein Interesse habt, würde ich mich trotzdem freuen, wenn ihr euch die Folge anhört. Weil wir hatten das Thema nämlich schon mal in dem Gespräch mit Barbara Peveling, wo es um häusliche Gewalt ging. Da hat sie nämlich von ihrer Paartherapie auch erzählt und sie hatte ja eine Form von Gewalt in ihrer Beziehung erlebt und in der Paartherapie wurde das aber nicht gesehen, sondern das wurde eher wie so quasi normale Crowels zwischen so heterobinären Pärchen gesehen, weil es keine feministische Vorbildung gab, weil es nicht die Sensibilisierung zum Thema Gender Bias gab. Und ich hatte damals noch so gedacht, das ist irgendwie so ein Basic, also dass wenn man Paartherapie macht, dass das automatisch ein Thema ist, dass man halt weibliche, männliche Sozialisierung damit reinfließen lässt, weil das sind ja nicht alles individuelle Themen, die wir anlegen. Das sind ja auch einfach gesellschaftliche Normen, die wir reproduzieren. Deswegen bin ich immer davon ausgegangen, wenn ich jetzt in eine Paartherapie gehe, dass das mitgedacht wird, aber nope. Und das sehen wir jetzt eben auch in der NDR-Paar-Therapie und deswegen glaube ich, ist das eine sehr, sehr, sehr spannende Analyse von Jo Lucke. Sie wird sich gleich selber nochmal vorstellen und das Ganze kontextualisieren. Und mir ist noch wichtig, wenn euch der Podcast gefällt und wenn ihr mich unterstützen wollt, dann könnt ihr das machen mit einer bezahlten Mitgliedschaft auf Steady. Bei Steady ist es so, es gibt verschiedene Pakete. Das fängt bei drei Euro im Monat an. Ihr könnt ein Abo abschließen, ihr könnt es monatlich machen, wie ihr wollt, wie es zu eurem Portemonnaie passt. Es ist natürlich jederzeit kündbar und ihr helft mir, diesen Podcast kostendeckend zu gestalten. Ich bin ein Indie-Podcast. So cool, wie sich das anhört, ich bin alleine. Komplett. Ich recherchiere alleine, ich mache die Akquise alleine, den Schnitt, die Produktion, den Begleit-Content, die Distribution. Und dafür investiere ich nicht nur Zeit, sondern natürlich auch Geld. Also das kostet auch was. Ich brauche Software, es gibt einen Host und so weiter. Und an dieser Stelle an alle Mitglieder, die bereits da sind, ein riesen, riesen, riesengroßes Dankeschön. Das hat auch eine gewisse Verbindlichkeit, dass ich merke, ich sende nicht ins Leere, da sind Menschen, denen ist das wichtig. Die freuen sich auf jede neue Folge. Und wo wir schon beim Thema Steady sind, dort findet ihr auch mein Newsletter. Dort bekommt ihr jeden Monat meine Tipps für feministische Bücher, Serien, Podcasts, alles, was mir gerade so unterkommt. Und auch da ist es nicht nur eine kostenlose Dienstleistung, sondern es ist auch der Versuch, von den Tech-Bros wegzukommen, sprich den Ausstieg aus Social Media zu schaffen und zukünftig einfach direkt mit meinen HörerInnen in Kontakt zu treten. Deswegen freue ich mich, wenn ihr den Newsletter abonniert. So, und jetzt gehen wir rein in NDR Paartherapie mit Jo Lücke. Viel Spaß und bleibt unbequem, ihr Lieben.
Jo Lücke
00:04:38
Es sind die Frauen, die verantwortlich gemacht werden für das Gelingen einer Beziehung. Wenn eine Beziehung scheitert, werden immer die Frauen gefragt, warum sie denn gescheitert sind. Dadurch, dass der Therapeut der Frau sagt, Sie möge ihre Formulierungen so anpassen. Damit er es aushalten kann, Zu ertragen, wie sehr er sie durch sein Verhalten verletzt. Also mir platzt wirklich der Kopf, ehrlich gesagt. Wo fängt man da an? Wo fängt man da an? Ich finde es wirklich sehr, sehr schwer erträglich, das jetzt weiter zu schauen. Hallo und herzlich willkommen zu diesem Spezial die Paartherapie. Ich bin Jo Lücke, ich bin politische Bildnerin und ich arbeite als Trainerin für geschlechtersensible Beratung. Ich bitte Workshops an für Menschen, die sich mit gleichberechtigter Verteilung von Care-Arbeit beschäftigen möchten und ich habe die Liga für unbezahlte Arbeit gegründet, die gewerkschaftsähnliche Organisation und Interessenvertretung für alle, die unbezahlt Care-Arbeit leisten. Ja und heute bin ich hier auf Einladung, weil ich nämlich auf Instagram mich mit der Sendung die Paartherapie schon häufiger beschäftigt habe. Und jetzt hier mir den Fall von Anna und Armando aus der dritten Staffel nochmal genau angucken soll. Für diejenigen, die vielleicht diese Sendung nicht kennen, diese Sendung wird im NDR gezeigt. Es funktioniert so, dass Paare für eine Ganztagssitzung zu dem Paartherapeuten Erik Hegemann kommen. Es werden aber auch so ein bisschen Home-Stories dazu gedreht, wo die Paare auch zu Hause gezeigt werden und wo sie eben nochmal Details aus ihren Beziehungen oder aus ihrem Alltag schildern können. Anna und Armando kommen jetzt zu dieser Paartherapie, weil sie in einer krassen Beziehungskrise stecken. Die beiden sind verheiratet, sie haben zwei Kinder. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie alt sie sind, aber ich denke so drei und fünf oder sowas. Und sie wollen jetzt mit Erik Hegmann ihre Themen besprechen, mit dem Ziel, sich vielleicht doch nicht zu trennen, beziehungsweise das Ziel ist eigentlich nicht so ganz klar. Das möchte ich eben auch noch vorausschicken. Diese Sendung ist natürlich zusammengeschnitten aus dieser Ganztagssitzung Und wir sehen. Nur bestimmte Szenen. Wir sehen das, was eine Regie entschieden hat, das wir sehen sollen. Das heißt, wir müssen das immer mitdenken, dass es möglicherweise noch Momente gibt, die wir nicht sehen. Und allerdings, und dafür habe ich eben jetzt auch schon einiges von dieser Serie gesehen, gibt es schon Muster, die man erkennen kann und wo man sagen muss, naja, also die Wahrscheinlichkeit, dass hinter den Kulissen Dinge passieren, die grundlegend anders sind als das, was wir sehen, ist relativ gering. Mein Blick auf diese ganze Sendung ist absolut kritisch. Ich gucke auf diese Paare mit einem gendersensiblen Blick. Das bedeutet, dass ich nicht nur auf die individuellen Probleme schaue, Die die Menschen mitbringen, sondern dass ich das. Was die Paare erzählen, auch immer als ein Symptom betrachte von strukturellen Zusammenhängen, die auch in diese Problematik mit reinspielen. Zum Beispiel, und das ist jetzt passend zu Anna und Armando,
Susi
00:07:59
Wenn eine Frau sagt.
Jo Lücke
00:08:01
Ich fühle mich nicht gesehen, dann ist das nicht nur ein persönliches Gefühl. Es ist auch oft das Ergebnis von Care-Arbeit, die nicht gesehen wird, von Mental Load, der nicht gesehen wird und einer ebenfalls nicht gesehenen Erwartung, Dass sie für das Gelingen der Beziehung verantwortlich ist. Das heißt also, es spielt in dieses Nicht-Gesehen-Gefühl nicht nur der. Partner mit rein,
Susi
00:08:28
Sondern eben auch ganz viele Faktoren.
Jo Lücke
00:08:30
Die in dieser Beziehung gar nicht individuell sind, sondern die wir in ganz großen gesellschaftlichen Zusammenhängen auch immer sehen, nämlich, dass die Verantwortung für die Care-Arbeit, für die Mental Load, für das Gelingen der Beziehung bei der Frau verortet ist und das ganz selbstverständlich, Also unausgesprochen. Und dass das eine Erwartungshaltung ist. Die wiederum dann Auswirkungen hat auf die Beziehung und darauf, wie man sich in dieser Beziehung dann fühlt. Wenn auf der anderen Seite ein Mann sagt, ich bin müde vom Rechtfertigen, so wie das in dieser Folge auch Armando sagt, Dann ist es. Oft nicht nur eine persönliche Erschöpfung. Es ist auch das Ergebnis von einem Verständnis von Männlichkeit, bei dem es große Schwierigkeiten gibt, Gefühle zu zeigen und das Ergebnis einer Erwartungshaltung, dass der Mann immer stark und autonom sein muss und sich eben nicht rechtfertigt. Also die Müdigkeit entsteht nicht nur durch den Rechtfertigungsdruck. Sondern auch aus eben einer großen Anstrengung, die damit einhergeht, die wiederum daraus folgt, Dass man als männlich. Sozialisierte Person oft sehr stark entfremdet ist von diesen Gefühlen und von diesem Sprechen über Gefühlen. Und dass es gleichzeitig wie eine Art Abwertung der eigenen Person ist, Wenn man sich von Gefühlen getrieben zeigt. Das sind eben zwei Beispiele dafür, Wo eine gendersensible Praxis oder eine gendersensible Beratung diese Faktoren mit einbeziehen kann und guckt. Welche Rolle sie dann für diese Individuen spielt. Das ist deswegen wichtig, weil nur dann, wenn man darüber spricht. Man sich auch davon emanzipieren kann. Also wenn sie sagt, ich fühle mich nicht gesehen, Dann ist es wichtig. Eben dieses auch zu thematisieren und das explizit zu machen, dass sie eben mehr Kehrarbeit leistet, dass sie die Mental Load trägt, dass sie sich verantwortlich fühlt, damit sie eben überhaupt erstmal in die Position versetzt wird, Sich von diesen Themen abgrenzen zu können und zu sagen. Diese Aufgabe nehme ich nicht mehr an oder diese Verantwortung lehne ich ab. Dafür muss man aber erstmal explizit darüber sprechen, dass diese Erwartungshaltung existiert. Bei ihm genauso. Diese Müdigkeit vom Rechtfertigen, diese Erschöpfung von den Konflikten als Ergebnis von einem Männlichkeitsbild zu betrachten, ist deswegen wichtig, weil man sich dann erst eigentlich darauf einlassen kann, auf diese Rechtfertigung. Also, dass man guckt, Was ist denn das. Was mich daran ermüdet? Warum macht es mich denn so fertig, über meine Probleme zu reden? Warum lehne ich das auch so stark ab überhaupt, diese Themen anzusprechen und auszudiskutieren? Was macht das denn mit mir und meinem Selbstwert zum Beispiel oder meinem Verständnis als Mann? Und lehne ich das überhaupt ab oder ist es etwas, was mir von außen eigentlich aufdiktiert wurde, weil ich denke, naja, als Mann muss man sich nicht rechtfertigen, als Mann muss man autonom sein und als Mann muss man über Seinen Gefühlen stehen. Sind das vielleicht Themen. Die für mich auch eine Rolle spielen dabei in dieser Ablehnung und ist das etwas, was ich möglicherweise überwinden kann, weil ich es eben nicht als meine persönlichen Werte identifiziere, um dann ins Gespräch zu gehen mit meiner Partnerin darüber, auch sich selbst verletzlich zu zeigen. Wenn man also diese Erwartungshaltungen, die man verinnerlicht hat, als solche identifiziert, versetzt einen das überhaupt erst in die Lage, sich davon zu emanzipieren und das gilt für alle Beteiligten. In diesem Fall der Paartherapie passiert das nicht und ich benutze diese Fälle als Beispiele in meinen Seminaren dafür, wie Man es nicht. Machen sollte oder wie eine nicht gendersensible Beratung erfolgt und Welche Konsequenzen das. Hat, zu welchen Auslassungen es führt. Und das gucken. Wir uns auch jetzt an für den Fall von Anna und Armando.
Einspieler NDR Paartherapie
00:12:28
Ich habe jetzt ganz lange Zeit, wirklich die ganze Zeit so das Augenmerk auf mich gehabt. Was kann ich jetzt ändern? Was kann ich anpassen, damit Amando quasi besser mit mir leben kann? Aber irgendwann ist halt ein Tropfen zu viel und man denkt sich, nee, ich bin hier nicht alleine das Problem. Wir müssen beide irgendwie ändern. Ich hatte bis jetzt immer das Gefühl, wenn ich Dinge ändere, dann alles gut werden kann. Und da war ich halt nicht mehr bereit zu. Und da habe ich jetzt die letzten zwei Wochen halt auch eine dicke Mauer hochgezogen, eine dicke Wand irgendwie gehabt. Ich weiß auch nicht, wo die herkamen, dass ich jetzt so zugemacht habe. Ich habe halt auch einfach das Gefühl, dass da ein Riesenteil stolz auch ist. Mhm. Ein großer Teil Angst.
Jo Lücke
00:13:21
Das hat sie nicht gesagt. Sie hat nicht über Angst gesprochen. Das ist ein Punkt, der immer wieder auffällt, dass der Paartherapeut den Leuten Aussagen in den Mund legt, die sie so nicht getätigt haben. Worauf ich an dieser Stelle eigentlich hinaus möchte, ist, dass Anna sich verantwortlich fühlt. Sie fühlt sich verantwortlich dafür. Dass die Beziehung gelingt. Sie hat versucht. Sehr bei sich Zu bleiben und versucht. Dinge zu verändern, um dann festzustellen, Vielen Dank. Nee, also eigentlich bin ich ja eben nicht alleine. Wir sind ja zu zweit in dieser Beziehung und es funktioniert nicht. Wenn ich die Einzige bin, Die sich hier bewegt. Und dann hat sie eine Mauer hochgezogen und diese Mauer ist nichts als Selbstschutz. Und das ist auch das, Was sie mit dem. Begriff Stolz versucht zu beschreiben aus meiner Sicht, dass es nämlich so einen Punkt gibt des gesunden Selbstschutzes, wo man sagt bis hierhin und nicht weiter und alles andere, wenn ich jetzt noch weitergehe und noch weiter auf meinen Partner eingehe und noch mehr versuche mich anzupassen oder meine Gefühle zu unterdrücken und mich zu verändern, dann verändere ich meine Persönlichkeit so sehr, dass ich das nicht mehr bin. Und das kann man auch mit dem Begriff Stolz beschreiben. Mit Angst hat das nicht so viel zu tun aus meiner Sicht. Ich weiß nicht, wie der Paartherapeut darauf kommt. Dieser Selbstschutz ist wirklich etwas sehr, sehr Positives und gleich wird der Therapeut sagen, dass ein Teil von ihr ja gerne ohne diese Mauer leben möchte und warum. Aber das ist eigentlich an der Stelle aus meiner Sicht nicht der Punkt. Es geht darum, dass sie sich selbst schützen möchte und dass sie sich aber gleichzeitig für die Beziehung verantwortlich fühlt, was komplett einem Stereotyp entspricht. Es sind die Frauen. Die verantwortlich gemacht werden für das Gelingen einer Beziehung. Wenn eine Beziehung scheitert, werden immer die Frauen gefragt, Warum sie denn gescheitert sind. Ob sie zu viel gemeckert haben. Das Thema Furie kam auch schon im Intro auf, Also dass sie sich schon vorkommt. Als wäre sie da so ein Drachen, was ja auch ein totales Stereotyp ist. Die meckernde Hausfrau, the nagging wife und sowas. Und auch hier kann man ganz deutlich ablesen, sie fühlt sich verantwortlich, sie geht immer in die Vorleistung und gerät dann aber nicht, also es gibt keinen Resonanzraum quasi von seiner Seite, Kommt nichts zurück. Sie beschreibt es auch, dass sie das Gefühl hat, er möchte nichts mit der Familie machen, er möchte nichts unternehmen. Das heißt, sie probiert da die Beziehung und die Verbindung. Am Laufen zu halten Und von ihm kommt aber nichts zurück.
Einspieler NDR Paartherapie
00:15:58
Also Armando hat in den letzten... Bleibt mal bei dir. Geht mal nicht zu ihm. Bleibt mal bei dir. Warum die Mauer? Du hast eine Mauer hochgezogen. Da ist ein Teil von dir, der sagt, ich würde gerne ohne diese Mauer leben.
Jo Lücke
00:16:12
Der Therapeut, der framet diese Mauer als Hindernis in der Beziehung. Ohne aber darauf einzugehen, Warum sie diese Mauer braucht. Was wiederum mit ihrer Rolle als Frau In der Beziehung. Die für alles verantwortlich ist, zu tun hat. Das ist eine ganz, ganz grobe Auslassung an der Stelle. Wenn man nicht darüber nachdenkt, warum ist diese Mauer da. Dann fehlt da einfach eine wichtige Information. Und die Information ist, dass sie sich in dieser Beziehung so verausgabt, dass sie sich selbst vollständig verliert. Das ist etwas, was dann wiederum für die Paarbeziehung ja eine extrem wichtige Dynamik ist und die man eben mit einem gendersensiblen Blick erkennen kann, aber wenn man den nicht besitzt, dann sieht man eben diese Funktion an der Stelle auch nicht, sondern man sieht einfach ganz allgemein irgendeine Verletzung, dann zieht man eine Mauer hoch, Wenn man nicht mehr verletzt werden möchte. Aber die absolute Überlebenswichtigkeit dieser Mauer für Anna wird völlig verkannt. Der Therapeut fragt dann, warum sie ohne diese Mauer leben möchte. Legt ihr das wiederum auch in den Mund, dass sie ohne diese Mauer leben möchte? Aber das ist an der Stelle nicht der Punkt. Sie möchte natürlich sich verletzlich zeigen. Sie möchte nicht klein gemacht werden. Das ist etwas, was sie auch beschreibt. Geht der Therapeut auch nicht darauf ein. Und sie möchte in einer Beziehung leben, In der eben ihre Integrität nicht so bedroht ist. Wie sie derzeit bedroht ist. Am Anfang von Folge 2, wenn Anna dann beschreibt, wie sehr sie sich wünscht, sich in Amandos starke Arme zu begeben, ist auch wiederum natürlich ein Stereotyp. Also die Frau, die sich in die starken Arme des Mannes begibt, die sich dort wohlfühlen will. Aber im Grunde genommen, und das ist jetzt meine Interpretation, geht es ihr eigentlich um diese Beziehung auf Augenhöhe. Also eine Beziehung, in der sie auch mal schwach sein kann, In der sie nicht immer. Diejenige sein muss, die sich zusammenreißt, die emotional verfügbar ist, die ihre Interessen oder ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse runterschluckt, um dann für die Familie da sein zu können, um das Familienleben am Laufen zu halten. Sie wünscht sich einfach eine Beziehung, in der sie auch mal einen schlechten Tag haben kann, ohne dass dann alles zusammenbricht. Das ist meine Interpretation ihrer Schilderung an der Stelle. Und es wird einfach so hingenommen, als eben in diesem Stereotyp eine Frau sucht die starken Arme, er muss diese starken Arme irgendwie bereitstellen, das wird nicht weiter befragt. Dann kommt die Stelle. Für die ich wirklich Schmerzensgeld bräuchte.
Einspieler NDR Paartherapie
00:18:45
Manchmal war es mir auch zu viel. Manchmal wurde ich auch ein bisschen zu klein gehalten. Versuch mal bei dir zu bleiben und nicht in die Vorwürfe zu gehen, wenn es gelingt. Ich weiß, es ist schwieriger. Aber es macht es Armando leichter, es zu halten. Weil der hört jetzt gerade deinen Schmerz. Und das ist für ihn schwierig auszuhalten. Also da fehlen mir wirklich die Worte. Drei Minuten vorher hat er zu ihr gesagt, sie möge doch bitte bei sich bleiben. So und jetzt sagt er ihr, sie solle Armando keine Vorwürfe machen, damit es für Armando leichter ist, ihren Schmerz zu halten. I mean WTF. Ich weiß nicht wirklich, mir fehlen wirklich die Worte. Sie kann nicht bei sich bleiben,
Jo Lücke
00:19:33
Wenn sie beständig mitdenkt, was er gerade fühlt und wie das. Was sie sagt, bei ihm gerade ankommt. Und genau das ist doch Teil des Problems, was sie gerade geschildert hat. Sie sagt doch, ich möchte auch mal schwach sein. Ich möchte auch meine Gefühle zeigen können. Ich möchte auch mal gehalten werden. Und was der Therapeut sagt in dem Moment ist, Armando kann es nicht halten. Er ist nicht in der Lage, Ihren Schmerz auszuhalten. Er macht sie dafür verantwortlich, Dass sie ihre Gefühle mal wieder so verpackt, dass er es aushalten kann. Es geht nicht um sie, es geht um ihn und den armen Mann, der den Schmerz seiner Frau nicht aushalten kann, der die Vorwürfe nicht aushalten kann. Und das ist, ich weiß gar nicht, wie viele Stereotype da bedient werden. Also ich verstehe wirklich nicht, wie man ernsthaft sowas formulieren kann, ohne darüber nachzudenken, welche Stereotype man da bedient und wie man diese Stereotype auch noch verstärkt in dem Moment. Dadurch, dass der Therapeut der Frau sagt, Sie möge ihre Formulierungen so anpassen. Damit er es aushalten kann, Zu ertragen, wie sehr er sie durch. Sein Verhalten verletzt. Also mir platzt wirklich der Kopf, ehrlich gesagt. Wo fängt man da an? Wo fängt man da an? Ich finde es wirklich sehr, sehr schwer erträglich, das jetzt weiterzuschauen. Denn es geht jetzt wiederum um die Mauer und dass sie angeblich Energie da reinsteckt, diese Mauer aufrecht zu erhalten, also mehr Energie in die Mauer steckt, als in quasi die Beziehung oder in die Auseinandersetzung mit ihrem Partner. Es wird einfach völlig außer Acht gelassen, Dass es eine Grenze gibt. Eine Untergrenze, unter die man sich nicht weiter bewegen kann, weil man sich sonst so selbst verliert, dass einfach diese Partnerschaft nicht mehr funktioniert. Und genau das hat ja Anna beschrieben vorher mit anderen Worten, als ich sie jetzt benutze. Aber ich check nicht, wie man das nicht verstehen kann, wie man das nicht sehen kann, Wie man mit so merkwürdigen Allgemeinplätzen. Mauer einreißen, innere Zerrissenheit diese Situation so abwerten kann, dass sie überhaupt nicht mehr die Schwere besitzt, die sie ja tatsächlich hat. Und es wird für Anna in diesem therapeutischen Setting genau das reproduziert, was sie vorher auch schon erlebt hat. Sie sagt ja, sie wünscht sich, Dass sie ernst genommen wird. Und sie wird auch in diesem Setting nicht ernst genommen. Es wird ihr nicht zugehört. Ja, es geht dann weiter mit Armando, der seine Seite der Situation schildern soll und der übrigens nicht daran erinnert wird, bei sich zu bleiben, sondern der frei darüber sprechen kann, Wie das, was Anna macht. Auf ihn wirkt.
Einspieler NDR Paartherapie
00:22:36
Dass ihre Emotionen manchmal darauf basieren, auf ihren Annahmen. Er will mich nicht, das interessiert ihn nicht, das ist ihm egal. Das Schlussfolger ist ja aus gewissen Verhaltensweisen, gewissen Aussagen, sonst irgendwas, aber das ist nicht unbedingt der Fall. Und was ich dann anstrengend finde und was mich dann halt tatsächlich auch nervt, ist, dass mir dann unterstellt wird, dass es irgendwas so ist, wie es ist. Sie darauf basierend eine Emotion hat, die ich, wenn es so wäre, auch komplett nachvollziehen kann. Aber diese Grundannahme, das ist nicht die Realität. Ich würde mir einfach wünschen, dass sie mehr Verständnis für mich hat oder zumindest sich die Muße nimmt und Zeit nimmt, mich zu fragen, was in mir vorgeht. Ob ich das wirklich so empfinde, wie sie es annimmt. Irgendwann ist man einfach müde. Das ist kein schönes Gefühl.
Jo Lücke
00:23:29
Es wird dann eine Szene beim Mittagessen gezeigt, wo Anna eine Situation schildert, bei der sie sich zurückgesetzt gefühlt hat durch Armando. Er hatte sein Portemonnaie vergessen. Sie hat verschiedene Dinge in Bewegung gesetzt, um ihm sein Portemonnaie zukommen zu lassen und hat ihren Tagesplan dafür verändert. und hat dann von ihm, nachdem sie ihm das Portemonnaie übergeben hat, noch nicht mal einen Danke bekommen. Und sie beschreibt dann, Dass sie es. Selbstverständlich und einfach höflich fände, jemandem zu danken, der so etwas für einen macht. Also noch nicht mal, weil man in einer Beziehung ist. Sondern einfach, weil es Common Courtesy ist. Wenn jemand was vergessen hat, ist ja nicht schlimm, dann sagt man ja, vielen Dank, dass du es möglich gemacht hast, dass ich jetzt hier mein Portemonnaie habe und das fehlt ihr von ihm. Das ist nicht gekommen. Und entgegen dem, was er vorher in der Therapie und in diesem Einspieler schildert, sagt er dann Folgendes zu ihr.
Einspieler NDR Paartherapie
00:24:26
Respektlos, weil du es als selbstverständlich ansiehst, jetzt meine Zeit in Anspruch zu nehmen. Okay, ich werde jetzt diese Situation nicht dekonstruieren und jetzt in Ewigkeiten darüber diskutieren. Mal guck, du bist in solchen Momenten nämlich überhaupt nicht bereit, irgendwie ein Stück auf mich zuzumachen und deswegen bin ich auch nicht mehr bereit, irgendwas auf dich zuzumachen.
Jo Lücke
00:24:45
Er behauptet also, er würde gerne reden wollen und er würde gerne sich erklären, aber wenn er dann aufgefordert wird, sich zu erklären, hat er keine Lust mehr, sich zu erklären, weil es ihm zu anstrengend ist. Und das ist natürlich ein Problem. Nicht nur, dass er quasi nicht sein Wort hält, etwas behauptet, was er dann nicht liefern kann, sondern weil eben auch diese Ablehnung eines Gesprächs eine beständige Abwehrhaltung darstellt. Und auch wie Yamando seine Situation in der Therapie schildert, macht er das mit einer Sprache der Abwehr. Er redet eben kaum über sich und seine Perspektive und seine Gefühle darauf, was von dem Therapeuten überhaupt nicht kommentiert wird. Im Gegensatz bei ihr, also bei ihr war das ja sehr intensiv, dass er gesagt hat, sie solle doch bitte irgendwie bei sich bleiben. Das sagt er ihm überhaupt nicht. Und auch das hat damit zu tun, dass unterschiedliche Ansprüche angelegt werden oder unterschiedliche Maßstäbe an die unterschiedlichen Geschlechter. Bei Männern ist es eben normal, dass sie Gefühle abwehren, dass sie über die andere Person sprechen, dass sie Schwierigkeiten haben, vielleicht auch über sich und ihre Gefühle zu reden. Und das wird von dem Therapeuten überhaupt nicht herausgefordert. Der fragt nicht, warum oder fordert ihn auch nicht dazu auf, seine Gefühle näher zu erläutern, sondern ja, so ist es eben. Die Männer reden eben anders als die Frauen über Gefühle, aber es wird eben nicht als Teil des Problems wahrgenommen, wobei es aus meiner Sicht tatsächlich der Kern des Problems ist. Denn Anna erwartet genau das von ihm, dass er über Gefühle spricht, dass er sich erklärt, dass er Verantwortung für seine Handlung übernimmt und auf diese Art und Weise auch emotional präsent ist. Also diese Situation mit dem Portemonnaie, was sie da schildert, dass sie darüber sprechen möchte, zeigt ja, dass sie eben darüber reden will, dass sie verletzt wurde und wissen will, warum hat er das gemacht, warum hat er sich so verhalten. Aber er zieht sich da raus und Ist in diesem. Moment eben nicht emotional präsent. Er ist müde davon. Das sagt er ja auch häufig, er ist müde davon, dass eigentlich seine Autonomie und seine Autarkie fast infrage gestellt wird. Also davon, dass er nicht so handeln darf, wie er lustig ist. Also dass sie von ihm erwartet, dass er sich erklärt oder dass er sie eben respektvoll behandelt oder dass er eben auch Verantwortung dafür übernimmt, dass er da vielleicht einen Fehler gemacht hat und nichts weniger fordert sie ein. Er ist müde davon. Dass das von ihm erwartet wird, was eigentlich ziemlich basic ist. Also darüber sollte man sprechen. Inwiefern denn diese Erwartungshaltung, dass er sich da erklärt, dass er Verantwortung übernimmt, Eben auch sein. Männlichkeitsbild vielleicht infrage stellt. Und ich bin davon überzeugt, dass es mit einem Männlichkeitsbild zu tun hat. Anna wiederum ist müde vom Kämpfen um genau diese Basics, dass sie einfordern muss. Dass er seine Dankbarkeit ausdrückt oder ihr Respekt zollt, dass er einfach ihre Zeit auch als wertvoll betrachtet. Das ist auch ein Grund, warum sie dann diese Mauer hochzieht, weil wenn Basic Respekt nicht vorhanden ist, so what's the point, verstehe ich auch. Armando ist müde vom Rechtfertigen, warum er sich nicht bedankt, warum er sich nicht entschuldigt, warum er sich diesen Gesprächen entzieht und das sind fundamental unterschiedliche Müdigkeiten. Anna ist erschöpft von ihrer emotionalen Arbeit, Amando ist erschöpft, dass seine Autonomie, seine männliche Identität infrage gestellt wird. Was Amando dabei nicht sagt, Ist, und das. Lege ich ihm jetzt in den Mund oder interpretiere ich da natürlich rein, aber was er aus meiner Sicht nicht sagt, ist, ich habe Angst, dass ich nicht genug bin. Er sagt auch nicht, ich fühle mich als Versager. Ich fühle mich vielleicht auch als Versager, wenn ich mein Portemonnaie vergessen habe. Das ist was, wofür ich früher mega Ärger gekriegt hätte als Kind oder sowas. Und deswegen gehe ich da so drüber weg. Er sagt auch nicht, ich weiß nicht, wie ich Anna glücklich machen kann oder ich fühle mich schlecht, weil ich Anna nicht glücklich machen kann. Er sagt auch nicht, ich fühle mich hilflos. Er sagt auch nicht, ich schäme mich dafür, dass das irgendwie nicht gelingt. Und da muss man doch fragen, warum sagt er das nicht, beziehungsweise da so ein bisschen nachfühlen, was denn da los ist. Aus meiner Sicht sagt er das nicht, weil er keine Sprache dafür hat. Männer lernen oft, Gefühle zeigen ist eine Schwäche, Autonomie ist Stärke, Sich zu entschuldigen ist Unterwerfung. Verletzlichkeit ist gefährlich und das ist etwas, was sich jetzt hier zeigt. Und der Therapeut, der dafür überhaupt keinen Sinn hat. Fordert auch Amando nicht dazu auf, dahin zu gehen. Und das, was daran schade ist, ist, dass in dem Moment eben auch Amando in diesen Bereichen überhaupt keine emotionale Entwicklungsfähigkeit zugetraut wird. Also dadurch, dass eben er nicht dazu aufgefordert wird, auch seine Schwächen zu benennen oder seine Ängste zu benennen, Wird ihm die Chance genommen. In diesen Bereichen zu wachsen und sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Und das finde ich eine massive Auslassung von diesem Therapeuten. Das finde ich absolut fatal und einfach extrem traurig auch. Ich möchte hier an dieser Stelle ein Zitat von Terry Reel sagen. Das ist ein Paartherapeut aus den USA für heterosexuelle Beziehungen, der sich viel mit patriarchalen Strukturen beschäftigt hat. Und der hat gesagt, at its core, traditional masculinity rests on two pillars, the rejection of vulnerability and the delusion of dominance. Übersetzt bedeutet das, also im Kern basiert traditionelle Männlichkeit auf zwei großen Säulen. Erstens die Ablehnung von Verletzlichkeit und zweitens die Illusion oder Delusion eben von Überlegenheit, von Dominanz. Und ich denke, Armando verkörpert eigentlich beide diese Pfeiler. Also er verweigert die Verletzlichkeit, indem er sagt, ich will nicht dekonstruieren, ich will mich nicht rechtfertigen, bla bla bla. Und er verteidigt seine Dominanz. Indem er quasi die Macht demonstriert, Sich diesen Gesprächen zu entziehen, diese Gespräche zu beenden. Das ist nicht unbedingt böswillig. Das ist Sozialisation. Das ist männliche Sozialisation at its core. Und jemand, der gendersensibel arbeitet. Würde das sehen und dann zum Beispiel eine Frage stellen wie, Amanda, du sagst, du fühlst dich müde, aber ich höre da irgendwie auch so eine gewisse Verweigerung irgendwie drin. Wo kommt die denn her? Könnte das vielleicht auch eine Angst sein, eine Angst zu versagen, vielleicht auch eine Angst unterlegen zu sein in der Auseinandersetzung? Was passiert denn da bei dir? Woher kommt denn vielleicht diese Angst? Je nachdem, wie das Gespräch dann sich entwickelt, Kann man weiter nachfragen. Also woher kommt denn vielleicht auch dieses Gefühl, dass man immer stark sein muss, dass du keine Schwäche zeigen darfst, um so auf diese Weise auch gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und diesen ganzen Sozialisationsthemen auf die Spur zu kommen, Ohne sie als solche zu benennen. Also man muss sich ja auch nicht als Therapeut da hinsetzen und neben der Psycho-Edukation auch noch politische Edukation machen und erklären, was das Patriarchat ist. Aber man kann ja durch solche total persönlich gestellten Fragen auch auf solche strukturellen Zusammenhänge hinweisen bzw. die in seine Arbeit oder in ihre Arbeit mit integrieren. Also zu fragen eben. Wer hat dir beigebracht, dass du immer stark sein musst? Wo kommt das denn eigentlich her? Man kann auch fragen, wie war das denn in deiner Familie? Was gab es denn da für Männer, Vorbilder, für Rollen? Wie war dein Vater. Dein Großvater, andere Personen? Wie wurde dir gezeigt, dass du geliebt wurdest als Kind? Und dann wären wir bei seiner. Abwehr von Verletzlichkeit, vielleicht bei Verletzungen, die in seiner Sozialisation stattgefunden haben. Und das sind ja nun mal auch Verletzungen. Also ich weiß gar nicht, wie man das anders beschreiben kann. Also die Tatsache, dass man kleinen Jungs abtrainiert. Über Gefühle zu sprechen oder sie von ihren Gefühlen entfremdet, ist ja schon eine massive Verletzung eigentlich ihrer Persönlichkeit. Aber das ist etwas, wo dieser Therapeut auf gar keinen Fall hingeht. Da hat er überhaupt kein Interesse dran. Und auch beide Müdigkeiten werden von dem Therapeuten als symmetrisch betrachtet. Beide sind gleichermaßen müde. Der eine ist müde. Weil er sich nicht rechtfertigen will. Die andere ist müde, weil sie irgendwie alles einfordern muss. Und der Therapeut betrachtet es als gleichwertig. Aber diese Symmetrie ist an der Stelle nicht vorhanden. Anna ist müde davon. Dass ihr kein ganz normaler täglicher Respekt entgegengebracht wird in dem, was sie tut. Armando ist müde von der Abwehr von Verantwortung. Diese Müdigkeiten sind fundamental verschieden. Und wenn man das nicht benennt, dann kann man sich noch eine Weile unterhalten. Aber es bringt halt auch nicht so richtig was.
Einspieler NDR Paartherapie
00:33:37
Ist das deine Zerwissenheit vielleicht? Ich würde sie gerne lieben, aber ich kann es nicht. Ja, das habe ich schon gesagt. Ich würde nicht gerne auf Händen tragen, nur nicht bedingungslos. Also das hört sich vielleicht falsch an, aber nicht, dass jemand nicht möchte.
Jo Lücke
00:33:50
Was ich daraus höre ist, ich könnte dich lieben oder ich könnte mit dir umgehen, wenn du mich mit meinem schlechten Verhalten einfach annehmen würdest und nicht von mir erwarten würdest, dass ich mich irgendwie anders verhalte oder mich erkläre. Das ist, glaube ich, von seiner Seite nichts, was da bewusst passiert. Aber was eben da drin steckt, Ist dieses, ich als Mann werde in meiner Integrität gefährdet. Wenn ich mich in irgendeiner Weise erklären muss. Männer werden einfach anders sozialisiert. Sie sind es nicht so gewohnt. Auf Kritik zu reagieren. Sie empfinden Kritik als sehr viel verletzender, als Frauen das tun, weil sie eben eigentlich mit so Einmachtsfantasien im Grunde genommen aufwachsen. Dass sie alles können und dass sie eben auch nicht infrage gestellt werden. Sie werden auch tatsächlich, wenn man sich Studien anschaut, Nicht so viel infrage gestellt. Also Boys will be Boys ist ja so eine Aussage, die dazu führt, dass Männer bzw. Jungs im Aufwachsen für ganz viele ihrer Verhaltensweisen eben nicht outgecallt werden. Und keine Konsequenzen erfahren, weil man sagt, naja. Da kann man sowieso nichts machen. So sind die Jungs eben. Und diese mangelnde Zuschreibung von Entwicklungsfähigkeit ist eben was, was sich jetzt in dem Alter, in dem Armando jetzt ist, auf diese Art und Weise äußert. Dass man sagt, okay. Du behandelst jetzt seine Partnerin schlecht, Einfach menschlich nicht okay. Dass er eben sich dann in seiner Männlichkeit schon angegriffen fühlt. während ihre Integrität auf einer sehr viel niedrigeren Ebene verletzt wird, Weil sie eben nämlich diesen grundlegenden Respekt von ihrem Partner nicht erfährt. Der sich bei ihr nicht bedankt oder sich entschuldigt. Es wäre aus meiner Sicht die Aufgabe des Therapeuten, bei ihm auch genau nachzufragen, wie er da auf sich selber guckt, was für eine Art Partner er sein möchte, was für ein Vater er sein möchte, wie das eben mit seinen Werten zusammengeht und ob nicht vielleicht auch Armando sich an dieser Stelle nach Werten verhält, die eigentlich gar nicht seine sind. Wo er ja, wenn er da genau drauf gucken könnte. Die Gelegenheit hätte zu sagen, nee, also ich finde eigentlich meine Familienwerte, meine Respektwerte sind andere als die, die ich dadurch transportiere, indem ich mich verhalte wie ein Stereotyper Mann. Aber diese Chance wird ihm hier an dieser Stelle leider nicht eingeräumt.
Einspieler NDR Paartherapie
00:36:11
Aber ist die Zerrissenheit, ich möchte dich gerne lieben, aber im Moment kann ich es nicht. Ja? Weil irgendetwas kostet dich ganz viel Energie. Und Energieverlust entsteht nahezu immer durch eine Zerrissenheit. Und wenn das deine Zerrissenheit ist, dann verstehe ich, warum die so viel Energie kostet.
Jo Lücke
00:36:29
Ich glaube, dass er da nicht ganz falsch liegt. Also klar, Zerrissenheit kostet viel Energie. Aber die Zerrissenheit ist nicht die, Dass er sie gerne lieben möchte. Aber es nicht kann. Sondern die Zerrissenheit, in der Armando steckt, Ist die zwischen seinem Selbstbild als Mann und Armando. Und seiner Rolle in dieser Beziehung und in dieser Familie, Die nicht übereinzukommen ist. Das ist die Zerrissenheit, über die wir hier sprechen müssen. Kommen wir nun zu dem Thema Interviewer-Initiator-Übung. Der Paartherapeut gibt den beiden eine Technik an die Hand, um Gespräche zu führen. Dabei gibt er. Ihr die Rolle der Fragenden, was ich sehr schwierig finde, weil sie wiederum in dieser quasi emotional zurückhaltenden Rolle ist. Sie kann nicht einfach antworten, sondern sie soll die Fragen stellen und zuhören. Das heißt, sie ist quasi wieder in der Position, ich höre zu und habe nochmal eine neue Fragentechnik, mit der ich nochmal vorsichtiger quasi meinen Partner ansprechen kann. Aber diese ganze Geschichte hat noch mehr Ebenen, denn interessanterweise probieren die das ja aus in dieser Sitzung Und der Paartherapeut fragt Amando, wie anstrengend es für ihn ist, sich verachtet zu fühlen. Und es gibt mehrere Momente, in denen man sagen könnte, jetzt kommen wir der Sache so ein bisschen näher, weil Amando eben auch schildert, dass es sehr anstrengend ist für ihn. Kriegt dann aber gleich wiederum von dem Therapeuten in den Mund gelegt, dass er in diesem Gefühl der Verachtung auch einen Selbstvorwurf findet mit der Frage, warum mache ich das hier eigentlich, warum halte ich das aus, warum lasse ich das zu, dass die Frau mir das Gefühl vermittelt, verachtet zu sein. Aber das wird dann wiederum nicht weiter thematisiert. Also jedes Mal, wenn es irgendwie interessant wird, stoppt der Paartherapeut und macht wieder einen Schritt zurück, Als sei die Antwort schon gegeben. Dabei steckt doch in dieser Frage, warum mache ich das, warum tue ich mir das an? Genau dieses Ideal von einem Mann, der autonom ist, der autark ist, der nicht in Frage gestellt wird, dessen Integrität nicht angetastet wird, genau das alles steckt doch da drin. Und die Vorstellung davon, wie will ich denn sein, wie sehe ich mich als Person in dieser Beziehung, man kann es auch unabhängig von Männlichkeitsbildern besprechen. Also einfach davon überlegen, was für eine Art von Partner möchte ich denn sein? Wie möchte ich vielleicht behandelt werden? Warum ist das wichtig für mich? Welche Art von Respekt gebe ich meiner Partnerin gegenüber und wie kommen wir da zusammen? Diese ganzen Themen kommen in diese Technik nicht mit rein. Stattdessen wird mit so Skalen gearbeitet. Wie anstrengend ist es auf einer Skala von 1 bis 10? Okay, interessant. Er möchte auch wissen, Wofür steht diese Angst? Ohne aber auch nur einmal darüber nachzudenken, ob diese Angst nicht an sich schon eine Information ist. Also der Paartherapeut sucht immer nach weiteren Übersetzungen und Übersetzungen und Übersetzungen. Dabei, glaube ich, muss man gar nicht so viel übersetzen, sondern man kann einfach mal mit dem arbeiten, was da irgendwie ist und tatsächlich ein bisschen mehr nach dem Warum fragen und nach den Motiven fragen. Anna wiederum freut sich über die Antworten, die Armando da gibt, weil er nämlich tatsächlich dem Ganzen schon so ein bisschen näher kommt und auch formuliert, dass er sich schlecht fühlt, dass er vielleicht eine Angst hat, dass er sich nicht wohl damit fühlt, so gesehen zu werden, wie er das Gefühl hat, dass er dann gesehen wird. Wobei es auch hier interessanterweise nicht darum geht, ob sie tatsächlich dieses Gefühl vermitteln möchte, ob sie ihn verachtet oder ob das wiederum nur seine Interpretation ist von dem, wie sie sich verhält. Was ja übrigens, wir springen zurück an den Anfang, ein Punkt war, den er ihr Gegenüber ganz extrem kritisiert hat, dass nämlich sie aus seinen Handlungen seine Haltung ihr Gegenüber abliest. Und er macht in diesem Moment genau das Gleiche, aber das erkennt der Partherapeut. Er spricht es auch nicht an. Er vermittelt diese Interviewer-Initiator-Geschichte als Technik für zu Hause, um sich anzunähern und sich zu unterhalten, allerdings ohne, dass die Inhalte von Konflikten auch thematisiert werden. Verstehe ich das nicht. Generell ist es so eine Technik oder so eine Herangehensweise dieses Paar Therapeuten, dass immer alles auf eine abstraktere Ebene getragen wird, auf eine allgemeinere Ebene. Auch seine ganze Psycho-Edukation besteht aus Verallgemeinerungen und es ist sehr, sehr wenig konkret und sehr wenig auf die Menschen zugeschnitten, die da ihm gegenüber sitzen. Und das ist so ein bisschen one size fits all. Also die Begriffe, mit denen er arbeitet, irgendwie in den Staffeln davor, war sein Ding immer diese Forderungsrückzugsdynamik. Und meine Vermutung ist, dass es eben auch damit zu tun hat, dass dieser Paartherapeut ein, Ich möchte ihm nicht zu nahe treten. Aber alter weißer Mann ist, von dem eben auch aufgrund seiner Sozialisation erwartet wird, dass er auf alles eine Antwort hat. Aber eigentlich ist ja auch Psychotherapie so angelegt, dass es nicht unbedingt Antworten gibt, sondern dass Menschen einen Raum erhalten, um ihre Themen zu reflektieren, Impulse bekommen, um darüber nachzudenken, was denn bei ihnen vielleicht los sein könnte und dann aus einem Expertentum für sich selbst heraus auch eigene Ideen und Lösungen entwickeln. Und dazu gehört auch zu sagen, dass die Validierung, dass es ein großes Problem ist und dass es eine schwierige Herausforderung ist, sehr viel wichtiger sein kann, Als einen Lösungsweg aufzuzeigen. Darum geht es ja ganz oft und ich finde, darum geht es hier auch bei Anna und Armando. Also erstmal für Anna anzuerkennen, hey, dein Partner verhält sich auf eine Art und Weise, die nicht okay ist und ich sehe, dass das für dich extrem verletzend ist. Und dann auf der anderen Seite bei Armando zu sagen, ich sehe, dass es für dich verletzend ist, wenn du das Gefühl hast, du bist von deiner Partnerin verachtet oder dass es für dich super anstrengend ist, dich da rechtfertigen zu müssen und outgecallt zu werden. Ich kann das anerkennen und ich habe gleichzeitig nicht die One-Size-Fits-All-Lösung für euch, um diese Herausforderung anzugehen, aber ich habe Vertrauen in euch, dass ihr das für euch herausfinden könnt, was da eure Motive sind und worum es euch geht und dabei bin ich euch eine Unterstützung. Ich helfe euch dabei, diese Dinge für euch herauszufinden. Aber das beinhaltet eben, Sich selbst zurückzunehmen und sich selbst nicht in den Mittelpunkt. Zu stellen und Sich selbst nicht zu inszenieren als die Person. Die alle Antworten, alle Lösungen hat und die alle Phänomene, die da so auftauchen, erklären kann. Und das ist etwas, no offense, aber das ist etwas, was alte weiße Männer nicht gelernt haben in ihrer Sozialisation. Am Ende der fünften Folge, insgesamt gibt es sechs Folgen, erfahren wir dann, dass Anna und Amanda sich getrennt haben. Also Interview und Initiatorübung hat nicht den Effekt gehabt, den man sich gewünscht hat. Und die beiden haben sich getrennt. Es gibt dann in der sechsten Folge noch das große Wiedersehen, also ein Wiedersehen mit dem Therapeuten. Und wir sehen auch den Therapeuten bei seiner Supervisorin, Wo er den. Fall von Anna und Armando bespricht, weil er sich Gedanken darüber macht, ob er vielleicht falsche Schwerpunkte gesetzt hat, weil die beiden sich jetzt getrennt haben. Die Supervisorin bringt dann den Aspekt rein, dass die paartherapeutische Sitzung schon etwas gebracht haben könnte, auch in Bezug darauf, dass man sich ja dann als Eltern besser versteht oder die Kommunikationstools dann auch auf die weitere Beziehung aufgrund der Elternschaft übertragen kann. Und der Paartherapeut ist unfassbar dankbar dafür, dass er quasi diesen Ausweg erhält. Und ich habe das gesehen und ich denke mir, bitte, bitte, bitte, dreimal drei macht was. Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt, finden jetzt irgendwie etwas Positives darin. Interessanterweise sagt dann aber die Supervisorin, dass Trennungen oft als scheitern gesät werden, Aber dass natürlich auch das Besuchen einer Paartherapie eine Rechtfertigung dafür sein kann, dann so eine Trennung durchzuziehen. Und ich denke, das wiederum ist ein sehr, sehr guter und wichtiger Punkt, dass nämlich wir auch in anderen Beziehungskonstellationen aus dieser Staffel gesehen haben, dass man sich nicht einfach so trennen darf, weil die Kerbald und der Mental Load ungleich verteilt sind. Das ist kein ausreichend guter Grund. Man muss irgendwie alles versucht haben, vor allem eben als Frau. Dass es da geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Allerdings wird nicht thematisiert. Es wird sogar gesagt, dass eigentlich man diesen Versorger nicht mehr braucht, also diese Versorgerrolle, dass Paare sich deswegen auch trennen können, Heteropare natürlich. Aber es wird da nicht weitergedacht und es wird nichts danach gefragt, ob nicht vielleicht auch diese alte Erwartungshaltung, diese Ernährerfunktion oder Familienoberhauptfunktion etwas mit den Konflikten zu tun haben könnte, die da in der Familie entstehen. Nein, das wird nicht befragt. Es wird ebenso wenig hinterfragt, wie dann die Familienverhältnisse nach der Trennung aussehen. Und das zeige ich euch jetzt mal hier kurz in diesem Zitat.
Einspieler NDR Paartherapie
00:45:26
Und wir haben ja die Möglichkeit, zwei Wohnungen draus zu machen, weil es eigentlich ein Zweifamilienhaus ist. Armando kriegt jetzt quasi oben so seine Wohnung, kriegt auch noch eine Küche rein. Ich bleibe mit den Kindern hauptsächlich unten. Der Hauptwohnsitz von den Kindern ist quasi jetzt unten bei mir in der Wohnung. Aber die sind halt ganz oft bei Armando und wir werden dann später Regelungen treffen, wann quasi Papa-Zeit ist, wann sie dann hoch können, wann er auch mal zu uns kommt. Jetzt aktuell essen wir eh noch zusammen, weil wir ja nur die Küche unten haben. Und wenn Armando dann seine Küche hat, dann werden wir aber auch Tage festlegen, wo die Kinder mal bei ihm oben essen oder wo er mal unten bei uns ist. Wir möchten versuchen, noch eine Familie zu sein, aber eben nicht mehr das zwischen uns beiden.
Jo Lücke
00:46:12
Was jetzt hier interessant ist. Dass wieder nicht hinterfragt wird, dass die Kinder bei der Frau bleiben, bei Anna bleiben und zu Besuch zum Papa kommen. Klar, sie leben in einem Haus, aber im Moment isst, glaube ich, Armando auch immer noch das Essen, was Anna gekocht hat. Das heißt, diese. Ganzen Themen werden hier eigentlich zum ersten Mal auf den Tisch gelegt. Was ist mit der Care-Arbeit? Was ist mit der Mental Load. Die Anna offensichtlich auch schon vorher getragen hat und die eben auch zu Ungleichgewichten in der Beziehung beigetragen hat? Allerdings wird auch hier das Ganze jetzt nicht hinterfragt. Es wird auch Armando nicht gefragt, ob er nicht hauptsächlich auch mit den Kindern leben möchte oder wie man das irgendwie vielleicht auch noch anders regeln könnte. nein, die Kinder bei der Mutter ist ja klar, die Mutter spricht auch von uns, also von sich und den Kindern und von ihm. Also es gibt ein Wir, es gibt ein Er. Das erzählt auch ganz viel über die Beziehung, wie sie vorher war, über die Aufgaben- und Rollenverteilung und was vorher schon eine wichtige Rolle hätte spielen können. Es wurde ja auch thematisiert von beiden übrigens, dass beide, bevor sie Kinder bekommen haben, diese Probleme nicht Hatten und sie. Tatsächlich eine Beziehung auf Augenhöhe geführt haben, so wie sie sich das vorgestellt haben. Und dass dann durch die Kinder die Dinge sich verändert haben, dass Zeitdruck entstanden ist, Ressourcendruck und dass eben nicht mehr so viel Raum zur Verfügung steht. Auch das hätte man ja in so einer Sitzung mal thematisieren können. Was hat sich verändert durch die Kinder? Welche Rolle haben wir jetzt noch als Paar? Welche Rolle erfüllen wir jetzt als Eltern. Um über diesen Weg vielleicht auch über Erwartungen zu sprechen? Was muss man leisten als Mutter, als Vater und wie kommen wir da zusammen? Das ist allerdings nicht erfolgt. Das Einzige, worauf sich der Paartherapeut jetzt in dieser Visasehenssitzung fokussiert, ist das Thema der Elternschaft, dass dann hoffentlich, und da folgt er seiner Supervisorin, jetzt aufgrund seiner paartherapeutischen Intervention besser funktioniert als vorher.
Einspieler NDR Paartherapie
00:48:08
Besteht denn theoretisch die Chance, nur als Gedankenexperiment, dass ihr jetzt ohne den Druck, ich muss das und das tun, damit wir ein Paar bleiben, vielleicht sogar als Eltern besser werdet? Ja. Definitiv.
Jo Lücke
00:48:25
Ja, das ist schon fast ein bisschen lustig, also dass es dann eben in dieser letzten Folge plötzlich um Elternschaft ging. Aber es ist nur ein Aspekt dieser Wiedersehensfolge, die ich sehr, sehr schwierig finde. Wie der Therapeut beschreibt, haben sie sich erst vor kurzem getrennt und die Fragen, die der Therapeut stellt, Sind, finde ich, sehr. Sehr suggestiv in Bezug auf die Möglichkeit, dass sie doch nochmal zusammenkommen oder dass sie sich doch nochmal anders überlegen. Und er versucht so ein bisschen bei Anna auch rauszukitzeln, dass es Ambivalenzen gibt bei ihr und dass es da irgendwie ein innerer Kampf bei ihr noch stattfindet, obwohl sie literally 60 Sekunden vorher geschildert hat, dass sie sich jetzt ruhiger fühlt mit dieser Entscheidung und besser fühlt mit der Entscheidung. Und es ist natürlich völlig normal, Dass so eine. Entscheidung nicht nur eine Seite hat und dass man sich auch darüber Gedanken macht, ob man vielleicht versagt hat oder dass es Momente gibt, in denen es einem schlecht geht. Aber so wie das von dem Therapeuten da geframed wird, kommt es mir vor wie so eine Verunsicherung und erneut ein Nicht-Ernst-Nehmen tatsächlich von Anna in dieser Situation. Auch, dass Armando dann die Gelegenheit erhält, zu schildern, dass es ja jetzt alles viel besser sei plötzlich. Und ob es. Denn Anna nur darum gegangen wäre, ihre Wohnung alleine einzurichten, unter ihren eigenen Raum zu haben und dass sie das ja auch schon hätte vorher haben können, das finde ich ein bisschen fragwürdig, denn das war ganz offensichtlich nicht der Punkt. Es ging nicht darum, dass Anna ihr Wohnzimmer alleine einrichten kann, sondern dass sie de facto allein zuständig ist für Wohl und Wehe dieser Familie, sowohl emotional als auch auf der Managementseite. Und das sich aber eben nicht in ihrer Anerkennung und Wertschätzung gespiegelt hat. Und dass sie sich jetzt wohler damit fühlt und glücklicher ist, ihn aus dieser Wohnung rauszuhaben und ihr eigenes Reich sozusagen auch vollumfänglich selbst einrichten zu können. Und dass sich das auch positiv auf die Beziehung auswirkt. Ich weiß nicht, was das Besondere daran ist oder wie man daraus ableiten möchte, dass es das vorher in der Beziehung auch gebraucht hätte. Also das ist völlig absurd und aus meiner Sicht hätte der Paartherapeut das Armando auch einmal erklären können. Naja, also hier nochmal eine Auslassung. Die aus meiner Sicht darauf beruht, dass eben die Anliegen von Anna in ihrer Umfänglichkeit und in ihrer Schwere nicht als solche wahrgenommen wurden. Auch hier wurden sie nochmal entwertet. Es tut mir sehr. Sehr leid für Anna an dieser Stelle, dass sie diese Erfahrung machen musste. Und ich hoffe, dass sie in ihrer Wohnsituation mit zwei getrennten Wohnungen im gleichen Haus gute Lösungen finden, wo er auch Verantwortung übernehmen kann, sodass für Anna eben auch noch mehr Freiräume entstehen. Ja, und für Armando wünsche ich mir eigentlich, dass er Zeit hat, da eben seine Rollenerwartungen auch nochmal zu reflektieren und in seiner Rolle als getrennt erziehender Vater wachsen kann, vielleicht eben auch als etwas involvierterer Vater, aktiverer Vater, was ihm wiederum bestimmt auch nochmal Anerkennung und Wertschätzung von Annas Seite einbringen wird. Das ist ja auch kein Phänomen, was unbekannt ist, dass Paare, bei denen die Care-Arbeit sehr ungleich verteilt ist, dann in eine Trennung gehen und dann sagen, okay, jetzt im Wechselmodell habe ich endlich die 50-50-Beziehung, die ich mir vorher schon gewünscht hätte. Also wo dann tatsächlich Männer in ihre Rolle hineinwachsen und wirklich 50 Prozent dann übernehmen und Man sich dann. Fragt, warum denn nicht gleich so. Aber so funktioniert es eben nicht. Wir sind ja eben so sozialisiert, dass in heterosexuellen Beziehungen diese Arbeitsteilung geschlechtsspezifisch erfolgt. Also er ist der Ernährer, sie ist die Fümmerin zu Hause und Da kommt man. Eben nicht so einfach raus. Was ich an der Stelle aber interessant gefunden hätte, wäre eben dahin zu gucken, was gibt es denn noch für Lösungen. Also wenn es schon diese Möglichkeit gibt, die Wohnungen zu trennen, ist es was, was vielleicht neue Freiräume schafft, über diese heterosexuelle Kleinfamilie hinaus zu denken. Und zu gucken. Welche Lebensmodelle kommen für uns in Frage. Aber grundsätzlich wurden diese Modelle eben nicht in Frage gestellt. Auch die Aufgabenteilung wurde nicht in Frage gestellt. Die Rollenerwartungen wurden zu 100 Prozent reproduziert. Ja, damit möchte ich dieses Thema abschließen. Ich finde es selbst extrem interessant, Paartherapien zu beobachten, zu sehen, wie unterschiedlich Menschen leben und wie komplex Konflikte gelagert sein können. Deswegen verstehe ich ein Stück weit den Erfolg dieser Serie. Ich würde aber sagen, dass diese Serie erfolgreich ist, hat mehr mit Voyeurismus als mit den Qualifikationen des Paartherapeuten zu tun. Deswegen bleibt kritisch und wenn ihr selbst therapeutisch arbeitet oder beratend tätig seid, kann ich euch meine Veranstaltungen ans Herz legen. Das nächste Sensitivity Training ist am 20.01. und ich vermittle dort Techniken und Fragestellungen, mithilfe derer man strukturelle Zusammenhänge auch in solche individuellen therapeutischen Settings mit einbringen kann, ohne dabei belehrend zu wirken. oder mit Fachwörtern um sich zu schmeißen. Ich hoffe, wir sehen uns in einer Veranstaltung.

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