47. 💐👩‍🍼 Care-Arbeit & die Autonomielüge | mit Anne Waak

Happy f*cking Mother's Day – Das Podcast-Festival zum kritischen Muttertag

08.05.2025 51 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wieso wir glauben, dass Care-Arbeit lästig und langweilig ist und unserer Selbstbestimmtheit im Weg steht.

 📢 Der Podcast über Patriarchat & Popkultur
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Ein Transkript dieser Folge findest du 👉 hier
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💐 Muttertag ist kein Feiertag – sondern ein Denkmal für unbezahlte Care-Arbeit.
Statt Blumen gibt es dieses Jahr einen feministischen Perspektivwechsel mit dem Happy fucking Mothersday – Das Podcastfestival zum kritischen Muttertag. Sechs Podcasts setzen sich mit Muttertag, Mutterschaft und Care-Arbeit auseinander und zeigen, wie tief patriarchale Strukturen unser Mutterbild prägen.

🎉 Happy fucking Mother's Day – Das Programm

🎉 Die Leserinnen | Mutterschaft & Kunstbetrieb – unvereinbar? mit Sascia Bailer
🎉 Frauenleben | Die Erfindung des Mutterideals
🎉 Clitoria's Secrets | Romantisierte After Baby Body – Was bleibt von mir übrig?
🎉 Revolution & Ferien | mit Mareice Kaiser & Josephine Apraku
🎉 Do 15.5. Lila Podcast | Mütter in der (Lokal-) Politik

Alle Infos zum Festival und den teilnehmenden Podcasts gibt 👉 hier

🎙️ In dieser Folge: Care-Arbeit & die Autonomielüge
Die feministische Autorin Anne Waak ist zu Gast, und wir nehmen die hartnäckigsten Mythen über Care-Arbeit auseinander. Warum wird Fürsorge immer noch als minderwertig betrachtet, obwohl keine Gesellschaft ohne sie existieren kann? Wir sprechen über Friedrich Merz' Wohlstandsbegriff, kulturelle Erzählmuster, den Widerspruch zwischen Mutterideal und Abwertung von Fürsorgearbeit – und warum der „Autonomie-Komplex“ eine Illusion ist.

🦍 Darwin, Muttertag & Care-Arbeit neu gedacht
Anhand von Elissa Strauss’ Buch When You Care hinterfragen wir das Leistungsnarrativ und decken einen fundamentalen Irrtum in der Interpretation von „Survival of the Fittest“ auf.

„Wenn Mutterschaft wirklich der wichtigste Beruf ist, den wir in all seiner Tiefe bewundern, warum war dann noch nie eine Mutter Präsidentin der Vereinigten Staaten? Warum werden Betreuende – ganz allgemein – außerhalb ihres Zuhauses nicht als Führungspersönlichkeiten angesehen? Warum tun wir nicht mehr, um Pflegende in ihrer Arbeit zu unterstützen? Warum interessieren wir uns nicht stärker für ihre Tätigkeit und dafür, was wir von ihnen lernen können? Und die größte Frage von allen: Warum stehen nicht die Männer Schlange, um sich diesen so wichtigen Job zu sichern?“ (When you care. Elissa Strauss. 2024)

👉 Noch eine Folge mit Anne Waak über weibliche Wut

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Kontakt: Ich freue mich über Feedback und Themenwünsche. Schreib mir doch mal an: verbittert-mail@web.de
Festivalcover: Danke an Scarlett Nimz
Musik: Danke an Christoph Michalsky 

Transkript

Anne
00:00:00
Muttertag ist für einen Arsch.
Susi
00:00:02
Care-Arbeit steht der Frauenemanzipation im Weg, als auch Herr Merz, der überhaupt nicht versteht, dass die Substanz unseres Landes nicht die Forstwirtschaft ist, sondern tatsächlich hat es viel mehr mit Care zu tun, als ihm lieb ist. Absolut.
Anne
00:00:15
Und deswegen hilft meiner Ansicht nach nur, dass es eben so einen kulturellen Wandel gibt und eine Aufwertung von Care-Arbeit, was momentan, glaube ich, leider heißt, eine Vermännlichung von Care-Arbeit.
Susi
00:00:27
Das Leistungsträger-Narrativ. Darwin wurde falsch verstanden. Das fand ich ja schon saustark.
Anne
00:00:33
Ich bin eine Göttin, weil ich Leben schaffen kann. Ja, meinetwegen. Aber diese totale Überhöhung, alles Weibliche, das geht mir auch im Sack.
Susi
00:00:42
Ich bin ja mit den Spice Girls aufgewachsen, Girl-Power-mäßig. Du kannst alles schaffen. Du kannst Astronautin werden. Aber eine Sache kannst du nicht machen, nämlich um Hilfe fragen und schwach sein.
Music
00:00:47
Music Happy fucking Mother's Day! Leute, ich bin so aufgeregt heute. Zum einen arbeite ich seit einem halben Jahr an dieser Folge. Und wie ihr im Intro gehört habt, ist diese Folge Teil einer Podcast-Kollaboration, die ich ins Leben gerufen habe. Der Happy Fucking Mother's Day, das Podcast-Festival zum kritischen Muttertag. Sechs feministische Podcasts setzen sich kritisch mit dem Muttertag auseinander. Dabei sind die Leserinnen, Frauenleben, der Lila-Podcast, Clitoria's Secrets und ein Überraschungspodcast hoffentlich, weil der ist noch nicht bestätigt. Es geht darum, sich den Muttertag feministisch anzueignen und noch mal stärker auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen, die Menschen erfahren, die Pflege- und Fürsorgearbeit leisten. Das werden wir gleich alles auseinandernehmen. Ich hoffe, ihr hört euch auch die anderen Folgen an. Es gibt sehr spannende Themen von Erfindung des Mutterideals über Mutterschaft im Kunstbetrieb oder Mütter in der Politik. Und das ganze Programm findet ihr in den Shownotes verlinkt.
Susi
00:02:05
So, und der andere Grund, warum ich so aufgegriffen bin, ist, dass ich seit einer langen Zeit mal wieder eine Live-Gästin hier im Podcast habe. Es ist Anne Waag. Ihr kennt sie aus der Folge über weibliche Wut. Anne ist Journalistin, Autorin, hochbegabt natürlich. Bitte lest ihre Bücher. Wir nennen es Familie und kümmern und kämpfen. Also Anna hat die Gabe, komplexe Sachverhalte ganz einfach und verständlich zu beschreiben. Und ich hatte da einfach so viele Aha-Momente. Lest sie, findet ihr natürlich auch wieder in der Bücherliste. So, und jetzt ist sie wieder hier. Heute wollen wir über den Muttertag sprechen, über Mutterschaft. Und wir decken die größte Lüge über Kehrarbeit auf. Drunter nicht. Also, Anne, lass uns mal soft einsteigen. Ich habe ja ein unglaubliches Unbehagen zum Muttertag aufgebaut. Das war ja auch der Anlass jetzt für diese Folge, weil ich mich eigentlich immer gewundert habe, warum entpört sich hier eigentlich niemand? Was ist hier los? Und ich habe ja schon alle Fails erlebt von halt Blumen, wo du denkst. Und dann kam mein Kind aus der Kita, war nur noch relativ klein, kam mit diesem Gedicht.
Einspieler
00:03:19
Wir wären nicht gewaschen und meistens nicht gekämmt. Die Socken hätten Löcher und schmutzig wäre das Hemd.
Anne
00:03:26
Wow.
Susi
00:03:26
Also wenn Mutti nicht da wäre, dann würden die Kinder halt verwahrlosen. Das war so die Moral von der Geschichte. Ich habe das gelesen und ich dachte, ich...
Anne
00:03:34
Klingt wie straight out of GDR.
Susi
00:03:37
Wirklich. Und ich habe eigentlich gedacht, wir haben so eine ganz coole Kita und so. Und ich fand das so, also es müssen ja nicht alle Feministinnen sein, aber irgendwie so ein ganz bisschen so ein Konsens, dass auch Väterkehrarbeit übernehmen können.
Anne
00:03:49
Können, wenn die Mutter halt wirklich tot umgefallen ist. Notfalls, vor zwei Wochen.
Susi
00:03:54
Ja, aber ich war schon kurz vorm Tod umfallen, weißt du, was ich meine?
Anne
00:03:57
Ich kann es vollkommen nachvollziehen.
Susi
00:03:59
Und seitdem, da ist so zu Hause immer so eine Unsicherheit, jetzt auch von meinem Partner, weil er irgendwie denkt, es gehört zum guten Ton. Und ich denke mir auch, es gibt keinen Grund zum Beispiel, dass er nicht sagt, du bleib liegen, ich mache heute alles, wäre okay für mich. Aber irgendwie ist es dann so, dass wir jetzt gar nicht mehr drüber sprechen. Meinen Sohn, den impfe ich natürlich ideologisch, ist ja klar der hat mir auch geholfen hier bei der Betrailerung und so weiter und fragt mich aus über Mutterschaft Wie ist denn das bei euch zu Hause?
Anne
00:04:30
Bei uns wird der Muttertag einfach totgeschwiegen. Also sowohl in meiner Co-Elternschafts-WG als auch gegenüber meiner eigenen Mutter. Also ich mache wirklich einen Punkt daraus, sie nicht am Muttertag anzurufen, weil ich das so piefig und so kacke finde. Ja, wenn man das mit irgendwas verbinden würde, also was darüber hinaus geht, eben zu sagen, danke Mami, dass du immer für mich da bist. Ja, in der Schule meines Co-Kindes, da habe ich gesehen, dass sie zum Frauentag, der noch ein bisschen was anderes ist, aber strukturell eigentlich der gleiche, misst irgendwie, obwohl ja auch mittlerweile Feministischer Kampftag genannt. Da verbinden sie diesen Tag eben mit was, was die Kinder tatsächlich lernen. Also nicht nur meine Mutti ist irgendwie lieb, sondern was sind denn Frauenbewegungen internationale auf der Welt? Ja, was gibt es da? Pink-Sari-Bewegung in Indien.
Susi
00:05:23
Das machen die in der Schule?
Anne
00:05:23
Das machen die in der Schule.
Susi
00:05:24
Was ist das für eine Schule?
Anne
00:05:25
Das ist die, ich kann nicht mal werben, ich bin wirklich Fan. Das ist die Berlin Bilingual School. Da zeigt sich was für eine gute Co-Mutter. Ich bin, ich weiß nicht, wie die verkackte Schule heißt.
Susi
00:05:34
Du bist vielleicht der Vater in der Co-Mutter. Ich muss nochmal einen kurzen Recap machen für alle, die vielleicht noch nicht die Folge über Wut gehört haben. Du lebst mit deiner besten Freundin zusammen. Deine beste Freundin hat ein Kind. Wir nennen ihn August. Er ist ein Grundschulkind.
Anne
00:05:52
Das ist ja in der zweiten Klasse.
Susi
00:05:53
Und du bist da auch in der Fürsorgearbeit tief. So, und jetzt muss ich nochmal nachhaken, weil wir sind ja quasi Mütter, aber auch Kinder wiederum von Müttern. Also ich habe meiner Mutter noch nicht gesagt, dass ich ein Podcast-Festival zum kritischen Muttertag mache. Ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass sie sich da total drüber wundert und auch ein bisschen vielleicht verletzt ist davon, weil irgendwie ist es ja so... Wenn man es jeden Tag wertschätzen würde oder wenn Fürsorgearbeit generell einfach viel mehr wertgeschätzt würde, dann bräuchte man diesen Tag ja im Prinzip auch gar nicht. Aber es ist irgendwie vielleicht nochmal dieser eine Tag, wo das Kind, was einfach in der Pubertät voll ausgeflippt ist oder wo man auch mal irgendwie einen schlechten Kontakt hat oder so, wo einfach nochmal dieses Vergewissern passiert. Man macht sich einen Kopf. Ich habe eigentlich für meine Mutter immer überlegt, wie ich ihr jetzt meine Liebe zeigen kann. Und das jetzt zu entziehen, da wäre sie jetzt, glaube ich, ein bisschen irritiert. Und ich habe auch das Gefühl, dass ich selber viel zu wenig schätze, was sie leistet und geleistet hat. Also dass sie das auch verdient hat.
Anne
00:06:59
Das kannst du ja so erklären, dass du dich ideologisch nicht... Also wenn es normal wäre, dass wir die Leistung von Personen, die Kehrarbeit übernehmen, schätzen würden, dann bräuchten wir diesen Tag ja nicht. Oder wenn wir eine Gleichberechtigung hätten, dann hätten wir vielleicht einen Elterntag und nicht das, was sich Vätertag nennt und was ja eigentlich ein Saufgelage ist. Ja, also dass man das herausstellt, verweist ja schon auf den Mangel an Dankbarkeit, den es an den anderen 364 Jahren gibt.
Susi
00:07:29
Ja, es ist quasi ein Symptom. Aber deine Mutter, die ist da auch so auf deiner Linie, die ist so.
Anne
00:07:34
Wir haben uns ehrlich gesagt nicht drüber unterhalten, aber ich kenne meine Mutter gut genug, dass ich weiß, dass sie dem Muttertag nichts abgewinnen kann. Aber es heißt ja immer, dass Frauen, die selbst Mutter geworden sind, erst in dem Moment richtig wertschätzen können, was ihre eigene Mutter geleistet hat. Ging dir das auch so? Geht dir das auch so?
Susi
00:07:49
Also ich würde sagen, dass meine Mutter die absolute Schlüsselfigur in unserer Familie einfach war und das wusste ich auch als Kind schon. Und seit ich selber Mutter bin, habe ich das Gefühl, ich kann es auch gar nicht kapieren, was sie geleistet hat, weil sie ja Vollzeit gearbeitet hat und mein Vater auf Schicht war. Diese Konstellation habe ich ja nicht. Also ich bin in Talzeit und versuche zumindest mit meinem Partner so ein Equal Care auch aufzustellen. Wir sind da ja schon relativ deep eingetaucht in sowas wie Mental Load oder so. Als Begriff gab es ja noch gar nicht. Dann hatte meine Mutter ja auch zwei Kinder. Ich habe ein Kind. Also ich habe hier es gar nicht. Also ich fühle mich auch so ein bisschen so verweichlicht.
Anne
00:08:29
Ja, was heißt verweichlicht? Wir haben halt heute ein anderes Vokabular und ein anderes Bewusstsein. Also aufgrund wessen hätten sich dann die Frauen in den 80ern jetzt in unserem Fall beschweren können? Was hätten sie denn sagen können?
Susi
00:08:42
Ich kann nicht mehr.
Anne
00:08:43
Ich kann nicht mehr. Und dann? Ja, wenn du gar nicht die Option hast. Also genauso wie es ja nicht denkbar war, lange sich scheiden zu lassen. Weil warum denn? Was ist denn dein Problem?
Susi
00:08:52
Und was ist die Alternative?
Anne
00:08:53
Was ist die Alternative? Willst du als alte Jung verstellen?
Susi
00:08:56
Und vor allem arm dann.
Anne
00:08:57
Und vor allem arm.
Susi
00:08:58
Und glaubst du, man könnte jetzt einfach sagen, Muttertag abschaffen oder glaubst du an so eine...
Anne
00:09:04
Also wenn ich Diktatorin wäre,
Susi
00:09:05
ja.
Anne
00:09:06
Ja. Auf jeden Fall.
Susi
00:09:07
Ich würde ja irgendwie immer noch hoffen, dass man den Muttertag jetzt nochmal so umdeutet, auch in Richtung kriminalistischen Kampftag. Und ich merke natürlich auch, weil du vorhin so gesagt hast, so alles Gute zum Elterntag oder sowas, auch das bezieht sich ja dann immer auf so ein Kernfamilienmodell. Absolut. Vater, Mutter, Kind und...
Anne
00:09:25
Ja, vielleicht ist es eine gute Idee. Man macht einen Tag draus, aber dann kommt man ja auch aus der Falle nicht raus, an dem man alle Menschen, die sich kümmern.
Susi
00:09:35
Das Klatschen vom Balkon.
Anne
00:09:36
Da verdient dann keine Krankenschwester einen Euro mehr Geld mit.
Susi
00:09:41
Ich hatte halt so an Proteste gedacht, also dass man so Rituale statt Karten und Blumen irgendwie was findet, dass es eben auch in Richtung Aufmerksamkeit und Protest geht. Also natürlich dieses Buch von Mareike Feilwickel und alle so still, wo sich diese Menschen, die Pflegearbeit unbezahlt oder auch bezahlt übernehmen, dann einfach hinlegen. Hinlegen und nichts mehr machen, um zu zeigen, wie, also systemrelevant hieß es ja so zynisch in der Corona-Zeit, aber wie fundamental das ist. Und das war schon sehr eindrucksvoll als Bild.
Anne
00:10:13
Ja, diese Idee, da denke ich gerade ein bisschen drüber nach, diese Idee von Streik oder wie man eben feministischen Forderungen mehr Nachdruck verleihen könnte. Und es gab immer wieder Fälle, wo ganz konkret Frauen gesagt haben, so geht es nicht weiter, wir streiten. In ganz unterschiedlichen Ausformungen und teilweise sehr, sehr erfolgreich.
Susi
00:10:33
Erfolgreich inwiefern?
Anne
00:10:34
Es ist gerade ein Film rausgekommen, ich habe ihn noch nicht gesehen, ein Dokumentarfilm über einen Frauenstreik in Island in den 70er Jahren. Anscheinend ist es so, dass Island heute auch deswegen das für Frauen beste Land ist, jetzt im Hinblick auf Feminismus und Gleichberechtigung. Die haben einfach, 90 Prozent der Frauen haben da damals mitgemacht. Da blieb alles zu, da ging nichts mehr, kein Krankenhaus. Die Schulen blieben zu, die Kinder sind mit den Vätern auf die Arbeit gegangen und die Frauen haben demonstriert. Oder ich war gerade in Togo, da habe ich eine Frau getroffen, Oppositionspolitikerin und die interviewt so einem Sexstreik, den sie angezettelt hat, vor jetzt mittlerweile schon zwölf oder dreizehn Jahren, um zu verhindern, dass der damals schon ewig im Amt sich befindliche immer noch Präsident nicht nochmal zur Wahl aufgestellt wird. Es ist ihnen nicht gelungen, aber was ich interessant fand, es ging da nicht wirklich um Sex. Also die Frauen haben gesagt, okay, eine Woche lang gehen wir nicht mit unseren Männern ins Bett und auch mit keinen anderen Männern. Darum ging es aber nicht. Es ging weniger darum, diese Macht auszuspielen und zu sagen, das ist, was wir in den Ring werfen können, sondern es ging um ein Zeichen, einfach zu sagen, wir brauchen Aufmerksamkeit für dieses Thema.
Susi
00:11:47
Ja, das Gruselige ist ja tatsächlich, dass dieses hässliche Gedicht, der dann doch wieder auf einmal wahr wird, wenn man sich das jetzt vorstellt, dass Pflegepersonen streiken, dann hast du halt wirklich ein Problem. Und es funktioniert auch nicht zu sagen, wir als Frauen oder weiblich gelesene Personen machen das nicht mehr und dann springen jetzt die Väter rein. Wir brauchen diese gegenseitige Fürsorge auf einem gesamtgesellschaftlichen Niveau. Und der muss auch quasi politisch gedeckelt und, wie soll man sagen, auch der Weg bereitet werden.
Anne
00:12:19
Ja, wir brauchen eine kulturelle Aufwendung.
Susi
00:12:21
Richtig, das werden wir ja heute noch entschlüsseln. Du hast mir ein ganz, ganz tolles Buch empfohlen, wo wir uns heute so ein bisschen durch diese Thesen durchbewegen werden und dann auch zu der großen Lüge kommen, um einfach auch die Arbeit nochmal umzudenken. Weil ich bin ja die Erste, die sich hinstellt und meckert über alle Haushaltsarbeiten und wenn das Kind wieder Autonomiephase hat und rumbockt und so weiter. Aber gleichzeitig bin ich seit einiger Zeit auch dabei, ich suche so meinen Frieden auch mit der Mutterschaft. Und da fand ich dieses Buch einen sehr, sehr, sehr guten Ansatz. Und zwar ist es von Elissa Strauss, When You Care, The Unexpected Magic of Caring of Others. Da gehen wir gleich rein, aber vorher möchte ich euch noch bitten, diesen Podcast zu machen. finanziell zu unterstützen. Das geht mit einer Mitgliedschaft auf Steady. Ihr klickt auf den Link in den Shownotes, sucht euch den passenden Betrag aus und dann ist es nichts anderes als Online-Shopping, bevorzugte Zahlungsart eingeben, monatlich kündbar. Und ihr helft mir aber damit sehr, sehr, sehr, sehr, sehr mit eurem Beitrag diesen Podcast kostendeckend zu gestalten. Denn ich mache das hier alles komplett alleine, von der Recherche bis zum Schnitt und ich finanziere auch alles alleine. Also an alle meine UnterstützerInnen, die schon da sind, vielen, vielen Dank. Das bedeutet mir sehr, sehr viel. Auf Steady findet ihr außerdem meinen kostenlosen Newsletter. Da bekommt ihr einmal im Monat meine feministischen Tipps für Serien, Bücher, Podcasts, Dokus und so weiter und Hintergrundinfos, was bei Verbittert so ansteht. Freue mich sehr, wenn ihr da mal vorbeischaut. Findet ihr alles in den Shownotes. So, Anne, und jetzt gehen wir mal in dieses Buch hier rein. Zum einen fängt Elissa Strauss ja gleich am Anfang damit an, dass Caregiving gets women in the way. Eine Frau kann entweder sie selbst sein oder sie ist eine Mutter, aber beides gleichzeitig geht nicht. Und sie schreibt dann sogar von marxistischen Feministinnen bis Choice-Feministinnen. Denn alle scheinen sich einig zu sein, dass Pflege und Befreiung der Frauen in Opposition zueinander stehen. Auf der einen Seite habe ich dir gleich geschrieben, so weißt du, Seite 1 irgendwie, Anne, dieses Buch ist groundbreaking, so was ist denn hier los? Weil ich gleich dachte, oh ja, krasse These. Und auf der anderen Seite habe ich aber auch sofort ein Störgefühl gehabt, wenn man sich selber als Feministin begreift, dass ich denke, ja, weiß ich nicht. Ist das wirklich so, glaube ich, das wirklich? Also wie ging es denn dir so mit diesem Ausgangspunkt?
Anne
00:14:52
Es ist so schwer zu sagen, weil ich ja eben keine Bio-Mutter bin. Ich bin ja eine Choice-Mutter, wenn man so will.
Susi
00:15:00
Du bist ja mit Pflege konfrontiert. Na gut, du hast diese Freiwilligkeit, was ganz interessant ist. Aber wenn du zum Beispiel auch daran denkst, dass du deine Eltern vielleicht mal pflegen müsstest. Also das betrifft uns ja irgendwie alle.
Anne
00:15:11
Das betrifft uns alle, ja. Es ist schon ein kulturelles Bild, was wir haben. Dass die Pflege um andere eben der freien Selbstentfaltung entgegensteht. Das ist ja sehr stark.
Susi
00:15:25
Mein Abwehrmechanismus war so ein bisschen, ich glaube, weil ich mich ertappt gefühlt habe, weil ich dachte, kann ich jetzt nie eine große Karriere machen. Ich wollte die Welt erobern, ich wollte die Weltherrschaft an mich reißen. Das kann ich jetzt alles nicht wegen dem Kind. Und ich will aber so natürlich nicht leben. Und ich will als Mutter auch nicht so eine Gefühle meinem Kind gegenüber haben, als ob ich jetzt, ja, so zwei Wege boten sich mir da. Und ich ging jetzt den Mutterschaftsweg und wischte den Arsch ab. Ich will das ja gar nicht denken. Ich will, dass es beides zusammen geht. Gleichzeitig komme ich ganz oft an die Grenzen. Und dann habe ich aber auch gedacht, es ist wahrscheinlich total quälend, wenn man Mutterschaft oder Fürsorgearbeit auch immer so sieht, weil du kommst da nicht raus aus diesem Dilemma.
Anne
00:16:03
Ja, gleichzeitig möchte man natürlich auch nicht sagen, dann ist man ja gleich in der Treadwife-Falle, das ist meine Erfüllung. Also Mutter sein, das wäre der Gegenentwurf, der ist ja noch viel ekliger. Die Frage ist ja, warum das sich so verhält und warum das Väter nicht im gleichen Maße gilt. Die können ja weiterhin alles sein oder werden, was man uns Frauen die ganze Zeit verspricht. Du kannst alles sein, du kannst alles werden. Das ist halt einfach so gewachsen und das hat natürlich damit zu tun, dass der ganze Care-Komplex der weiblichen Sphäre zugeordnet ist, dass auch diese Care-Berufe, bevor sie Berufe waren, was waren, was innerhalb der Familie vor allem von Frauen verrichtet wurde. Deswegen sind diese Sachen ja auch so schlecht bezahlt, weil man eigentlich denkt, Sachen, die macht man aus Liebe, die muss man deswegen nicht bezahlen. Und deswegen hilft meiner Ansicht nach nur, dass es eben so einen kulturellen Wandel gibt und eine Aufwertung von Care-Arbeit, was momentan, glaube ich, leider heißt, eine Vermännlichung von Care-Arbeit. Also da muss mehr Maskulinität rein, weil, wie wir aus Berufen wissen, wenn Frauen in sogenannte Männerberufe gehen, sei es Programmieren oder so. Dann hat es zur Folge, dass da der Lohn sinkt. Also Frauen machen sozusagen die Preise kaputt, weil es sind halt nur Frauen. Und im Umkehrschluss ist es ziemlich unstrittig, dass würden mehr Männer Kehrarbeit, Bezahlte übernehmen, würden da auch die Preise steigen. Das ist die Welt, in der wir leben. Und ich glaube, übertragen auf die Kehrarbeit, die unbezahlt ist, die zu Hause stattfindet, würde sich das ähnlich verhalten. Also würden da mehr Männer mitmischen, dann würde es da eine Aufwertung geben.
Susi
00:17:49
Über Männlichkeit und Care würde ich auch gleich nochmal mit dir sprechen, aber ich hatte ein bisschen die Hoffnung, wenn ich dieses Buch lese, fühle ich mich hinterher mit meiner Mutterrolle besser und habe ganz viel über Care-Arbeit gelernt und dass ich irgendwie eine super Heldin bin. So ein bisschen wie mit dem Rauchen aufhören in 30 Schritten oder sowas. Ja, wenn ich dieses Buch gelesen habe, dann bin ich rauchfrei. Und natürlich fängt sie dann aber erst mal an, über diesen Status Quo zu sprechen, wieso Care-Arbeit eigentlich auch als so erschöpfend und so weiter wahrgenommen wird. Ich meine, das haben wir auch schon in vielen Podcast-Folgen besprochen, die momentane Situation im Pflegesektor, aber auch für Familien oder nur allein der Gender-Pay-Gap, Gender-Leisure-Gap, Gender-Armutsbetroffenheits-Gap. Also alles. Es führt halt dazu, dass man tatsächlich das Gefühl hat, mir stehen nicht beide Wege offen.
Anne
00:18:40
Aber fandest du es nicht hilfreich, nochmal vor Augen geführt zu bekommen, was sie unter Autonomiekomplex beschreibt oder die Autonomielüge? Ich hoffe, ich greife da jetzt nicht vor. Aber was macht uns als Menschen aus? Ja, nicht, dass wir auf die Welt kommen und dann wie so ein Reh in der Welt stehen und für uns alleine verantwortlich sind und niemanden mehr brauchen. Mir ist in dem Zusammenhang eben eingefallen, als die Anthropologin, die berühmte Margaret Mead, mal gefragt wurde, was sie für das wichtigste oder frühste Zeichen menschlicher Zivilisation hält. Dann hat sie eben nicht irgendein Kunstwerk genannt und nicht irgendein Werkzeug, sondern einen verheilten Oberschenkelknochen, der ungefähr 30.000 Jahre alt ist, weil der halt zeigt, dieser Mensch, der sich den Oberschenkel gebrochen hat, um den wurde sich gekümmert, der wurde eben nicht liegen gelassen zum Verdursten und Verhungern. Oder dass ihnen irgendwelche Säbelzahntiger auffressen. Sondern der hat Pflege erfahren durch andere Menschen. Und das ist Zeichen der Zivilisation. Wir kümmern uns umeinander. Hast du das nicht als so ein bisschen...
Susi
00:19:46
Ich fand das total stark von ihr. Das ging ja dann so in der Mitte des Buches los. Im Prinzip mit dieser These, Darwin wurde falsch verstanden. Das fand ich ja schon saustark. Survival of the fittest kennen wir alle. Das Leistungsträger-Narrativ. Wir hören es jeden Tag von Christian Lindner.
Anne
00:20:03
Zum Glück können wir von dem das nicht.
Susi
00:20:04
Naja, jetzt wird Merzübernehmen und überhaupt würde ich auch sagen, dass ich das auch übernommen habe. Ich habe ja auch versucht als Frau und Mutter auch sozusagen die stärkste, beste, größte, was weiß ich zu sein. Also so die Harten kommen in den Garten und so weiter und dann mal umzudenken und zu sagen, ja, Konkurrenz ist ein Aspekt, sich weiterzuentwickeln, geht aber nicht ohne Fürsorge. Also wenn wir über Menschsein reden, dann reden wir darum, dass wir in sozialen Gruppen und Gefügen zusammenleben, die auch dann sehr, sehr groß geworden sind, also viel größer als Affen-Communities und das tatsächlich dann diesen evolutionären Vorteil oder den auch die Ausbreitung des Menschen dann erfolgreicher werden ließ, weil die Kindererziehung länger dauerte, weil sich Sprache entwickelt hat, weil wir uns gepflegt haben und so weiter. Also es ist Survival of the fittest, aber es ist eben auch Survival of the, sie nennt es most sympathetic, also eine Form der Fürsorge und Pflege. Wir brauchen beides.
Anne
00:21:04
Unser Problem ist halt nur, dass es weiblich kodiert ist. Also all diese Erzählungen, Pflege, Care-Arbeit ist weiblich. Deswegen, ich habe eine Kurzgeschichte mitgebracht, die das aufbricht und die ich deswegen so schön finde. Die ist von Joy Williams und stammt aus dem Jahr 1982 und die heißt Taking Care. Und was Williams halt macht, ist halt einen Mann als sich kümmernde Person zu zeigen.
Susi
00:21:28
Also er kümmert sich um ein Baby.
Anne
00:21:30
Er steht einer Gemeinde vor, seine Frau kommt ins Krankenhaus, die hat wahrscheinlich Neukämie und die Gemeinde bringt Essen. Es gibt eine Szene, der macht den Kühlschrank auf und diese ganzen eingetupperten Lebensmittel senden so ein Licht aus als Metapher für Care. Die Gemeindemitglieder kümmern sich. Die Tochter kommt mit dem Kind nicht klar und hat das Kind eben das sechs Monate alte Baby und den Hund bei Jones gelassen. Und ich finde besonders schön, dieser Winterspaziergang, dieser Mann trägt dieses Baby eben an seinem Bauch, sodass die kleinen Füße da links und rechts rumdengeln. Und dann holt er seine Frau ab und sie gehen in das Haus, das er geputzt hat, für ihre Rückkehr vorbereitet hat und Weihnachten steht an und dann gehen sie halt in diese Räume, von denen dieser warme Schein ausgeht. Und all diese Elemente zeichnen sehr warmes, wird dieses warme Bild von männlicher Kehrarbeit gezeichnet. Auch überhaupt nicht heldenhaftes Bild. An keiner Stelle dieser Geschichte wird dieser Mann als Held dargestellt. Im Gegenteil, der zweifelt und das finde ich bemerkenswert.
Susi
00:22:33
Ich bin ja da immer so hin- und hergerissen, weil ich finde auch, Männer müssen in die Care-Arbeit. Also Männer in der Care-Arbeit ist das Ende von toxischer Männlichkeit. Es ist einfach, Elissa Strauss schreibt hier sogar, das ist insofern das Ende von toxischer Männlichkeit, weil es sinnstiftend ist. So Überraschung, Überraschung. Sie sind dann in eine Gemeinschaft eingegliedert, sie kriegen Feedback, sie gehen mit Emotionen um. Sie beschreibt auch, dass man das auch easy umdeuten könnte und sagen könnte, naja, auf ein Kind so aufzupassen, da braucht man ja auch Stärke, man muss beschützend sein. Das ist eine sehr harte Aufgabe, sehr anstrengende Aufgabe. Da sind Männer richtig top geeignet dafür.
Anne
00:23:08
Das ist auch körperlich anstrengend.
Susi
00:23:10
Richtig, genau. Also man könnte das schon auch ganz leicht auf männliche Stereotypen irgendwie ummünzen. Aber da will ich ja eh raus irgendwie aus diesem binären Denken. Aber das, was mich natürlich immer so nervt, ist auch in der Geschichte, es passiert ja jetzt nicht viel. Und auf einmal ist es hohe Literatur. Wenn eine Frau das jetzt schreiben würde, dass sie mit ihrem Baby und die Füßchen hängen da an der Seite raus, dann denken alle, es ist ja super langweilig. Das kennen wir ja auch, das Problem Frauenliteratur. Und das, was ja eben gerade nicht langweilig ist an der Kehrarbeit, bekommen wir eigentlich fast nie zu sehen. Nämlich das, was du eben auch gerade beschrieben hast, diese Gefühle, Zweifel, Angst, Sorgen, Liebe, Wut, Verbundenheit, Angst vor Verlust, diese immanente Trennung auch von dem Kind. Also die Abnabelung passiert ja dann das ganze Leben lang sukzessive. Du weißt, dass mit jedem Tag mein Kind ein bisschen mehr auch schwindet, sozusagen aus meinem Leben oder aus meinem ideologischen Einflussbereich.
Anne
00:24:13
Besonders ärgerlich.
Susi
00:24:14
Und in die toxische Männlichkeit abdriftet. Und insofern würde ich mir natürlich am aller, aller, allermeisten wünschen, es gäbe einfach noch viel, viel, viel mehr Romane wie Night Bitch jetzt zum Beispiel von Rachel Yoder. Wurde jetzt auch gerade verfilmt, könnt ihr auf Disney Plus gucken. Das hat mich so, also für alle, die es irgendwie noch nicht mitgekriegt haben, diese Mutter verwandelt sich in eine Hündin. Und das ist so eine Transformation, die ich aber auch wiederum überhaupt nicht Kafkaesque beschreiben würde.
Anne
00:24:42
Nee. Es ist aber gar nicht klar, ob es wirklich passiert.
Einspieler
00:24:45
Ich will niemals mehr meine Haare kämmen. Ich will stinken. Ich will eine Künstlerin sein und eine Frau. Und eine Mutter. Ich meine ein Monster. Ich will ein Monster sein.
Susi
00:25:05
Das Schöne ist aber, dass durch diese, vielleicht ist es eine Fantasie, aber ihr Gefühlsleben so gut dargestellt werden kann. Und ich auch am Ende weiß man gar nicht so genau, ist sie jetzt durch die Hündin besser angekommen in der Mutterschaft oder ist es ein Ausdruck ihrer Abwehr? Und müssen wir überhaupt in der Mutterschaft ankommen oder können wir es als transformatorische Erfahrung begreifen? Also das hat mir zum Beispiel auch nochmal geholfen, weil ich ja dachte, ich kriege ein Kind und dann kann ich alles auf Knopfdruck. Also diese Mutterliebe wird angeknipst, der Mutterinstinkt wird angeknipst, mein Körper verändert sich, ist es mir dann auch nicht mehr wichtig. Es ist dann alles unwichtig außer dieses Kind und es ist nicht passiert. Und darüber habe ich ein defizitäres Gefühl entwickelt. Und als ich dann bei Elissa Strauss gelesen habe, dass es eben auch so eine Falle ist, dass wir kulturell auch Care-Arbeit immer so abwerten. Und das auch immer langweilig dargestellt wird und auch so, als ob es da nichts zu erzählen gäbe, habe ich auch das Gefühl, das übernimmt man dann irgendwann selber. Also ich auf jeden Fall. Und das ist so ein bisschen immer dieses Hin- und Herschlingern in diesem Buch. Ich möchte jetzt auch nicht sagen, dass es jetzt für mich spannend ist, Hausarbeit zu übernehmen.
Anne
00:26:12
Nee, ist es ja auch nicht. Besonders die frühe Zeit mit Kindern zeichnet sich ja durch die totale Anstrengung bei kompletter Gleichförmigkeit aus. Oder auch wirklich Langeweile. Also Stillen ist jetzt auch wirklich nichts, was sich intellektuell fordert, aber es ist halt einfach wahnsinnig anstrengend und zeitraubend. Und ich glaube, das ist das Schlimme und dass man halt keine Wahl hat.
Susi
00:26:34
Und ich glaube aber, dass wir kulturell schon schaffen könnten, Empowerment ist so ein fieser Begriff geworden, aber ich habe mich schon durch Night Bitch zum Beispiel empowert gefühlt. Ich habe das Gefühl bekommen, hier wird Fürsorgearbeit so aufgewertet, als wäre ich ein magisches Wesen. Also es gibt da auch so eine Stelle in dem Film, da sagt sie so,
Einspieler
00:26:53
habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass wir verdammte Göttinnen sind? Wir erschaffen Leben. Wir sind so mächtig. Ich wette, Männer fürchten sich vor uns. Ich bin sie nicht an. Du bist eine magische Göttin. Du lässt Knochen wachsen, während wir sprechen.
Anne
00:27:09
Also diese totale Überhöhung, alles Weiblichen, das geht mir auf den Sack. Ich bin eine Göttin, weil ich Leben schaffen kann. Ja, meinetwegen. Also wenn dir das hilft.
Susi
00:27:20
Mir hilft es, mich überlegen zu fühlen. Weißt du, wenn ich durch die Welt gehe und irgendwie angeraunzt werde, weil mein Kind am Tablet sitzt, weil es sich im Supermarkt nicht ordentlich benimmt oder so, dann denke ich jetzt immer, du bist ein Wurm. In meiner Welt bist du ein Wurm. Ich bin eine Göttin. Ich habe dieses Leben gemacht. Was hast du gemacht?
Anne
00:27:39
Aber Frauen als Gruppe auf so ein Podest über alle anderen Menschen zu stellen, behakt mir nicht so richtig. Und die Frauen, die kein Leben schenken können.
Susi
00:27:49
Die sind dann auch wieder minderwertig.
Anne
00:27:51
Die sind dann auch nur Würminnen.
Susi
00:27:53
Nee, also vielleicht ist es so eine Brücke für mich in Zukunft. Weißt du, einfach ein bisschen selbstbewusster irgendwie durchs Leben zu gehen und eben auch diesen Frieden irgendwie zu machen. Und ich bin auch mit meinem Kind über den Roman ins Gespräch gekommen, weil er meinte, warum geht es denn da? Ja, sie verwandelt sich in den Hund und dann, warum? Und dann meinte ich, naja, weil Mutterschaft kann sich manchmal so anführen, als würde man sich komplett auflösen oder so. Und dann haben wir darüber gesprochen auf einer total krassen Metaebene und so. Und wie schön ist das? Aber ich würde auch dazu nochmal diesen aktuellen Film mit reingeben, Heldin. Leonie Benne spielt Pflegekraft im Krankenhaus. Wir sehen dann so ganz nah, ganz so mäßig schon fast, wie sie quasi ihre Nachtschicht da absolviert. Und das ist ja auch eine übermäßige Konfrontation mit diesen ganzen Bedürfnissen. Dann steht da noch die Tochter und sagt, jetzt ist es nur mit meiner Mutter. Dann kommt dann der Chefarzt. Und jetzt müssen sie aber. Also auch dieses ganze Kommunizieren kann ja gar nicht ihre Arbeit richtig machen. Wirklich am Anfang denkt man so, schrecklichster Job ever. Und dann gibt es eine ganz lange Einstellung, wie professionell sie da irgendwelche Spritzen aufzieht. Da Medikamente gibt, Blutdruck, die Handgriffe, alles sitzt, sie weiß sofort, was zu tun ist. Sie rennt da rum. Und da kommt es durch. Da denkst du dir, sie ist eine Superhelde. Nicht, weil sie magische Fähigkeiten hat und sich jetzt quasi aufwertet in einer autonomen Superhelden-Fantasie, sondern weil das so eine krasse Aufgabe ist, weil man dafür so, so viele Skills braucht und das habe ich bei Elissa Strauss dann auch wieder gefunden, dass sie sagt, das ist ein Problem, diese Abwertung, dass man eben auch dazu tendiert zu denken, es wäre doch so einfach, es wäre doch so pifig. Es ist doch nichts zu wissen, es ist doch nichts zu können, was du mit weiblicher Abwertung meinst. Dieses Mensch, was ist denn da bei, da mal ein Brei anzurühren und so weiter.
Anne
00:29:40
Das bisschen Haushalt.
Susi
00:29:40
Das bisschen Haushalt. Und das kann man durch solche Darstellungen dann auch, jetzt sind wir auch zwar im professionellen und bezahlten Pflegesektor, aber auch da gibt es ja dieses Klischee, Betten hin und her schieben und mal die Bettpfanne ausleeren oder so. Kann doch jeder.
Anne
00:29:56
Ja, ich weiß gar nicht, ist das noch so verbreitet?
Susi
00:30:00
Dieses Klischee?
Anne
00:30:02
Ja, also ich glaube, damit haben viele Leute Erfahrung, dass es tatsächlich schwer ist, mit Menschen umzugehen und ihrer Körperlichkeit, die halt nicht so funktioniert, wie sie es sollte, dass das herausfordernd ist.
Susi
00:30:14
Irgendwie habe ich schon das Gefühl, dass man möchte das anerkennen und sagen, naja, das wird schon irgendwie eklig sein, so eine alte Dame irgendwie vom Rollstuhl zu wuchten, damit sie kacken kann. Aber dass man da so eine Ehrfurcht davor hat, wie vor so einem Menschen, der ein Elektroauto erfunden hat, sag ich jetzt mal, oder so tut, als ob. Weißt du, was ich meine? Das ist wieder dieses Beispiel mit diesem, wenn mich hier irgendeiner anranst. Dann denke ich immer, und was bist du, Steuerberater? Ich bin Mutter. Also knie nieder. Weißt du, was ich meine? Also diese gesellschaftliche...
Anne
00:30:50
Vielleicht solltest du gucken, ob du eine zweite Existenz als Domina dir aufhören kannst.
Susi
00:30:58
Wir sind schon wieder abgedriffen in unserer Folge über Wut.
Anne
00:31:01
Ja, Wut aber auch, wie man das, was wir machen, monetarisieren kann.
Susi
00:31:08
Ich würde gerne nochmal unseren zukünftigen Kanzler mit reinbringen, weil das hat mich jetzt auch nochmal so beschäftigt, Dass es im Wahlkampf Pflege- und Familienpolitik Null-Thema war, hat mich erst mal geschockt. Und dann habe ich mir auch noch mal den CDU-Parteitag angeguckt, wo er es doch wirklich geschafft hat, den Wohlstand unmittelbar mit der Industrie zusammenzubringen.
Einspieler
00:31:29
Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, brauchen wir produzierende Industrie. Das ist gerade bei uns in Deutschland auch der Mittelstand. Das sind die Familienunternehmen. Wir haben Handwerksbetriebe mit erstklassig ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Handel, die Gastronomie, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Tourismus in unserem Land. Liebe Freunde, das ist die Substanz unseres Landes.
Susi
00:31:54
Da habe ich noch gedacht, naja, gut, er ist halt CDU.
Anne
00:31:57
Er sagt nicht, das ist die Substanz unserer Wirtschaft, das ist die Substanz unseres ganzen Lebens, die Forstwirtschaft.
Susi
00:32:03
Genau. Und ich habe das dann schon mit sehr viel Sorge, ehrlich gesagt, beobachtet, weil ich so dachte, aber die könnten doch alle nicht zur Arbeit gehen. Wenn Menschen nicht Fürsorge machen würden.
Anne
00:32:18
Der einzige Zusammenhang, in dem Merz das Wort Familie benutzt, ist mit Unternehmen. Ich habe auch noch mal nachgeschaut. Wissen wir, ob Merz eine Familie hat? Ob der Kinder hat? Spielt das eine Rolle? Nein, niemand interessiert sich dafür.
Susi
00:32:30
Er kann ja überhaupt seinen Aufgaben gerecht werden als Vater.
Anne
00:32:33
Man muss sagen, er ist jetzt ja auch nicht mehr der Jüngste.
Einspieler
00:32:35
Aber mit einer Viertagewoche, mit Work-Life-Balance, werden wir diesen Wohlstand verlieren.
Susi
00:32:42
Er hat so einen ganz komischen Begriff von Wohlstand. Also Wohlstand ist für ihn, glaube ich, einfach auch reich sein, also Geld haben, which is erstmal okay. Aber wenn du denn die ganze Zeit arbeitest, wäre doch Zeit im Sinne von der Zeitökonomie, die Theresa Bücker ja auch hervorragend herausgearbeitet hat, ja wirklich ein Thema. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass Herr Merz sich auch kein Wochenende mal gönnt oder?
Anne
00:33:07
Nein, der arbeitet einfach durch. Arbeit ist doch nicht eine mehr oder weniger unangenehme Unterbrechung unserer Freizeit. Gerade geht es darum, ob das Elterngeld abgeschafft werden soll, weil das irgendwie, das ist nice to have, aber das brauche kein Mensch.
Susi
00:33:21
Wobei ich da auch gehört habe, dass das eine Nebelkerze sein könnte, damit man jetzt sagt, gut, dann behalten wir es halt so, wie es ist, weil seien wir mal ehrlich, es ist scheiße und auch belohnt ja sozusagen die, die schon eh viel haben und Männer kriegst du da irgendwie auch nur zum gewissen Prozess.
Anne
00:33:36
Aber ich meine, das zeigt nur, wie rückschrittlich diese ganze Diskussion ist.
Susi
00:33:40
Es steht alles zur Debatte und dann sagt er,
Einspieler
00:33:43
Deutschland wird wieder ein Land werden, in dem Fleiß, Leistung und Erfolg anerkannt und belohnt werden. Das ist unser...
Susi
00:33:51
Aber wisst ihr, dieses ganze Konvolut aus, die Fleißigen werden belohnt, die Fleißigen arbeiten in der Forstwirtschaft und in der Industrie.
Anne
00:33:59
Und in der Politik natürlich.
Susi
00:34:01
Und Work-Life-Balance ist was für Hafermilch trinkende, vegane Spinner. Also da habe ich das Gefühl, er ist völlig entgrenzt. Er ist völlig abgedreht. Also dass wir ein Leistungsnarrativ haben, gut, da habe ich mich jetzt schon dran gewöhnt. Aber dass er Fleiß mit Industrie und gegen eine Work-Life-Balance stellt, das finde ich ganz komisch. Dieses komplette Weglassen von kulturellen Bildungs- und Pflegearbeiten.
Anne
00:34:31
Aber mich würde es eher viel mehr überraschen, wenn er irgendwas dergleichen gesagt hätte.
Susi
00:34:35
Na, was mich ja so schockt ist, dass er ja gewählt wurde.
Anne
00:34:38
Ja gut.
Susi
00:34:39
Das zeigt, dass das Land, in dem wir leben, die Forstwirtschaft, Dass es immer noch nicht durchgedrungen ist, dass wir ohne bezahlte und unbezahlte Pflegearbeit hier gar nichts mehr laufen würde. Ich kapiere es einfach nicht. Ich bin geschockt. Da hat mir Elissa Strauss so ein bisschen insofern Mut gemacht, weil ich halt wirklich das Gefühl habe, dass wir also dieser riesen Lüge aufsitzen und uns gerne selber davon entledigen wollen. Wir wollen daran glauben.
Anne
00:35:07
Wenn wir jetzt alle die Ärmel aufkrempeln, wenn wir anpacken, wenn wir vielleicht sogar wieder ein bisschen mehr Freude an unserer Arbeit haben.
Susi
00:35:16
Dass ich mit fleißiger Arbeit und Ärmel hochkrempeln ein gutes Leben haben kann. Und ich glaube, da ist schon auch eine Angst davor, in eine Abhängigkeit zu kommen. Also sowohl selber pflegebedürftig zu werden, aber auch eine Person zu sein, die sich um andere kümmern muss. Gerade wenn es im Hinblick auf ältere Menschen geht. Und dass es wie so eine Art kollektive Gehirnwäsche ist. Das ist so, weißt du, der Merz, der Fels in der Brandung, der das jetzt nochmal sagt. und der bestätigt einen in diesem Glauben genau so.
Anne
00:35:50
Ja, aber die Angst ist ja auch berechtigt. Wenn du dich jetzt um deine Eltern oder einen Elternteil kümmern müsstest, zusätzlich zu deiner Verantwortung für dein Kind, wann sollst du denn danach arbeiten? Das System ist ja genauso gestrickt, dass es eben wirklich verunmöglicht ist. Und es gab immer mal wieder Versuche, die Diskussion zu so einer Art Lebenszeitkonto zu verschieben, Und zu sagen, jeder und jede braucht in ihrem Leben mal Phasen, wo sie sich um andere kümmern. Sei es Kinder, sei es ältere Verwandte. Das muss irgendwie abgebildet werden in so einer Biografie. Aber wir kriegen ja nicht mal hin, dass Männer standardmäßig ein Jahr Elternzeit nehmen, bei 40 Jahren Erwerbsbiografie.
Susi
00:36:32
Es ist leider so eine blöde Verquickung von diesen Umständen, die Care-Arbeit ja tatsächlich erschweren einfach. Also dass sie zur Erschöpfung führt, dass sie aber auch zur Armut führen kann. Das ist ja wirklich paradox. Elisa Strauss hat hier auch noch so ein ganz schönes Beispiel, was an dem Reichtum von Jeff Bezos, wir können jetzt auch Musk oder jeden anderen nehmen, eigentlich so anstößig ist. Sie sagt, das ist der Kontrast von diesem unendlichen Reichtum gegenüber einer Alltagsrealität von Millionen von Menschen, die einfach arm sind und die aber trotzdem quasi in ihrer Menschenwürde als gleichwertig angesehen sind. Und was sie aber tatsächlich unterscheidet ist, dass sie so unterschiedliche Bedingungen haben für Fürsorge. Wenn du reich bist, dann kannst du dir auch notfalls immer noch Fürsorge kaufen. Und wenn du arm bist, hast du vielleicht manchmal nicht mal Zeit, dich um deine eigenen Kinder zu kümmern. Du willst vielleicht sogar keine Arbeit übernehmen. Das ist ja immer auch dieser Konflikt ein bisschen zwischen diesem White Feminism und Black Feminism. Also dass schwarze Frauen auch sagen, stopp mal kurz, Leute, wir arbeiten hier schon die ganze Zeit. Wir wollen jetzt mal ein bisschen mehr Zeit zum Karen und für Me-Time haben, während weiße Frauen dafür kämpfen, große Karrieren zu machen. Und dann, weiß ich nicht, ihren Mann einspannen oder eine Nanny oder so weiter.
Anne
00:37:55
Die nenne ich die wahrscheinlich schwarzes oder brown.
Susi
00:37:59
Und dass wir tatsächlich, wie du sagst, diese Umstände haben, die dazu führen, dass Care-Arbeit halt wirklich auch schrecklich sein kann, ganz ehrlich. Oder eine Überforderung sein kann. Und auf der anderen Seite aber die Antwort auf zu wenig Care ist halt mehr Care. Also mehr Leute müssen da rein. Das heißt, es muss irgendwie die Umstände geschaffen werden, dass wir das machen können.
Anne
00:38:20
Ja, mehr Care, mehr Leute müssen Care-Arbeit leisten. Und wir brauchen mehr Caring for the Caregivers, also das Bewusstsein dafür, dass es eben die wichtigsten Jobs sind auf der Welt und zufällig, haha, überhaupt nicht zufällig, die ja am schlechtesten entlohnten.
Susi
00:38:36
Und da halt auch nochmal dieses Blöde mit Mutterliebe oder generell auch per Care, es führt eben zu diesen ganz tiefen zwischenmenschlichen Bindungen. Das kann sinnstiftend sein und du brauchst aber trotzdem Pausen. Und das ist das Blöde, dass das mit so einer Scham besetzt ist, wenn man merkt, ich kann nicht mehr. Weißt du, vielleicht die Mutter ist dement oder sonst was und du merkst einfach, ich kann da nicht jeden Tag hinfahren. Ich muss auch noch andere Sachen machen oder man muss auch einfach sich selber mal regenerieren. Ich hatte eine lange Zeit auch in meiner Mutterschaft das Problem, wenn mein Kind dann in der Kita war und ich dann in die Badewanne gegangen bin, dass ich dann ein super schlechtes Gewissen hatte, weil ich dachte, okay, wenn mein Kind jetzt schon in der Betreuung ist, dann müsste ich jetzt auch Erwerbsarbeiten. Und das basiert halt auch auf diesem blöden Mythos, Caregiving, das hat was mit Liebe zu tun und das ist wunderschön und das gibt man einfach freiherzig so. Als ob das sich ausschließen würde, weißt du, was ich meine? Auch da glaube ich, dass wir wieder diese Geschichten brauchen, die uns sagen, ja nee, Caring ist auf keinen Fall nonstop. Du musst schon auf dich selber achten. Stattdessen bleiben wir bei diesem Caring ist Liebe und Liebe ist Liebe.
Anne
00:39:50
Liebe unbezahlbar.
Susi
00:39:51
Und Liebe ist unbezahlbar. Du sagst es. Das ist ja wieder wahrscheinlich Herr Merz, der sagen würde, der soll das bezahlen.
Anne
00:39:59
Ja, statt Care als öffentliches Gut zu betrachten, was eben auch aus öffentlichen Mitteln gefördert werden muss. Aber klar, wie schon gesagt, das kommt bei ihm halt gar nicht vor. Das klammert er aus, damit hat er nichts zu tun. Das ist Frauenkram. Um mal einen anderen berühmten, mittlerweile ehemaligen Bundeskanzler zu zitieren.
Susi
00:40:16
Ich wollte nochmal eine Sache sagen, damit ihr diese ganze Dimension dieser Autonomie-Fantasie auch nochmal versteht. Für mich war das schon sehr, sehr hilfreich zu verstehen, dass das in uns allen drin steckt. Also sowohl in dieser These, Care-Arbeit steht der Frauen-Emanzipation im Weg, als auch Herr Merz, der überhaupt nicht versteht, dass die Substanz unseres Landes nicht die Forstwirtschaft ist, sondern tatsächlich hat es viel mehr mit Care zu tun, als ihm lieb ist.
Anne
00:40:41
Absolut. Ja, wo kommen denn diese ganzen Forstarbeiter her?
Susi
00:40:44
Bestimmt aus einer Gebärmutter rausgekommen.
Anne
00:40:47
Und nicht nur das. Dann hat die Frau mutmaßlich, die an der Gebärmutter, die da drumherum gebaut ist, hat sich dann auch noch gekümmert. Und eine andere Frau hat das auch gemacht in der Kita und weitere Frauen haben es an der Schule gemacht und so weiter und so fort. Und manchmal hat auch ein Mann ins Kinderzimmer gewunken.
Susi
00:41:04
Nee, aber was ich auch nochmal, also das ist ja auch immer so mein Take, dass wir über kulturelle Erzählungen, Narrative, Geschichten, Filme, Bücher auch sowas verändern können in der Politik und in unserem Leben. Und da ist mir eben auch nochmal, oder beziehungsweise Elisabeth Strauss schreibt, dass dieses ganze Narrativ der Heldenreise, diese Autonomie-Fantasie, dass jetzt immer außerhalb des Hauses stattfindet. Also man geht immer raus in die Welt, dann erlebt man was, dann reift man und die Heldenreise ist ja nichts anderes als eine Adoleszenzerzählung oder ein Reifeprozess, der den Charakter bildet oder so und dann kann man zurückkehren in das vertraute Umfeld und dann hat man sozusagen diese zusätzlichen Zutaten erlangt. Und da sagt sie, das ist interessant, dass es immer mit diesem Verreisen, Weggehen, Rausgehen, das häusliche Umfeld verlassen zu tun hat. Sicherlich hat das auch was mit Ablabelung zu tun. Aber was ich irgendwie tröstlich finde, den Gedanken, du kannst halt als Caregiver auch in einem häuslichen Umfeld krass reifen. Dieses Gefäß, was sich dann öffnet an Emotionen und an Gefühlen, an Gesprächen, an Tiefe jetzt auch mit meinen Freundinnen. Ich habe diesen Podcast angefangen. Weißt du, das ist zum Beispiel eine Sache, die ich mich immer frage. Wäre ich so eine radikale Feministin geworden, wenn ich nicht Mutter geworden wäre? Hätte ich diesen Podcast gemacht? Hätte ich Anne Waag dann vielleicht niemals kennengelernt?
Anne
00:42:25
Nee, wahrscheinlich nicht. Natürlich nicht. Also in allen drei Fragen, glaube ich, klares Nein. Du hast das ja gemacht, weil du ein Bedürfnis verspürt hast, dich mit deiner eigenen Rolle auf eine feministische Art und Weise auseinanderzusetzen. Und das ist ja der Moment, wo viele Frauen damit konfrontiert sind. Bis dahin, das schreibe ich ja auch, ich bin auch nicht die Einzige, bis zu einer Schwangerschaft oder bis zur Geburt eines Kindes sind ja die meisten Frauen der Meinung, das unter Kontrolle zu haben und gleichberechtigt zu sein. Und dann fällt man ja in diese Grube, aus der man sich dann wieder befreien muss.
Susi
00:42:59
Und da würde ich wirklich sagen, auch bei diesem ganzen Struggle, bei dieser ganzen Wut, die ich entwickelt habe, aber es hat mich wirklich als Mensch viel komplexer gemacht. Weißt du, ich bin diese Hündin oder einfach so ein Night Bitch. Das wären nochmal so Ansätze, also ich glaube, weil das halt oft unsichtbar bleibt, diese Komplexität, die in diesem Gefühlsleben drin steckt und es wäre eben auch dieses Geschenk, was sich Männer selber machen können.
Anne
00:43:25
Absolut, ja, ja. Ich mag den Gedanken, also das ist eine sehr, sehr lohnende Aufgabe natürlich für Männer sein kann, die sie mit Bedeutung versorgt. Und auch diese ganze Einsamkeitsdiskussion, Männer, die suizidgefährdet sind.
Susi
00:43:39
Genau, dieses Ganze nicht über Gefühle sprechen können. Das ist auch schön, du kannst es mit einem Kind auch neu lernen. Kinder, die sind so, wie soll ich sagen, so wertfrei auf eine Art und Weise. Wenn mein Kind zu mir sagt, ach Mama, du bist so schön dick, das ist so weich und kuschelig, dann denkst du natürlich, Autsch, aber du weißt, er liebt meinen Körper eigentlich. Das ist total verrückt. Man kann sich richtig fallen lassen bei denen. Ich sage ja auch immer, die bedingungslose Mutterliebe ist eine Lüge, sondern es gibt diese bedingungslose Kinderliebe. Das ist einfach.
Anne
00:44:15
Und das finde ich auch einen interessanten Punkt, dass wir kümmern uns nicht, weil wir diese Menschen lieben, sondern die Liebe entsteht im Kümmern. Das heißt, im Machen werden diese Beziehungen gemacht tatsächlich.
Susi
00:44:29
So weit, dass sich diese Gehirnstrukturen sogar ändern. Man kann es nicht oft genug sagen, dass man eben nicht mit diesen Care Skills irgendwie geboren ist oder beziehungsweise ja Evolution of Care. Es gibt schon eine Anlage im Menschsein quasi, aber dass in dem Moment, wo du dann Care übernimmst, sich tatsächlich das Gehirn umbaut, egal bei welchem Gender. Eine Sache wollte ich auch noch sagen, weil mich das auch noch so ein bisschen erschreckt hat. Elissa Strauss beschreibt hier so eine Szene, wie sie im Restaurant war, mit ihrem Baby essen wollte. Ich glaube, das Baby schrie und eine Kellnerin sagte dann, ich nehme es dir gern kurz ab und dann kannst du in Ruhe essen. Och, also da konnte ich nicht mehr. Erstmal das Angebot von dieser Kennerin, also I see you so, ich sehe das. Also was ja teilweise nicht mal die Partner irgendwie, wenn du so im Restaurant sitzt und die Mutter ist noch einhändig, hat noch zwei Kinder auf dem Schoß und Vater hat einen XXL-Schnitzel. Da würde ich manchmal am liebsten rübergehen und sagen, sag mal, merkst du noch was?
Anne
00:45:30
Deine Frau ist deine Göttin, du Schwein.
Susi
00:45:31
Deine Frau ist deine Göttin, wie behandelt sie diese Göttin?
Anne
00:45:34
Was hast du eigentlich gemacht?
Susi
00:45:35
Kann nicht mehr, könnte dann heulen. Und ich habe aber auch sofort natürlich wieder diese Scham gemerkt.
Anne
00:45:40
Dass du überfordert bist und die Frau sieht es und muss jetzt zur Seite springen.
Susi
00:45:44
Ja, und das andere, was da drin steckt, das sagtest du vorhin ja auch schon, dass man sich auch um Kerge was kümmern muss. Und das habe ich auch ganz lange nicht kapiert. Ich habe gedacht, so, das ist jetzt meine Rolle, das ist jetzt meine Lebensphase, jetzt bin ich Mutter, jetzt muss ich einfach alles geben. Und jetzt zu merken, okay, fuck, die Mutterschaft hat für mich einfach auch eine ganz, ganz große Verwundbarkeit bereitgehalten. Und ich hätte einfach um Hilfe bitten müssen, auch für mich selber, auch für das Kind dann im Endeffekt. Also es ist auch eine Form der Verantwortung. Aber ich habe gemerkt, ich kann das auch gar nicht. Generell, das hat jetzt gar nichts mit Mutterschaft oder so zu tun, weil ich bin ja mit den Spice Girls aufgewachsen, Girl-Power-mäßig. Du kannst alles schaffen. Du kannst Astronautin werden. Du kannst Försterin werden. Du kannst alles machen. Aber eine Sache kannst du nicht machen, nämlich um Hilfe fragen und schwach sein. Wieder Thema männliche Aufwertung. Also wenn du dich wie ein Mann verhältst, dann kannst du auch Millionärin werden oder sowas. Keine Ahnung. Deswegen waren, glaube ich, die eigenen Bedürfnisse, die eigene Schwäche auch tabu.
Anne
00:46:51
Ja, was wiederum auch mit dem Mütterkomplex zu tun hat, der in Deutschland einfach extrem stark ist. Wie gesagt, ich muss leider nochmal darauf hinweisen, dass ich gerade ein paar Monate in Afrika verbracht habe. Da ist es mir mehrmals, ich finde es immer wieder interessant zu sehen, wie Dinge woanders anders laufen. Mehrmals habe ich Menschen getroffen, Väter, die gesagt haben, meine Kinder wohnen bei mir, die Mutter ist nicht mehr da, die ist nicht gestorben. Das passiert natürlich auch öfter als bei uns. Nö, die ist halt weg. Also A, findet das häufiger statt. Und da ist nicht dieses Wahnsinnsstigma mit verbunden wie bei uns, sondern nein, das ist okay. Es gibt den Vater, es gibt, das gehört auch zur Wahrheit, andere Frauen, die sich dann mit um diese Kinder kümmern, aber die ganze Last der Verantwortung für die Kinder lastet nicht auf der Frau, weil sowas wie die Hausfrau gibt es halt nun mal nicht, gab es nicht, nie. Und die Erwartung, dass die Mutter alles und immer für das Kind ist, die gibt es so nicht.
Susi
00:47:53
Da könnte man sich ja auch fragen, wieso hat sich das eigentlich so krass manifestiert? Weißt du, was ich meine? Jetzt können wir sagen, ja, patriarchale Erzählung. Und patriarchale Erzählung ist wahrscheinlich auch kapitalistische Erzählung.
Anne
00:48:06
Untrennbar miteinander verkauft.
Susi
00:48:07
Und im Kapitalismus brauchst du Leute, die du ausbeuten kannst, damit du das Geld dann da oben hinschieben kannst. Und dafür wäre es halt äußerst ungünstig, wenn man für Care-Arbeit, was halt auch nicht weniger wird. Das ist ja auch nicht so wie Forstwirtschaft, wo du alle Bäume irgendwann abgesägt hast, sondern der kackt ja immer wieder. Jeden Tag. Weißt du, was ich meine? Es wird nicht weniger.
Anne
00:48:29
Stimmt.
Susi
00:48:30
Es ist jeden Tag und ständig und immer. Also unbezahlbar hatten wir schon das Thema und ich glaube deswegen auch so ein großes Tabu in der Politik, weil das mit dem Kapitalismus halt total clashen würde.
Anne
00:48:41
Ja, natürlich. Und eben auch, dass sich das so herausgebildet hat, hat auch unmittelbar mit dem Kapitalismus zu tun, dass die Frauen für diese Sphäre zuständig sind und die Männer eben für alles, was außerhalb des Hauses ist. Ich glaube, das beschreibt Alissa Strauss auch, dass es durchaus Zeiten gab, wo Männer sehr viel mehr diese Aufgaben in der Familie übernommen haben, also sich um Kranke und Alte gekümmert haben. Natürlich, wenn alle Arbeit, die eine Familie leistet, in einem Haus, auf einem Hof stattfinden und der Mann eben nicht raus muss in die Fabrik oder ins Büro, natürlich wurde das nicht auf die Frauen allein verantwortlich ausgelagert. Und das haben wir total vergessen. In unserer Wahrnehmung existiert das nur so, wie das ist. Frauen im Heim, Männer draußen und mit Merz kommt das halt jetzt wieder in seiner ganzen Härte zurück. Es gibt das Heim praktisch nicht. Es gibt nur die Produktion es gibt nicht die Regeneration oder die Reproduktion.
Susi
00:49:36
Oder beziehungsweise ist das dann Privatsache?
Anne
00:49:38
Ja.
Susi
00:49:39
Da muss halt jeder selber gucken, wo er bleibt. Stichwort Privatsache. Wann schreibst du dein nächstes Buch?
Anne
00:49:44
Ja, ich überlege ja die ganze Zeit, was es sein kann. Ich würde sofort schreiben. Ich brauche eine Idee. Das ist leider der erste Schritt beim Buchschreiben. Wenn jemand eine hat, call me.
Susi
00:49:54
Schreibt uns DMs auf Insta, gerne per Mail.
Anne
00:49:58
Slide into my DMs.
Susi
00:49:59
Richtig. Wenn euch der Podcast gefallen hat, erzählt es doch euren Freund:innen bitte weiter. Ich freue mich auch sehr, wenn ihr Sternchen und Kommentare in eurer Podcast-App da lasst und ansonsten bleibt unbequem, ihr Lieben.
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00:50:14
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