32.5 🦾 Männerfantasien in "Foundation" Teil 2 – Weibliche Roboter

Warum gendern wir KI?

28.12.2023 37 min

Zusammenfassung & Show Notes

Was haben die Roboter in Foundation, Westworld, Ex-Machina, Metropolis und Blade-Runner gemeinsam? Ein misogynes Frauenbild! Lass uns mal über weibliche "Androiden" sprechen...

🎥 Dieser Podcast wirft wir einen feministischen Blick auf die Inszenierung von Männlichkeit in Film & Serien.
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Ein Transkript dieser Folge findest du 👉 hier
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In der letzten Folge habe ich mit dem kritischen Männlichkeitsforscher Christoph May vom Detox Masculinity Institute über männliche Science-Fiction-Welten und insbesondere über die Serie "Foundation" gesprochen.

🤖Androiden & Gender
In dieser Folge gucken wir uns die Figur Demerzel – einer KI – genauer an. Zwischen mütterlicher Fürsorge und Sexpuppe bedient sie eine Männerfantasie und eine misogyne Darstellungstradition weiblicher Roboter, die von Metropolis bis Blade Runner offenbar als männliche Angst vor weiblichem Bewusstsein und weiblicher Autonomie gedeutet werden kann.

💥Nach dem Weltuntergang
Die FLINTA-Serie "Station Eleven" zeigt in einem postkapitalistischem Zukunftszenario, wie Gendestereotype und Machtgefälle aufgebrochen werden.  Sie erforscht den Kern von Zivilisation und Zusammenleben – jenseits altbekannter Klischees.

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• Folge 21 männliche Schöpfungsfantasien
• Folge 25 Feminismus für Männer

📺 Referezen:
• Foundation, Apple TV+ 2021
• Station Eleven, HBO Max 2017
• Christoph May über Todessterne & Schlachtfelder
• Donna Haraway. Monströse Versprechen – Gender & Technologie Essays
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• ZEIT ONLINE: Brauchen wir Regeln für Roboter?

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Transkript

Susi
00:00:00
Zum Thema Gynoid. Sagt man Gynoiden oder Gynoid?
Christoph May
00:00:03
Robo-Männerfantasie, super sexualisiert und dann trotzdem dieses...
Susi
00:00:07
Kindliche auch. Scheinbar ist es so, dass ohne Gender wir gar nicht von Androiden sprechen. Sonst sind es halt irgendwie nur Maschinen oder intelligente Computer oder sowas.
Christoph May
00:00:17
Insofern würde ich sagen, kommt in diesen Gynoiden auch immer diese männliche Angst davor, Frauen doch irgendwie unter Kontrolle zu halten und bloß nicht frei lassen zu halten.
Music
00:00:23
Christoph May
00:00:39
Hey Susi, willkommen zurück zum zweiten Teil. Es geht um Männerfantasien in Science Fiction. Es geht um die Serie Foundation. Wir haben im letzten Teil über Körperpanzer gesprochen und über männliche Psychogeografien und Androiden und gemerkt, dass wir noch einen zweiten Teil machen müssen, weil wir immer wieder versucht haben, endlich auf Demersel zu sprechen zu kommen, die große Hauptfigur in Foundation. Wir mussten dann doch erstmal den roten Teppich ausrollen für sie, um direkt jetzt mit ihr einsteigen zu können. Demersel, die keine weibliche Androiden, sondern eine Gynnoiden. Das ist der Begriff für weibliche Androiden. Gynnoiden als Männerfantasien. Das muss jetzt Thema sein.
Susi
00:01:21
Richtig. Und da bin ich beim letzten Mal ja stehen geblieben. Das, was mich so aufregt, das, was mich so wirklich peinlich berührt und fix und fertig macht, sind diese, ich sag jetzt einfach mal weiblichen Androiden, weil ich mit diesem Gynnoiden Wort, reden wir gleich drüber, nicht so vertraut bin, aber ich musste bei Demazell echt die ganze Zeit so an Ex Machina denken, weil das auch so unschlüssig war, mit diesem Thema künstliche Intelligenz so ein Gender zu verknüpfen und vor allen Dingen so eine Sexualisierung zu verknüpfen und diese ultimative, Objektifizierung des Frauenkörpers, weil es ja tatsächlich jetzt ein Objekt ist, also eine Maschine. Das ist auch, was mich in Blade Runner unglaublich abstößt. Im ersten Teil haben wir das schon. Im zweiten Teil noch schlimmer mit Joy, diesem KI-Hologramm.
Christoph May
00:02:10
Sie ist so eine Holografie genommen.
Susi
00:02:11
Ja, als Männerfantasie. Sie kommt sogar in so einem 50er-Jahre-Dress daher, wenn Ryan Gosling dann abends nach Hause kommt und kocht imaginäres Essen und es ist abartig. Also er begegnet ihr auf so einer riesen Hauswand und nackt und sie sagt so, hey, bist du alleine? Also diese Verknüpfung von KI, künstlicher Intelligenz, überhaupt Intelligenz, Wesenhaftigkeit, was ist menschlich, was ist sozusagen Roboter, nicht empathiefähig, was auch immer und diese Verknüpfung mit dem Gender und diese gleichzeitige Sexualisierung, diese gleichzeitige Reproduktion von dieser ganzen Normschönheit auch. Ich meine, klar baut keiner einen dicken Roboter. Ja, das ist mir schon klar. Wobei ich jetzt auch beim Terminator sagen würde, eigentlich auch Materialverschwendung, da halt so viel Muskelmasse anzubasteln, das muss ja alles synthetisch hergestellt werden. Also es macht eigentlich Sinn, hier effizient zu bauen. Und dann auch noch immer diese Form von der Brust. Bei Demersel ist mir das extrem aufgefallen. Es sieht wirklich aus wie, du schneidest so einen Apfel in zwei Hälften, bappst es an, dann kommt noch der BH von Kim Kardashian obendrauf mit den permanent hard nippels. Und dann hast du diese Brust von diesem weiblichen Roboter. Und dann hast du Demersel.
Christoph May
00:03:26
Weißt du, wann ich das erinnere? Da gibt es eine Bildtradition. Das hat mich an diesen Maschinenmensch Maria im Metropolis erinnert. Von ganz lang. Das hat man sofort vor Augen, dieses Schwarz-Weiß-Bild mit ihr über dieser City-Skala. Und das ist tatsächlich, habe ich gesehen, Metropolis nach einem Roman von Thea Harbour geschrieben, also es keine Männerfantast.
Susi
00:03:45
Ja gut, aber du weißt auch, dass auch Frauen innerhalb eines Patriarchats den Male-Gays übernehmen können und patriarchale Erzählmuster reproduzieren können.
Christoph May
00:03:54
Natürlich, wir müssen Frauenfiguren auch in ihren Körperdarstellungen, wenn sie nach Männerdrehbuch geschrieben sind oder von Frauen, die im männlichen patriarchalen System das nicht groß reflektiert haben, dann immer kritisch sehen. Aber die Traditionsgeschichte dahinter war, der Maschinenmensch Maria aus Metropolis von Fritz Lang hat mich direkt an C-3PO einat. Dieser goldene Ganzkörperpanzer.
Susi
00:04:13
Wobei C-3PO ja auch eher männlich gelesen wird, oder?
Christoph May
00:04:17
Ja, männlich gelesen und natürlich keine Brüste, aber...
Susi
00:04:21
Aber der ist halt auch so ein bisschen cringe, oder? Oder man würde sagen, kommt der irgendwie ein bisschen gay rüber? Lustig, der Gay-Droid... Oder? Also tatsächlich hat der dadurch, dass der ja gar nicht so diese klassisch männlichen Attribute hat, also man würde schon den erstmal männlich lesen, weil ich würde sagen, erstmal was alles nicht genauer markiert ist als weiblich, wird erstmal männlich gelesen. Wir haben ja so eine Art Standard, so ein Default, also Mensch ist gleich Mann und wenn es jetzt keine extra Hinweise gibt, Brüste oder so, dann würden wir erstmal alles männlich lesen, auch so Tierfiguren in Büchern oder sowas würden wir immer erstmal grundsätzlich männlich lesen. Und bei C3PO habe ich das Gefühl, also ich finde halt R2-D2 total süß und knuffig und man will den irgendwie als Haustier haben. Und bei C3PO merkst du, denkst du, irgendwie ist der ein bisschen nervig, irgendwie ist der ein bisschen besserwisserisch, irgendwie ist der auch so ein bisschen eigen. Irgendwie ist der auch so, ich weiß auch nicht, ist der zickig oder was ist denn los mit dem? Und dann, der kann auch nicht so gut laufen, ne? Der stolziert immer, der kippelt auch so. Dem haben sie echt so ein bisschen diese männlichen Attribute so leicht entzogen, aber halt keine Brüste dran gebappt. Deswegen findet man den vielleicht so ein bisschen cringe. Zu meiner Eingangsrede, zu diesem Aufreger weiblicher Androiden. Ich finde das so misogyn. Ich finde das so, so, so abwertend. Ekelhaft. Ich fühle mich peinlich im Kino. Weißt du, was ich meine? Also du sitzt im Kino, guckst Ex Machina, ne? Das ist wie so eine, ja es ist eine Fantasie, es ist ein Traum. Es ist wie eine Traumfrau, wenn sie dann nicht zum Rache-Macht-Vibe werden würde oder sowas. Ja, diese Umkehr dann auch davon.
Christoph May
00:06:01
Das war Alicia Vikander als Robo-Männer-Fantasie, super sexualisiert und dann trotzdem dieses...
Susi
00:06:07
Kindliche auch.
Christoph May
00:06:08
Ja, dieses Kindliche auch. Und dann, was ist daran so interessant, dann solchen feminisierten, sexualisierten Roboter-Frauenfiguren dabei zuzuschauen, wie sie ein Bewusstsein kriegen und sie gleichzeitig als total gefährlich darzustellen, dass sie jetzt endlich ein Bewusstsein kriegen und begreifen, was hier gerade passiert, dass sie nur als Sexpuppen gehalten werden.
Susi
00:06:24
Und auch die Frage, kann ich eine KI lieben, von der ich weiß, nach den Robotergesetzen, dass sie ja mir unterwürfig ist.
Christoph May
00:06:34
Dass sie mich lieben muss,
Susi
00:06:36
Genau, das sehen wir zum Beispiel auch in Her, wird das auch aufgemacht, dieses Thema, wo Joaquin Phoenix mit der Stimme von Scarlett Johansson, also der KI-Stimme, eine Beziehung hat. Und da kommen wir jetzt schon relativ nah ran, an so diese ganze Chat-GPT-Geschichte.
Christoph May
00:06:53
Um die Traditionslinie nochmal kurz aufzunehmen, wir dürfen nicht vergessen Dolores und Maeve in Westworld.
Susi
00:06:59
Ja. Das ist von Michael Crichton. Das ist ganz schlimm. Also guckt euch bitte nicht Westworld an. Ist wirklich spannend gemacht. Allerdings muss man sagen, hier diese Dolores-Figur ist ein Roboter in einem Freizeitpark, die eine Vergewaltigungsfantasie bedient. Das heißt, ein weiblicher Roboter, der jeden Tag vergewaltigt wird.
Christoph May
00:07:18
Die Jahrzehnte hinweg, tausende Male vergewaltigt wird. Mit der Männerfantasie dahinter, dass sie über diese Vergewaltigung quasi ein Bewusstsein entwickelt. Über diesen ewigen Schmerz, die ihre komischen KI-Algorithmen als eine Art Bewusstsein in der Gegenwehr zu der ständigen Vergewaltigung ausbilden. Und als letztes Beispiel für diese Tradition sind wir auf jeden Fall Amanda Collins als Mother in Raised by Wolves. Das ist nach Prometheus die Auskopplungsserie von Ridley Scott. Auch Ridley Scott kannt durch Alien, Blade Runner, Prometheus, Gladiator und so weiter.
Susi
00:07:51
Was ich noch mal sagen wollte zum Thema Gynoid. Sagt man Gynoidin oder Gynoid?
Christoph May
00:07:57
Eine Gynoiden wäre quasi doppelt.
Susi
00:08:00
Wir haben nämlich ein Problem, das habe ich jetzt in der Vorbereitung für die Folge auch gemerkt. Also Andro, es steht für Mann, wird auch oft für Mensch synonym benutzt, aber eigentlich kommt es irgendwie von Mann. Und wenn wir jetzt weibliche Androiden sagen, dann ist es so wie eine weibliche Männin oder sowas. Es ist so ein bisschen absurd. Natürlich meinen wir mit Android sozusagen menschenähnliche Roboter. Und wenn du jetzt sagst, nein, weibliche Roboter nennt man Gynoid, dann würde ich sagen, ja, aber das finde ich ja gerade so problematisch, dass wir überhaupt menschliche Roboter mit einem Gender belegen müssen. Also scheinbar ist es so, dass ohne Gender wir gar nicht von Androiden sprechen, also von menschlichen Robotern, weil sonst sind es halt irgendwie nur Maschinen oder intelligente Computer oder sowas.
Christoph May
00:08:44
Wenn sie keine Gender haben, dann lesen wir sie als männlich.
Susi
00:08:46
Dann lesen wir sie als männlich oder wir haben sowas wie Hell in Space Odyssey oder sowas, dann ist es irgendwie nur der Computer, der halt eine künstliche Intelligenz hat. Oder wie bei Chat-GPT, da würden wir ja auch nicht sagen, dass es ein Android ist, weil das halt irgendwie einfach nur diese Chat-Software. Aber deswegen finde ich eigentlich diese Unterscheidung so ein bisschen irreführend. Also natürlich passt es auf Ex Machina, auf Metropolis oder auch auf Demazelle, wenn wir von Gynuit sprechen, weil das Gender hier tatsächlich eine Rolle spielt. Also für diese ganze Gestaltung und auch für die Stereotype, die hier verhandelt werden, sowas wie Rache, Manipulation und die Männern den Kopf verdrehen und so, das ist bei Demazelle ja auch ein Thema.
Christoph May
00:09:30
Na, wie wollen wir das machen? Wollen wir von weiblichen Androiden sprechen oder von Gynnoiden?
Susi
00:09:34
Ja, weiß ich jetzt gerade auch nicht.
Christoph May
00:09:36
Wir wollen ja vor allem bezeichnen, dass Roboterinszenierung als Männerfantasie, das wollen wir bezeichnen. Also würde es vielleicht sein, mit mir von weiblichen Androiden zu sprechen.
Susi
00:09:44
Machen wir einfach so und haben jetzt den Disclaimer gemacht, genau. Dann ist es ja erstmal interessant, dass innerhalb dieser Männerfantasie immer diese menschenähnlichen Roboter und künstliche Intelligenzen innerhalb von Robotertechnik zum militärischen Einsatz als Waffe, als Bordcomputer, Raumschiff navigieren und so immer total wichtig ist. Und wenn wir jetzt aber mal in unsere Gegenwart reingucken, wie sich Technologie entwickelt und was wir eigentlich an technologischen Fortschritt haben und in Bezug auf KI für Probleme haben, dann finde ich das so absurd, dass wir uns mit Narrativen über menschliche Roboter befassen, während wir hier fundamentale ethische, moralische Dilemma anhäufen, die noch gar keine Narrative richtig haben.
Christoph May
00:10:32
Im Gegenteil, ich finde es sogar problematisch, dass wir uns überhaupt mit sowas auseinandersetzen müssen, weil uns irgendwelche KI-Algorithmen, Buden, Silicon Valley irgendwie dazu gezwungen haben, uns jetzt mit so einem Maschinenmiss beschäftigen zu müssen, wo wir ganz andere Probleme haben und uns gleichzeitig verkaufen wollen, dass diese Maschine unseren beschleunigten Kapitalismus irgendwie auch noch nachhaltig und grün fabrizieren können, ohne dass wir auf Wachstum verzichten müssen. Ich möchte mich nicht damit auseinandersetzen. Das ist absurd. Du bist soft. in die wir alle reingezwungen werden. Was soll das? Wem interessiert das?
Susi
00:11:05
Es stimmt, wir haben zum einen das Problem, dass Technologie so männlich dominiert ist, dass KIs mit Algorithmen gefüttert werden, die von Männern programmiert werden. Und das heißt auch mit diskriminierenden Stereotypen, mit Rassismen und so weiter gefüttert werden. In Berlin gibt es mittlerweile Workshops.
Christoph May
00:11:22
In denen man sich damit beschäftigt, wie man Männlichkeit wieder aus den Algorithmen rausschreiben kann.
Susi
00:11:25
Ja, und es ist einfach eine logische Fortführung des Spätkapitalismus. Es ist noch einen draufsetzen. Natürlich ist die Frage, ist es jetzt effizient oder ist es zerstörerisch? Und das meine ich nämlich interessant ist, also ich habe letztens einen Zeitartikel gelesen, der hatte die Überschrift, brauchen wir Regeln für Roboter? Und dann habe ich gedacht, cool, das ist ja unsere Folge, die wir jetzt machen und habe da reingelesen und dann ging es gar nicht um Roboter, sondern es ging halt um ChatGPT und MidJourney, also diese ganzen KI-Software-Dinger, die jetzt aufkommen. Und da haben dann eben zwei Politiker miteinander diskutiert über, soll man das jetzt reglementieren und wie soll man das reglementieren und kann man das reglementieren? Und dann habe ich gedacht so, krass, das sind ja jetzt ganz andere Themen. Nämlich drohen KIs Arbeitsplätze oder können KIs eben genau die Arbeiten übernehmen, die Menschen nicht machen wollen und wir können uns dann mit anderen Sachen beschäftigen?
Christoph May
00:12:18
Also hier läuft dann eine Diskussion, die sich männliche Drehbuchautoren in ihren fantasievollsten Fantasiedoskeiten noch nur hatten vorstellen können. Und es läuft ganz anders, als alles vorausgesagt.
Susi
00:12:27
Genau, tatsächlich ist mir dann darüber auch aufgefallen, in Foundation, da arbeitet keiner. Also irgendwie werden alle ausgebeutet, aber wir sehen eigentlich nicht, dass da irgendjemand arbeitet. Wir sehen keine kulturelle Produktion, wir sehen keine kreativen Berufe. Dann sagten die in dem Zeitartikel, das nächste wäre halt Fake News, also Fake Fotos, Fake Videos, Fake Porno und so weiter. Also auch dieses Sein und Schein und Trug und Wissen und Wahrheit und Wissenschaft und Objektivität, das wird natürlich durch KIs. Alles so aufgebrochen und in Foundation ist es so, dass die KI wie die absolute Wahrheit dargestellt wird. Also es gibt so ein Dilemma von Demoiselle, dass sie sich fragt, liebe ich den Imperator oder bin ich nur so programmiert? Und ich finde es so geil, weil ich könnte mich ja auch fragen, liebe ich meinen Partner oder bin ich nur so programmiert? Was ist denn Liebe eigentlich? Ist es jetzt einfach nur eine biochemische, völlig irrwitzige Reaktion? Denke ich eigentlich nur, dass ich hetero bin? Hat mich jemand indoktriniert, dass ich hetero bin? Ist Monogamie eigentlich normal? Also das könnten wir uns auch als ganz normale menschliche Frage stellen, weißt du, was ich meine? Also Wahrheit, Wissenschaft und Objektivität werden ja nicht ausschließlich von KI unterlaufen und werden auch nicht ausschließlich durch KI sozusagen breinigt als absolute Wahrheit. Also wenn ich einen Computer mit allem füttere, mit der Wahrheit, dann weiß dieser Computer, die Wahrheit ist ja Quatsch.
Christoph May
00:13:58
Es ärgert mich so, dass so viele Menschen jetzt damit beschäftigt sind, sich mit diesen großen männlichen Technologie-Ablenkungsmaschinen irgendwie mit diesen Diskursen auseinandersetzen zu müssen. Wir könnten diese ganze Zeit viel besser verwenden für die wirklich wichtigen Probleme. Der Artikel müsste ja eigentlich heißen, brauchen wir Roboter, weißt du?
Susi
00:14:16
Ja, im Sinne zum Beispiel der Care-Arbeit, also auch wie Altenpflege zum Beispiel und der Reproduktionsarbeit, haben wir in den Narrativen sehr wenig Antworten auf Gesellschaftssysteme. Ich sage es ja immer wieder, dass Frauen gebären ist sozusagen der Dreh- und Angelpunkt des Patriarchats und da gibt es total abgefahrene Theorien, auch wieder hier von meiner Autorin Donna Haraway zu den Technologie-Essays. Ich stelle es euch in die Shownotes, die sagt, wenn man jetzt ein bisschen radikaler denken würde, dann müsste man sagen, also Frauen müssen raus aus der Reproduktionsarbeit. Das heißt, es gibt nur noch In-vitro-Babys. Und so können wir die Gleichberechtigung erreichen. Und dann würden wir aus der patriarchalen Sicht schreien, nein, das ist ja eine schöne neue Welt und das ist ja grausam und dann gibt es ja gar keine Mutterschaft mehr. Und wir merken sofort, aha, die Muttertruppe wird angegriffen. Ah, das triggert da was. Interessant. Deswegen sind so eine radikalen Gedankenspiele cool. Ich will gar nicht sagen, dass ich dafür bin. Das wäre jetzt einfach total irrwitzig. Ich will nur damit sagen, ich würde mir gerne mal eine Serie angucken, wo es darum geht, wie KIs alte Leute pflegen. Weil wir dürfen nicht, das sagt auch Donna Haraway, uns auf diese männlichen Dualismen verlassen, die sagen, das ist unwürdig, alte Menschen, dass sie da mit so einem Roboter zu tun haben, der dann sagt, gut, Dan Morgan, hier ist ihr Glibberpudding. Das ist diese patriarchale Vorstellung von Mensch versus Roboter. Natur versus Kultur. Aber es ist auch menschenunwürdig, dass wir im Moment völlig überlastete Pflegekräfte haben. Dass sie überfordert sind, aber auch nicht im besten Wissen und Gewissen ihrer Arbeit nachgehen können. Und es wäre natürlich völlig vorstellbar, dass Roboter die Einnahme von Medikamenten überwachen. Und natürlich ist auch sowas wie eine Plüschrobbe, die irgendwie Atmungsgeräusche macht und warm ist, die die alten Menschen dann auf den Schoß nehmen, auch denkbar.
Christoph May
00:16:05
Wo die eigentliche Lösung aber auf dem Tisch liegt und das übersehen wir ja gerade. Wir haben sehr wohl genug Menschen, um in die Care-Arbeit und Erziehungsarbeit und Pflegearbeit zu gehen. Nur sind wir damit konfrontiert, dass Männer kein Interesse daran haben.
Susi
00:16:18
Naja und dass es im Kapitalismus keine Ware produziert, die man dann wieder verkaufen kann. So, das war jetzt ein riesenlanger Ausflug. Tut mir leid. Mal zurück zu Demazelle.
Christoph May
00:16:26
Darf ich mit Demazelle einsteigen? Darf ich ein bisschen was zu erzählen?
Susi
00:16:29
Unbedingt.
Christoph May
00:16:29
Also sie wird als einzig Überlebende eines früheren Roboterkrieges, der wohl mal stattgefunden hat, eingeführt, eines Krieges gegen die Cleons im Grunde, den die Cleons aus irgendwelchen Gründen auch immer gewonnen haben. Und sie ist die einzig Überlebende dieses Krieges und wurde quasi in so einen Keller gesperrt. Sie wird als The Segmented Woman in the Hidden Chamber bezeichnet, weil sie ist so getrennt in so Scheiben zerlegt, damit sie keinen Unheil anrichten kann und gefangen im Grunde. In so einem Keller. Sie wird zufällig dann von dem jungen Dorn gefunden und sie ist das erste Geheimnis, das dieser junge Prinz jemals hat und haben wird und er entdeckt eines Tages, dass es einen Mechanismus gibt, um sie wieder zusammenzusetzen. Er könnte sie also theoretisch freilassen und er ist mit der Frage aber konfrontiert, ja, wenn ich dich freilasse,
Susi
00:17:15
Dann bringst du mich um.
Christoph May
00:17:18
Bist du dann nicht freier als ich? Wirst du mich nicht umbringen? Was wird passieren? Er ist fasziniert von dieser Maschinenfrau. Er hat auch immer weiter von ihr gelernt. Die sind zusammen groß geworden.
Susi
00:17:26
Sie erzählt ihm dann Geschichten aus dem Imperium. Sie erzählt ihm Geschichten. Und da wollte ich gleich mal sagen, Christoph, da geht es auch direkt wieder um Manipulation. Das ist ganz interessant. Immer bei Androiden geht es immer um Manipulation. Bei männlichen Androiden würde ich sagen, auch teilweise, wenn wir David in Prometheus sehen. Aber bei Weiblichkeit und Manipulation, das Weibliche, das Hinterlistige, das ist eine Trope. Da muss man doll aufpassen, das regt mich auch gleich auf.
Christoph May
00:17:53
Das ist nicht eher sie manipuliert, sondern sie ihn?
Susi
00:17:56
Ja.
Christoph May
00:17:57
Ich habe es jetzt gerade genau andersrum gelesen.
Susi
00:17:59
Nee, ich habe es tatsächlich so verstanden, dass sie natürlich abhängig ist von ihm, weil sie in diese Scheibchen geteilt ist. Aber er hat ein Geheimnis mit ihr. Das heißt, es gibt auch eine gewisse Abhängigkeit. Also das wandelt sich dann.
Christoph May
00:18:12
Sie bereitet sich so langsam darauf vor.
Susi
00:18:14
Und sie bringt ihn dazu, sie wieder zusammenzusetzen. Und das macht sie auch mit zweierlei. Mit diesen Geschichten und mit Sexualität. Das ist auch in diesem erwachenden Bruder Morgen eben dieses komische ödipale Ding, das setzt sich dann auch fort, dass er sie wie eine, ja wie so eine Großmutter, wie so eine alte, weise Frau vor sich hat, aber auch als Sexobjekt, weil sie natürlich traumhaft schön ist und ewig jung bleibt. Auch eine Männerfantasie, glaube ich, dass Frauen irgendwie ewig jung bleiben und ewig knackig bleiben.
Christoph May
00:18:43
Sie steht auch dann irgendwann nackt vor ihm, als er sie zusammengesetzt hat und dann sagt er sowas wie, es schien nicht länger richtig zu sein, um nackt und so ein Stück geteilt.
Susi
00:18:52
Sie erzieht ja auch diese kleinen Bruder morgen also vom Baby oder eben aus der Retorte raus. Das heißt, sie hat auch tatsächlich als Einzige so eine ganz enge Beziehung zu diesen, Und sie hat das absolute Gedächtnis. Sie hat ja das Gedächtnis dieser Welt, dieser Galaxie. Sie hat das ganze Gedächtnis von den Kleons, also vom ersten Kleon bis zum letzten Kleon. Sie kann die auch auseinanderhalten. Sie sagt auch, es gibt da Unterschiede. Und sie kuratiert auch das Gedächtnis von den Kleons. Also das kommt immer mehr raus, dass sie auch nicht auf ihr ganzes Gedächtnis zugreifen können.
Christoph May
00:19:26
Wir müssen noch darauf zu sprechen kommen, wie es denn dazu kommt, dass sie in diese Mutterfunktion im Grunde gezwungen wird. Das macht sie ja nicht freiwillig, sondern er befreit sie nur unter der Bedingung, dass sie ihren Körper nicht verlassen darf als Programm und so weiter und dass sie ihn quasi küssen und lieben muss, dass er sie braucht, dass er sie benutzen kann und dass sie ihn beschützt. Und dann merkt sie natürlich auch sofort, hey, das ist keine Freiheit, du lässt mich nicht frei, sondern du zwingst mich gegen meinen Willen, für immer loyal zu sein und euren komischen männlichen genetischen Code zu beschützen. Und er zwängt sie in diese Mutterschaft über alle kommenden Generationen. Und er sagt dir ja sowas wie, das ist wie so ein Fluch, du wirst sie lieben und durch meine drei Versionen von mir selbst das Imperium regieren. Also sie bleibt quasi indirekt doch gefangen in ihrem Einkörper und wird so eine Art Muttersklave.
Susi
00:20:13
Das stimmt. Wenn du das mit Mutter synonym setzt, dann wird es richtig pervers irgendwie, ja.
Christoph May
00:20:19
Er verkauft es ihr als nachtsvolle Position über das Imperium, aber sie darf eigentlich nichts machen. Und er bestimmt allein, welche Freiheit sie hat.
Susi
00:20:26
Und dann würde ich auch sagen, wird auch diese weibliche Macht wieder pervertiert. Weil wir haben ja gesagt, hier wurde ein Genderflip vorgenommen. Also in der Asimovschen Vorlage ist dieser Android eine männliche Figur. Wenn wir uns jetzt hier vorstellen, dass es ein Mann ist, dann sind die ganzen Stereotype, diese ganze Gender-Binarität, die funktioniert dann nicht mehr. Er findet dann unten einen Mann, der ihm Geschichten erzählt. Die können sich natürlich nicht verlieben. Und es wird so ein bisschen komisch, wenn er dann sagt, du musst mich auf alle Zeiten lieben. Und also Schutz geht, okay, im Männlichen. Aber ich würde sagen, dass den Showrunnern der Gender-Flip zugute gekommen ist, wenn man innerhalb dieser ekelhaften, pornografischen, perversen Mutter-Stereotype irgendwie drinbleiben möchte. Würde ich sogar sagen, dass das hier, also wieder so eine grauenhafte Falle, wenn man denkt, hey, hier ist ja voll die machtvolle Frauenfigur und eigentlich ist es wirklich die schlimmste, trostloseste Figur hier auch.
Christoph May
00:21:21
Sie war für 5000 Jahre in dieser Kammer da gefallen. 5000 Jahre. Und deswegen dachte ich, muss man doch diese ganze Metaphorik, von dem er sehr lesen, als Metapher auf das, was hier gerade auch in der Realität passiert. Nämlich nach 200 Jahren Feminismus sind wir jetzt an einem Punkt, wo Frauen und wo Flinterpersonen im Grunde nicht nur zum Bewusstsein kommen, das waren sie immer schon, sondern wo Männer dem nichts mehr entgegenzusetzen haben und tatsächlich an Macht verlieren. Insofern würde ich sagen, kommt in diesen männlichen Drehbuch Genuiden auch immer so dieses Narrativ, diese männliche Angst davor, Frauen doch irgendwie unter Kontrolle zu halten und bloß nicht freilassen zu können und so weiter.
Susi
00:21:56
Ah, der männliche Makel, ja klar.
Christoph May
00:21:58
Der männliche Makel wird hier verhandelt.
Susi
00:22:00
Ja, weil sie erlangt so ein Bewusstsein, so ähnlich wie bei Barbie. Sie wird wach, sie kann sich an alles erinnern, auch als Einzige an alles erinnern.
Christoph May
00:22:08
Und sie beginnt sich zu wehren.
Susi
00:22:10
Gut, das wissen wir jetzt nicht, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, aber vermutlich, das ist ja meine Theorie, dass sich Foundation immer weiter um Demasell drehen wird und um diesen Aspekt von Freiheit und von Macht, Transformation, so wie sie das schafft, denke ich mal. Das wäre jetzt so vielleicht auch ganz interessant weiterzugucken für mich. Aber wo ich jetzt gerne hingehen will, ist zu diesem kulturellen Gedächtnis. Denn wenn wir jetzt noch mal kurz schauen, was wir eigentlich in Foundation nicht zu sehen bekommen, das haben wir ja auch in der letzten Folge schon so leicht angedeutet, wir bekommen eigentlich keine Sinnhaftigkeit im Sinne von einem kulturellen Dasein. Alles Wissen, alle kulturellen Freuden, sage ich jetzt mal, die sind alle in Demersel vereinigt. Es gibt noch so ein monumentales Gemälde, wo irgendwie diese Geschichtsschreibung dieses Imperiums festgehalten ist, was so biblisch ist, was sich nicht so leicht deuten lässt und so weiter. Das heißt, wenn wir uns hier fragen, die Welt wird zerstört und was bleibt denn jetzt von dieser Zivilisation? Diese Antworten werden gar nicht gegeben und dadurch wird es auch so ein bisschen egal. Ich bin da nicht so emotional dann beim Zugucken, wenn dann dieser Planet dann ausgelöscht wird, weil ich habe ja niemanden kennengelernt. Ich habe nirgendwo, konnte ich andocken, mich identifizieren und ich traue da um nichts. Und das ist eine ganz gute Überleitung zu unserer Serie Station Eleven, die Flinter-Serie, die du mitgebracht hast. Weil da haben wir einfach eine postapokalyptische Erzählung, die sich auch die ganze Zeit damit beschäftigt, was ist Zivilisation. Was ist Menschlichkeit, was ist Kultur, was ist Natur. Das sehe ich da als ganz, ganz wichtige Kernthemen, die dort verhandelt werden und deswegen sind mir dort auch alle Figuren nah und emotional wichtig. Und obwohl das nur so eine kleine Gemeinschaft ist, hängt man einfach an allem und will, dass sie es schaffen und will, dass sie überleben. Und ist eben nicht so fatalistisch wie bei Foundation, wo man sagt, okay, der Planet ist explodiert. Gut, was gucke ich als nächstes? Morning Show.
Christoph May
00:24:11
Hey, wie hat es dir gefallen, Station? Du warst ziemlich begeistert, oder?
Susi
00:24:15
Christoph, also ich bin dir so dankbar, dass du diese Serie mitgebracht hast. Das ist für mich eine der aufregendsten, intensivsten, krassesten Serien. Ich muss sagen, ich habe die letzte Folge jetzt so lange zurückgehalten. Ich habe sie gestern Abend noch geguckt, weil ich nicht wollte, dass die Serie aufhört. Es ist eine Miniserie, ist abgeschlossen nach zehn Folgen. Ist in dem Sinne vielleicht nicht so eine Sci-Fi-Erzählung, sondern eher wie so eine Utopie oder so. Du hast mal ganz süß gesagt, das ist so, als ob man das Theaterschiff in Potsdam auf einem fremden Planeten auskippt oder sowas. Und dann gehen die los und machen Wandertheater. Und so in etwa kann man sich das vorstellen, dass wir die Hauptfigur Kirsten begleiten in dieser Welt, die durch eine Pandemie untergegangen ist. Ich glaube, das spielt bei der Serie natürlich eine Rolle, wenn man das guckt. Dass man nochmal so berührt ist von dieser pandemischen Erzählung. Und das Geile ist, aber ich kann euch beruhigen, es gibt halt die Pandemie und dann ist die Menschheit einfach mal ausgelöscht zu 90 Prozent. Also da ist nichts mit Quarantäne und mit Lockdown und mit Social Distancing. Das ist keine Corona-Erzählung.
Christoph May
00:25:18
Das ist interessant, dass die mit den Dreharbeiten schon 2019 begonnen haben. Also die wussten noch gar nicht, dass die Pandemie kommt und dann mussten die es unterbrechen. Also das ist interessant, dass die im Grunde das auch vorausgenommen haben.
Susi
00:25:28
Das ist sauspannend. Und dann kann man sich natürlich vorstellen, dass durch die Pandemie jegliche Familienbezüge verloren gehen. Familien werden ausgelöscht, Kinder bleiben alleine zurück. Das heißt, du musst nach dieser Krise, musst du dann Wahlverwandtschaften bilden. Das ist in dieser Serie auch die ganze Zeit Thema, dass nur, weil nur noch 10% der Weltbevölkerung übrig ist, heißt es nicht, dass sich jetzt alle mögen. Also da gibt es auch Konkurrenz, da gibt es Angst, da gibt es einen Kampf um Ressourcen, da gibt es Sympathien und Antipathien. Und das finde ich total abgefahren, auch weil das habe ich auch bei Donna Haraway in den Gender-Technologie-Essays gelesen, die zum Beispiel sagt, make kin, not babies. Also make kin, not babies könnte man übersetzen wie, sucht euch Wahlverwandtschaften und verbindliche Freundschaften und führt Beziehungen und macht keine Kinder im Sinne dieser Reproduktion, auch dieser Überpopulation natürlich. Also die Grundlage von Zivilisation muss sein, dass wir Verbindlichkeiten schaffen untereinander und dass Reproduktionsarbeit gleichmäßig aufgeteilt ist. Jetzt wird in dieser utopischen Gesellschaft ein Gedankenspiel durchgeführt, Wie die Menschheit jetzt überleben kann auf diesem ausgelöschten Planeten. Und das ist ja auch der große Unterschied, dass wir in Foundation die ganze Zeit vor der Apokalypse stehen. Also das ist sozusagen die größte Krise, die passieren kann, ist die Weltauslöschung. In Station Eleven ist die Welt ausgelöscht und jetzt geht's weiter. Wie findet jetzt die Menschheit wieder zu einem Leben zurück? Und dass das dann nicht im Patriarchat endet, das finde ich halt auch so geil, weil wozu sollte jetzt eine Männerherrschaft quasi nützen in so einem Moment? Es bringt einfach nichts. Du siehst, dass die Leute sofort pragmatisch werden. Kirsten, die Hauptprotagonistin, landet in so einer Art Wandertheater. Und in dieser Gemeinschaft müssen natürlich alle abwaschen, alle sich ums Essen kümmern. Es wird auch darüber verhandelt, wer die Regie übernimmt. Also auch Positionen und Hierarchien werden immer wieder getauscht und verhandelt, wer spielt den Hamlet und so weiter. Und das ist auch total logisch, weil das ist vielleicht eine Gruppe, weiß ich nicht, Christoph, von 20 Leuten. Du hast ja irrsinnig viel zu tun, wenn du keinen Kühlschrank hast und ständig unterwegs bist und Nahrung suchen musst, zubereiten musst und so weiter. Du kannst es dir gar nicht leisten, dass du sagst, das machen die Frauen hier bei uns. Das machen die Frauen und wir machen in der Zwischenzeit Regie. Und warum sollten die Frauen das auch machen? Und andersrum wieder, Jäger und Sammler, ist es auch nicht so, dass die Frauen da total kleine Heimchen sind. Die gehen eben auch jagen, die können sich verteidigen. Kirsten ist so eine absolute Waffenheldin, die hat irgendwie drei Messer am Körper und ist total tough.
Christoph May
00:28:18
Die Anführerin von dieser normalischen Schauspielergruppe, die heißt Sarah, auch ganz tolle Figur. Und um noch zu ergänzen, die wandern so in dieser Gegend um Chicago, um diese großen Seen, speziell um den Lake Michigan.
Susi
00:28:30
Genau, und das Zweite ist, dass wir haben halt postapokalyptisch, postkapitalistisch, postpatriarchal, das heißt, wir haben kein Reichtum, wir haben keinen Besitz, wir haben keine hierarchischen Machtgefüge und wir haben auch keine Gender sozusagen. Also wir haben natürlich schon Männer und Frauen, aber dadurch, dass wir ja keine Modeindustrie haben, die uns sagt, ihr braucht jetzt den Nippel-BH von Kim Kajin, tut mir leid, dieses Ding, das hat sich eingeprägt bei mir, sind auch Schönheitsnormen, lassen sich natürlich schwerlich, ohne ein schönes Badezimmer mit Ringlicht, elektrischer Zahnbürste und Make-up bewerkstelligen.
Christoph May
00:29:06
Das spielt alles keine Rolle. Aber auch der gesamte Cast ist unheimlich divers. Das war das Erste, was ich so wahrgenommen habe. Dass wir hier auch Persönlichkeiten zu sehen bekommen, dass es völlig egal ist, welche Geschlecht die haben und wie. Die sind alle durch die Bank traumatisiert. Von denen, die es noch direkt dabei waren, damals Pandemie, bis auch von den danach Geborenen. Wir sehen sämtliche Körper in allen möglichen Zuständen. Wir sehen behinderte Körper. wir sehen kranke Körper, wir sehen unheimlich starken Figuren dabei zu. Also ich habe gedacht, wow, ich will auch so leben, ich will auch in die Natur, ich will zu Hause mit dir hinreisen.
Susi
00:29:40
Ja, es war romantisch. Also das ist auch echt abgefahren, dieses, Wandertheater spielt dann Shakespeare, da müssen wir kurz nochmal eine kleine Fußnote machen, weil das fand ich ein bisschen problematisch, dass Shakespeare dann als kulturelles Gedächtnis, als kulturelles Erbe dann irgendwie als einziges übrig bleibt und natürlich männlich-kanonisch dann übrig bleibt, Aber auf der anderen Seite, als jemand, der auch, ich sag mal, fünfmal in der Schaubühneninszenierung von Hamlet mit Lars Eidinger war. Ich liebe Shakespeare natürlich auch, fand ich es dann wiederum auch so toll, eine Hamlet-Inszenierung zu sehen, wo eben eine weiblich gelesene Person den Hamlet spielt. Die setzen sich dann auch mit der Figur und dem Schmerz ganz anders auseinander und versuchen das immer so aktuell auf ihre Lage irgendwie zu beziehen. Dann haben sie so zusammengebrümmelte Kostüme. Das ist alles so fantasievoll. Also du hast so das Gefühl, das sind Stoffreste, Plastik, Gummihandschuhe, gefüllte, was weiß ich, Reifen irgendwo angedeutet. Also so total geil, wie aus so einer Fundgrube zusammengeschusterte Dinger. Und das hat wirklich was von so einem Wanderzirkus, was total romantisch ist. Und da würde ich nämlich auch sagen, dass hier, Was wir in der letzten Folge noch männliche Psychogeografien genannt haben. Wir haben hier eine reiche Natur. Wir haben hier diese klassisch überwucherten Hochhäuser, aber die gehen eben, wie du gerade sagtest, um diese großen Chicagoer Seen rum. Und gleichzeitig gibt es immer wieder diese Artefakte aus dieser verlorenen Zivilisation, also Plastikmüll hauptsächlich. Und wie hier dieser Dualismus von Natur und Kultur thematisiert wird, dass sie als Zivilisation betrifft. Ihre Kultur performen müssen ständig, also innerhalb von diesen Shakespeare-Aufführungen, aber auch von Beziehungen, von Gesprächen. Dann habe ich so eine abgefahrene Szene gesehen, da sagte dann der eine Typ, Kirsten, willst du heute bei mir im Zelt schlafen? Was irgendwie so viel heißt wie, ja, wollen wir zusammen kuscheln oder so? Und dann dachte ich, interessant, also das Konzept von Monogamie ist dann irgendwie auch in so einem Zustand von, ich habe Lust auf Berührung, hast du auch Lust auf Berührung? Wäre es okay für dich? Konsens. So geil. Oder dann der andere Hauptcharakter, Jeevan, der wird nach so einem Wolfsangriff, macht ja so eine Odyssee durch und landet in so einem alten Kaufhaus, wo total viele Schwangere dann alle gleichzeitig ihr Kind kriegen. Und er wird dann als Arzt eingespannt. Und ich fand es so lustig, dass er hat immer gesagt, ich bin kein Arzt, ich bin kein Arzt. Aber was er dann gemacht hat, ist zu helfen. Zu fragen, ist alles okay? Kann ich dir was Gutes tun? Also es sind da auch Leute gestorben, auch unter der Geburt, weil sie eben nicht diese medizinischen Versorgungen jetzt hatten. Also die Aussage ist nicht, Schulmedizin ist scheiße und wir müssen uns alle einfach gegenseitig nur helfen. Aber es gab schon diese Referenz auf, was bedeutet es eigentlich, jemandem zu helfen? Was ist wirklich das innerste Menschliche, was ich vor allen Dingen auch unter der Geburt wirklich brauche? Begleitung. Das ist ja auch was, was wir in unserer Zivilisation total verloren haben, auch durch den Kapitalismus.
Christoph May
00:32:51
Und würdest du auch sagen, auch dieser Zusammenhalt, der hat mich begeistert. Könnte man denn jetzt sagen, dass dieser Zusammenhalt, ist das das Eigentliche, wonach wir alles starven in den Serien und in den Filmen? Weil Männer, männliche Triebischer kaum in der Lage sind, so eine Art von Zusammenhalt zu zeigen.
Susi
00:33:06
Tatsächlich war es wirklich wie eine Art von Erleichterung. Dadurch, dass der ganze Kram, Netflix, Handy, Wasserkocher, dass das alles nicht mehr da war. Und man zurückgeworfen war auf menschliche Begegnungen und auf Geschichten erzählen. Und irgendwie, ich hatte genau das Gefühl, wie du auch, dass ich dachte ... Ich will Kontakt, ich will mit Leuten reden, ich will nicht zelten, also wirklich nicht. Es ist auch romantisch. Ich liebe meinen Wasserkauer an, ich nehme alles zurück. Nein, ich glaube wirklich dieses Ambivalente in unserer Welt, diese Überforderung auch mit Besitz, mit Material, mit dieser ganzen Technik, mit diesem ganzen Mithalten, mit diesen ganzen Diskosen, dass es auf einmal wieder sowas Schlichtes und sowas Simples kriegt, was es natürlich nicht ist, wenn es da Wölfe gibt und so weiter und ich muss da irgendwie zu Fuß kilometerweit gehen und so weiter. Aber es hatte doch eben sowas Archaisches, was bei mir auf jeden Fall auch eine Sehnsucht ausgelöst hat und was auf jeden Fall auch feministisch war, finde ich. Kann man so lesen. Und im Gegensatz eben zu Foundation total viele Themen berührt hat, die wir in unserer Kultur haben. Und ich fand auch das Thema Zivilisation und Gedächtnis, also es gibt dann ein Handlungsstrang, findet in so einem Terminal statt, wo Leute überlebt haben und die haben dann eben noch diesen ganzen Elektro- und Plastikschrott. Da gibt es dann ein Gameboy und Headsets und Telefone, mit denen sie alles nichts mehr anfangen können und das stellen sie dann aus im Museum of Civilization und du denkst dir so... Das ist unsere tolle Hochkultur, das was von uns übrig bleibt, wenn Aliens uns hier in 2000 Jahren finden, dann finden sie Atommüll, Plastikmüll und das ist das, was bleibt und vielleicht noch Shakespeare, who knows.
Christoph May
00:34:53
So traurig wird vom Patriarchat übrig bleiben, so traurig.
Susi
00:34:56
Ja, und ich fand es auch so schön, dass das mit diesem Theater so aufgemacht wurde, denn jeder hat eine Rolle im Theater. Jeder ist wichtig. Der eine kurbelt an so einem Seil, der nächste ist halt Hamlet, okay. Und das sehen wir ja in Foundation auch die ganze Zeit, da hat keiner eine Rolle. Das ist alles total egal und total austauschbar. Es spielt keine Rolle, ob Selva Harden den Planet rettet, weil wir dann einfach im Patriarchat bleiben. Es spielt keine Rolle, ob Harry Seldom ein Hologramm ist oder nicht. Es spielt keine Rolle, welcher Day jetzt gerade der Kaiser ist. Es ist irgendwie alles einfach innerhalb von dieser Dystopie ist es so egal. Auch bei Blade Runner übrigens. Es spielt keine Rolle, wovon Androiden nachts träumen, wenn sie im Patriarchat aufwachen. Was für einen Schlusssatz Christoph, soll ich uns mal rausschmeißen mit diesem Satz? Ich will unbedingt euch empfehlen, dass ihr Station Eleven guckt.
Christoph May
00:35:52
Ja, lasst euch begeistern von dieser Serie, ist das wirklich sowas habt ihr noch nicht gesehen vorher Ich
Susi
00:35:56
Will auch nochmal Danke sagen, weil wir haben auf Insta rumgefragt, ist Sci-Fi eigentlich männlich? Weil ich habe irgendwie kaum andere Beispiele gefunden und haben total viele Tipps bekommen und ich mache euch so ein kleines Bookstagram und stelle euch mal so ein paar Empfehlungen vor von weiblicher Sci-Fi-Literatur. Alles andere bekommt ihr wie immer in den Shownotes. Liked, shared sehr gerne. Wir freuen uns wirklich super doll, wenn ihr uns Sternchen dalasst, wenn ihr uns Feedback gebt und wenn ihr uns auch helft, dass unser Podcast auch neue HörerInnen verändert natürlich. Und bleibt unbequem, ihr Lieben.
Music
00:36:29

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